30.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242956
Oberlandesgericht Hamburg: Beschluss vom 27.10.2023 – 4 W 84/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss vom 27.10.2023
Die Kosten für die Erstellung eines Rechtsgutachtens über ausländisches Recht können erstattungsfähig sein, wenn sie notwendig sind.
Dies ist aber bei einem während des Rechtsstreits eingeholten Rechtsgutachten nicht der Fall, wenn dieses nicht erforderlich ist, um den Anspruch schlüssig zu begründen oder um sich gegen die geltenden gemachten Ansprüche sachgemäß zu verteidigen.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg, Kammer 1 für Handelssachen, vom 26.07.2023 geändert:
Die von der Klägerin an die Beklagte nach dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 31.05.2023 zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf
EUR 18.204,55
nebst einer Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2023.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von Miete für die Vercharterung eines Flugzeugs in Anspruch genommen. Nach Zustellung der Klagschrift hat die Beklagte bei Schweizer Rechtsanwälten ein Rechtsgutachten über die Frage, ob ein Zeuge nach Schweizer Recht berechtigt war, für die Klägerin verpflichtende Erklärungen abzugeben, in Auftrag gegeben. Dabei hat die Beklagte angenommen, dass der Zeuge die Willenserklärungen von seinem Wohnsitz in der Schweiz aus abgegeben hat. Das eingereichte Rechtsgutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass der Zeuge in wirksamer Stellvertretung für die Klägerin gehandelt habe. Später stellte sich heraus, dass der Zeuge von Deutschland aus tätig geworden ist, so dass für die Frage der Stellvertretung Deutsches Recht zur Anwendung kam. Die Beklagte hat für das Rechtsgutachten umgerechnet EUR 11.603,17 bezahlt.
Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsgutachtens für erstattungsfähig gehalten. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel.
II.
Die nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel zu Recht dagegen, dass das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die von der Beklagten zur Erstattung angemeldeten Kosten für die Erstellung eines Rechtsgutachtens festgesetzt hat. Die Kosten des Rechtsgutachtens sind nicht erstattungsfähig.
Die Kosten eines während des Rechtsstreits eingeholten Privatgutachtens sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig, nämlich dann, wenn die Kosten unmittelbar prozessbezogen und notwendig sind (BGH NJW 2017, 1397 [BGH 01.02.2017 - VII ZB 18/14]; NZBau 2018, 738). Die Einholung eines Privatgutachtens ist notwendig, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte (BGH NJW 2012, 1370 [BGH 20.12.2011 - VI ZB 17/11]; 2013, 1823 [BGH 26.02.2013 - VI ZB 59/12]). Sachdienlichkeit kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war (BGH NZBau 2018, 738 [BGH 12.09.2018 - VII ZB 56/15], Rn. 23; OLG Hamm NJW-RR 2022, 787 [OLG Hamm 08.02.2022 - 25 W 214/21]).
Diese Grundsätze gelten auch für die Einholung eines während des Rechtsstreits eingeholten Rechtsgutachtens über ausländisches Recht.
Die Beklagte durfte die Einholung des Rechtsgutachtens nach Schweizer Recht ex ante nicht als sachdienlich ansehen. Die Beklagte ist nämlich durch das Rechtsgutachten nicht in die Lage versetzt worden, sich gegen den geltend gemachten Anspruch sachgerecht zu verteidigen. Für die Schlüssigkeit ihres Vorbringens in der Klagerwiderung war das Rechtsgutachten ohne Bedeutung. Die Beklagte hätte für ihren Sachvortrag die Anwendung Deutschen Rechts unterstellen können. Es wäre dann Sache der Klägerin gewesen, dies zu bestreiten, und gegebenenfalls - sofern entscheidungserheblich - wäre es Aufgabe des Gerichts gewesen zu klären, ob für die Frage der Stellvertretung Deutsches oder Schweizer Recht zu Anwendung kommt (§ 293 ZPO).
Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG München vom 14.11.2000 (NJW-RR 2001, 1723) ist nicht einschlägig, weil dort die Erstattungsfähigkeit eines Rechtsgutachtens über ausländisches Recht mit der Begründung bejaht worden ist, dass der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach Spanischen Recht mit dem Rechtsgutachten schlüssig begründet worden sei und die Klägerin anderenfalls hätte befürchten müssen, dass die Klage als unschlüssig abgewiesen werde, ohne dass das Gericht in die Prüfung des spanischen Urheberrechts eintrete. Gleiches gilt für die Entscheidung des OLG München vom 17.03.2005 (OLGR München 2005, 306), in der die Klägerin (erst) auf Hinweis des Gerichts ein Rechtsgutachten über den geltend gemachten patentrechtlichen Anspruch nach Schweizer Recht eingeholt hatte. Um einen hiermit vergleichbaren Fall handelt es sich vorliegend nicht. Eine sofortige Verurteilung der Beklagten wegen einer nicht erheblichen Rechtsverteidigung ohne vorherige Einholung eines Rechtsgutachtens drohte nicht. Sie hätte jedenfalls einen Hinweis des Gerichts abwarten müssen. Allein der von der Beklagten angeführte Umstand, "dass zum Zeitpunkt der Klagerwiderung nicht ausgeschlossen werden konnte, dass Schweizer Recht anwendbar sei", begründet keine Notwendigkeit der Kosten. Mithin ist die Beklagte ihrer aus dem Prozessrechtsverhältnis folgenden Obliegenheit, die Kosten möglichst niedrig zu halten (vgl. BGH NJW 2018, 1403 [BGH 07.02.2018 - XII ZB 112/17], Rn. 19), nicht nachgekommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.