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  • 02.04.2024 · IWW-Abrufnummer 240660

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 12.01.2024 – 1 Ws 122/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    KG

    Beschluss vom 12.01.2024 


    Beschluss

    1 Ws 122/23

    In der Maßregelvollzugssache
    des Antragstellers pp.

    hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts am 12. Januar 2024 beschlossen:

    1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2023 wird als unbegründet zurückgewiesen.
    2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens

    Gründe:

    I.

    Der in der Sicherungsverwahrung untergebrachte Antragsteller hatte vor der Strafvollstreckungskammer eine Maßregelvollzugssache angestrengt, in welcher ihm am 25. Mai 2023 gemäß § 109 Abs. 3 StVollzG Rechtsanwalt X. als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet worden war.

    Mit Beschluss vom 19. Juni 2023 entschied die Strafvollstreckungskammer die Maßregelvollzugssache des Antragstellers abschließend und sprach dabei aus, dass die Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers trägt. Der Beschluss ist seit dem 27. Juli 2023 rechtskräftig.

    Bereits am 20. Juni 2023 beantragte Rechtsanwalt X, die notwendigen Auslagen des Antragstellers auf insgesamt 367,23 Euro festzusetzen. Den Kostenfestsetzungsantrag übermittelte er elektronisch über sein besonderes Anwaltspostfach und fügte diesem eine eingescannte Vollmachtsurkunde bei, die auf den 16. Mai 2023 datiert ist, augenscheinlich den Namenszug des Antragstellers trägt und Rechtsanwalt X u.a. Vollmacht für das Kostenfestsetzungsverfahren und zur Empfangnahme zu erstattender Kosten und notwendiger Auslagen erteilt. Sowohl den Kostenfestsetzungsantrag als auch das vorgenannte Dokument signierte Rechtsanwalt X elektronisch.

    Daraufhin teilte der Rechtspfleger des Landgerichts Berlin mit, dass die Rechtskraft des Beschlusses abzuwarten sei und die Geldempfangsvollmacht im Original eingereicht werden müsse, weil die Übersendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht genüge.

    Nachdem Rechtsanwalt X mitteilte, die Vollmachtsurkunde bereits elektronisch signiert übersandt zu haben, erklärte die als Vertreterin der Landeskasse angehörte Bezirksrevisorin des Landgerichts Berlin am 17. Juli 2023, dass es aus ihrer Sicht des Nachweises einer Antragsberechtigung in Form einer aktuellen Vollmacht mit Geldempfangsvollmacht im Original bedürfe.

    Am 7. August 2023 teilte Rechtsanwalt X erneut mit, er halte den übermittelten und von ihm signierten Scan für ausreichend, und bat um eine rechtsmittelfähige Entscheidung. Zudem übermittelte er einen Scan einer weiteren inhaltsgleichen und vom 4. August 2023 datierenden Vollmachtsurkunde per beA, den er wiederum elektronisch signierte.

    Die Bezirksrevisorin teilte am 14. August 2023 erneut mit, dass sie die Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original für erforderlich halte, woraufhin der Rechtspfleger Rechtsanwalt X zuletzt am 4. September 2023 aufforderte, die Prozessvollmacht binnen drei Wochen im Original vorzulegen.

    Nachdem dieser der Aufforderung nicht nachgekommen war, hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Oktober 2023 den „von Rechtsanwalt X gestellten und unterzeichneten“ Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen.

    Hiergegen hat Rechtsanwalt X am 8. November 2023 unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens sofortige Beschwerde eingelegt.

    Die Bezirksrevisorin des Landgerichts Berlin hat am 17. November 2023 unter Wiederholung ihrer Rechtsauffassung beantragt, die sofortige Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.

    II.

    Das als sofortige Beschwerde des Antragstellers auszulegende Rechtsmittel ist zwar zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

    1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 464b Satz 3 und 4 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthaft.

    a) Beschwerdeführer ist hier der Antragsteller und nicht Rechtsanwalt X. Auch wenn Rechtsanwalt X die sofortige Beschwerde nicht ausdrücklich namens des Antragstellers eingelegt hat, handelt er ohne Zweifel in dessen Namen. Bereits mit dem Kostenfestsetzungsantrag hat er nämlich beantragt, die notwendigen Auslagen des Antragstellers festzusetzen und einen Scan der Vollmachtsurkunde nebst Geldempfangsvollmacht übermittelt.

