04.06.2024 · IWW-Abrufnummer 241816
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 30.04.2024 – 5 AR 8/24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Berlin
Beschluss vom 30.04.2024
Tenor:
I. Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenansatz vom 04.03.2024 (zum Kassenzeichen ...; Rechnungsdatum/Sollstellung 05.03.2024) wird zurückgewiesen.
II. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1
A. Mit Schriftsatz vom 09.02.2024, beim Kammergericht eingegangen am selben Tage und dort zum Geschäftszeichen 19 U 9/24 geführt, hat der Erinnerungsführer erklärt, für die Beklagte Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 05.01.2024 zum Geschäftszeichen 53 O 49/23 einzulegen. In demselben Schriftsatz hat er zugleich beantragt, ihm kurzfristig Akteneinsicht zu gewähren durch Übersendung der Akte in seine Kanzlei. Mit Verfügung vom 04.03.2024 hat der Vorsitzende des 19. Zivilsenats Akteneinsicht wie beantragt bewilligt. Noch am 04.03.2024 hat die Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats verfügt, die Akte an den Erinnerungsführer zu versenden, und dies ihm in einem Anschreiben vom selben Tage mitgeteilt.2
Mit Kostenansatz vom 04.03.2024 (zum Kassenzeichen ...; Rechnungsdatum/Sollstellung 05.03.2024) ist dem dort als Kostenschuldner benannten Erinnerungsführer hierfür eine Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KV in Höhe von 12,- Euro in Rechnung gestellt worden.
3
Mit Schriftsatz vom 07.03.2024, beim Kammergericht eingegangen am selben Tage, hat der Erinnerungsführer erklärt, für die Beklagte die Berufung zurückzunehmen. Ferner hat er in diesem Schriftsatz erklärt, die beantragte Gewährung auf Akteneinsicht könne aufgrund der Berufungsrücknahme als gegenstandslos angesehen werden; er hat hinzugesetzt, die Akte bislang auch nicht erhalten zu haben.
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Die Akte ist dem Erinnerungsführer erst am 12.03.2024 zugegangen, nachdem sie zunächst bei einer anderen Rechtsanwaltskanzlei eingegangen war.
5
Mit Schriftsatz vom 16.04.2024 hat der Erinnerungsführer "namens und in Vollmacht meiner Mandantin" Erinnerung gegen die Erhebung der Aktenversendungspauschale eingelegt. In diesem Schriftsatz hat er vorgetragen, am 07.03.2024 habe ihn die genannte andere Rechtsanwaltskanzlei darüber informiert, dass bei ihr "die mit einem an [den Erinnerungsführer] adressierten Übersendungsschreiben des Kammergerichts versehene Akte" zugegangen sei.
6
Dieser Erinnerung hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats mit Verfügung vom 17.04.2024 nicht abgeholfen.
7
B. Der Schriftsatz vom 16.04.2024 des Erinnerungsführers ist trotz seiner Erklärung, die Erinnerung werde namens und in Vollmacht seiner Mandantin, also der Beklagten, erhoben, als Rechtsbehelf des Erinnerungsführers auszulegen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschluss vom 10.08.2022 - VII ZR 62/22 - NJW-RR 2022, 1718, Rdnr. 20 nach juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Kostenschuldner einer Aktenversendungspauschale nach § 28 Abs. 2 GKG derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst; wenn ein Rechtsanwalt die entsprechende Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle abgibt, ist somit der Rechtsanwalt selbst alleiniger Kostenschuldner (BGH, Urteil vom 06.04.2011 - IV ZR 232/08 - MDR 2011, 758, Rdnrn. 16, 18 nach juris). In Übereinstimmung hiermit war auch im Kostenansatz vom 04.03.2024 der Erinnerungsführer als Kostenschuldner benannt. Vor diesem Hintergrund ist der Schriftsatz vom 16.04.2024 dahingehend auszulegen, dass die Erinnerung für den Erinnerungsführer eingelegt werden soll.
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C. Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Erinnerung vom 16.04.2024 gegen den im Tenor genannten Kostenansatz ist unbegründet und daher - nach erfolgter Nichtabhilfe durch den Kostenbeamten von dem nunmehr gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 HS 1 GKG zuständigen Einzelrichter des Senats - zurückzuweisen.