    b) Der in Streit stehende wirksame Nachweis der Vollmacht berührt die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nicht. Denn ungeachtet dessen, dass bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens eine wirksame Bevollmächtigung zu unterstellen sein kann, wenn Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gerade die Wirksamkeit der Bevollmächtigung ist (vgl. BSG, Beschluss vom 18. Mai 2022 ‒ B7/14 AS 225/21 B ‒ BeckRS 2022, 16346), richtet sich das Beschwerdeverfahren gegen die Kostenfestsetzung nach § 464b StPO nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers nach den Vorschriften der Strafprozessordnung.

    c) Die sich aus dieser Vorschrift ergebende zweiwöchige Beschwerdefrist ist, unabhängig davon, ob der angefochtene Beschluss Rechtsanwalt X ‒ wie von ihm selbst vorgetragen ‒ bereits am 2. November 2023 oder ‒ wie von ihm auf dem Empfangsbekenntnis vermerkt ‒ erst am 7. November 2023 zugestellt worden ist, gewahrt. Zudem übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands mit 367,23 Euro den nach § 304 Abs. 3 StPO erforderlichen Betrag von 200 Euro.

    2. Der Kostenfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers ist durch den angefochtenen Beschluss zu Recht zurückgewiesen worden, weil Rechtsanwalt X seine wirksame Bevollmächtigung nicht in der hierfür erforderlichen Form nachgewiesen hat.

    Zu den nach § 464b Satz 3 StPO im Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend anzuwendenden Vorschriften der Zivilprozessordnung gehören auch die für alle Verfahrensarten gültigen grundsätzlichen Bestimmungen über Prozessbevollmächtigte und Beistände in den §§ 78-90 ZPO (vgl. BGH NJW 2011, 3722 m.w.N.). Gemäß § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten zu reichen. Die Bezirksrevisorin des Landgerichts hat die Nichteinreichung der Vollmacht gerügt, so dass das Landgericht trotz des Umstandes, dass es sich bei dem als Bevollmächtigten Auftretenden hier um einen Rechtsanwalt handelte (§ 88 Abs. 2 ZPO), die Bevollmächtigung auch zu Recht geprüft hat.

    Ebenfalls zu Recht ist es dabei von deren nicht wirksamem Nachweis ausgegangen. Bei der von Rechtsanwalt X per beA übersandten und signierten Datei des Scans der Vollmachtsurkunde handelt es sich nicht um eine schriftlich zu den Gerichtsakten gereichte Vollmacht iSd des § 80 Abs. 1 ZPO. Diese Norm verlangt die schriftliche Einreichung der Vollmacht zum Nachweis der tatsächlichen Bevollmächtigung, der grundsätzlich nur durch die Vorlage der Originalvollmacht oder einer öffentlich beurkundeten Vollmacht, nicht aber durch Kopie, Telefax oder beglaubigte Abschrift geführt werden kann (vgl. BGHZ 126, 266, NJW 1994, 2298; Toussaint in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 80 Rn 17; Althammer in: Zöller, 35. Aufl. 2024, § 80 Rn 8)

    Ein elektronisches Dokument in Form eines Scans des schriftlichen Originals steht insoweit sonstigen Kopien gleich und ist zum Nachweis der Vollmacht nicht ausreichend. Zwar kann die Schriftform gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden, dies setzt aber gemäß § 126a Abs. 1 BGB voraus, dass der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versieht. Dies ist hier jedoch nicht geschehen, weil Aussteller der Vollmacht nicht Rechtsanwalt X, sondern der Antragsteller ist. Rechtsanwalt X konnte den Nachweis auch nicht dadurch führen, dass er als verantwortende Person nach § 130a Abs. 3 ZPO das elektronische Dokument signierte. Denn diese elektronische Signatur ersetzt lediglich die nach § 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Unterschrift (vgl. BGHZ 184, 75, NJW 2010, 2134; Fritsche in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 130a Rn 9 m.w.N.), ermöglicht aber nicht die Erfüllung der Formerfordernisse anderer Vorschriften (vgl. Greger in: Zöller, 35. Aufl. 2024, § 130a ZPO Rn 2a).

    Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, dass das Oberlandesgericht Oldenburg die Vorlage des Originals eines Berechtigungsscheines der Beratungshilfe für nicht erforderlich gehalten und einen per beA übermittelten Scan hat ausreichen lassen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 1. April 2022 ‒ 12 W 25/22 ‒), ist diese Konstellation mit dem Nachweis der Bevollmächtigung nach § 80 ZPO bereits nicht vergleichbar. Denn es besteht bereits keine gesetzliche Pflicht zur Vorlage des Originals des Beratungshilfescheins, während § 80 Abs. 1 ZPO die schriftliche Einreichung der Vollmacht verlangt.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

    RechtsgebieteKostenfestsetzung, VollmachtVorschriften§ 464bS. 3 StPO, § 80 S. 1 ZPO