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Zu Recht ist in dem angefochtenen Kostenansatz gegenüber dem Erinnerungsführer als Kostenschuldner (§ 28 Abs. 2 GKG) der Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KV ein Betrag in Höhe von 12,- Euro in Rechnung gestellt worden.
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Für den Anfall dieser - sofort nach ihrer Entstehung fälligen (§ 9 Abs. 4 GKG) - Pauschale ist erforderlich aber auch ausreichend, dass Akten auf Antrag durch ein Gericht (oder -hier nicht einschlägig - durch eine Staatsanwaltschaft, vgl. Toussaint in Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl., 2024, Nr. 9003 GKG-KV, Rdnr. 12) an den Antragsteller versendet werden. Dies ist vorliegend erfolgt.
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Unerheblich ist dabei, dass nach mit Verfügung der Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats des Kammergerichts vom 04.03.2024 erfolgtem Beginn der Aktenversendung und vor Eingang der Akte beim antragstellenden Erinnerungsführer am 12.04.2024 Letzterer erklärt hatte, das Akteneinsichtsgesuch solle (wegen der zugleich für die Beklagte erklärten Rücknahme der Berufung) als gegenstandslos angesehen werden. Unerheblich ist ferner, dass die Akte nach Beginn der Versendung und trotz richtiger Adressierung (vgl. den Schriftsatz des Erinnerungsführers vom 16.04.2024, dort S. 2: "die mit einem an mich adressierten Übersendungsschreiben des Kammergerichts versehene Akte") ihren Weg nicht direkt, sondern offenbar über einen Umweg zu dem Erinnerungsführer gefunden hat. Hierauf ist der Erinnerungsführer auch bereits mit Schreiben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats vom 17.04.2024 zutreffend hingewiesen worden. Auch für den Fall, dass die letztlich zum Zugang der Akte beim Erinnerungsführer führende "Abholung" der Akte beim Kammergericht erst am 11.03.2024 erfolgt sein sollte, wie in einer "Sendungsverfolgung" des Postbeförderungsunternehmens ... vom 18.04.2024 angegeben, ist keine andere Bewertung veranlasst. Maßgeblich ist, dass die Aktenversendung bereits dadurch begonnen hatte, dass die Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats des Kammergerichts die Akte zur Versendung an den Erinnerungsführer in den Geschäftsgang gegeben hat. Damit war die Auslagenpauschale angefallen. Eine Verpflichtung der aktenversendenden Stelle, hier des Kammergerichts in Gestalt des 19. Zivilsenats (und dort dessen Geschäftsstelle), nach Erhalt des Schriftsatzes des Erinnerungsführers vom 07.03.2024 nachzuforschen, wo sich die Akte gerade befand, und zu versuchen, die sich bereits auf den Weg gebrachte Akte anzuhalten (oder gar wieder zurückzuholen), ist bereits generell nicht anzuerkennen. Die Anerkennung einer derartigen Verpflichtung wäre mit einer in keiner vernünftigen Relation zum erzielbaren Nutzen stehenden zeitlichen Beanspruchung der Geschäftsstelle und gegebenenfalls sonstiger gerichtlicher Stellen verbunden, die wiederum zu nicht angemessenen und damit nicht zu rechtfertigenden Verzögerungen im allgemeinen gerichtlichen Geschäftsbetrieb zu Lasten einer Vielzahl von Verfahren führen würde. Lediglich ergänzend wird für den vorliegenden Fall darauf hingewiesen, dass die Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats des Kammergerichts nach Aktenlage ohnehin keine Kenntnis davon hatte, dass die Akte - laut Erklärung des Postbeförderungsunternehmens - nicht bereits am 07.03.2024 das Gerichtsgebäude verlassen hatte, und dass daher selbst unabhängig von vorstehenden generellen Überlegungen keine Veranlassung bestand, zu versuchen, die Aktenübersendung noch zu stoppen. Vor diesem Hintergrund bleibt die Aktenversendung entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers eine solche, die auf seinen Antrag hin erfolgt ist.
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D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.
13
E. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass dieser Beschluss nicht anfechtbar ist, wie sich aus § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2010 - VIII ZB 77/10 - Rdnr. 1 nach juris).
RechtsgebietAuslagenVorschriftenNr. 9003 GKG-KG; § 28 Abs. 2 GKG