03.12.2024 · IWW-Abrufnummer 245212
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 08.08.2024 – 5 W 98/24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Berlin
Beschluss vom 08.08.2024
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin II vom 25.06.2024 - 20 O 61/23 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
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A. In dem vor dem Landgericht Berlin II zum Geschäftszeichen 20 O 61/23 geführten Rechtsstreit sind im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.05.2024 ausweislich des Sitzungsprotokolls dieser Verhandlung der Kläger in Person und für ihn sein Prozessbevollmächtigter sowie für die Beklagte deren Prozessbevollmächtigter aufgetreten. Laut dem Sitzungsprotokoll ist sodann die Sach- und Rechtslage zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits erörtert worden und hat das Landgericht - für den Kläger günstige - Ausführungen zu den Erfolgsaussichten der Klage gemacht. In der Folge hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Antrag aus der Klageschrift gestellt und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärt, in diesem Termin keinen Antrag stellen zu wollen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat sodann den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt.2
Mit - rechtskräftig gewordenem - Versäumnisurteil vom 29.05.2024 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 28.442,23 Euro (nebst Zinsen) zu zahlen und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
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Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 19.06.2024 hat der Kläger beantragt, gegenüber der Beklagten die verauslagten Gerichtskosten sowie - ausgehend von einem Streitwert von 28.442,23 Euro und unter Angabe, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein - eine 1,3 fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG in Höhe von 1.241,50 Euro, eine 1,2 fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG in Höhe von 1.146,- Euro, die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,- Euro sowie die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG in Höhe von 457,43 Euro, insgesamt somit Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.864,93 Euro, festzusetzen.
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Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.06.2024 - 20 O 61/23 - hat das Landgericht durch den Rechtspfleger die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten entsprechend dem Antrag des Klägers auf (1.347,- Euro Gerichtskosten + 2.864,93 Euro Rechtsanwaltskosten =) 4.111,93 Euro (nebst Zinsen) festgesetzt.
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Dieser Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 01.07.2024 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 01.07.2024, beim Landgericht eingegangen am selben Tage, hat die Beklagte sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom "28.06.2024" [gemeint: 25.06.2024] eingelegt und zur Begründung vorgetragen, da lediglich ein Versäumnisurteil ergangen sei, hätte anstelle der vollen Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG nur eine 0,5 fache Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV-RVG festgesetzt werden dürfen.
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Mit Beschluss vom 23.07.2024 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Kammergericht vorgelegt.
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B. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
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1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss, über welche nach § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hat, ist zulässig, § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 HS 1, Abs. 2 ZPO.
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2. Sie ist indes unbegründet.
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Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zu Recht gegen die im Rechtsstreit zur vollständigen Kostentragung verurteilte Beklagte Kosten in - ausgehend von einem zutreffend angenommenen Streitwert von 28.442,23 Euro rechnerisch richtig ermittelter und insoweit von der Beklagten auch nicht angegriffener - Höhe von 4.111,93 Euro festgesetzt, § 91 Abs. 1 ZPO.
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Es hat dabei insbesondere zu Recht nicht lediglich eine 0,5 fache Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV-RVG, sondern eine 1,2 fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG in die Kostenfestsetzung eingestellt.
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a. Gemäß Nr. 3104 VV-RVG (in Verbindung mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 Alt 1 VV-RVG) entsteht für die Wahrnehmung eines - wie hier - gerichtlichen Termins eine 1,2 fache Terminsgebühr. Demgegenüber fällt nach Nr. 3105 VV-RVG für die Wahrnehmung "nur eines Termins, in dem eine Partei oder ein Beteiligter nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist und lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil, Versäumnisentscheidung oder zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung gestellt wird", lediglich eine reduzierte 0,5 fache Terminsgebühr an.
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Die Reduzierung der Terminsgebühr für einen in einem Termin auftretenden Rechtsanwalt hat somit nicht allein zur Voraussetzung, dass der betreffende Rechtsanwalt einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellt (darauf, ob letztlich ein Versäumnisurteil ergeht, kommt es entgegen der Beschwerdebegründung nach dem Wortlaut der Norm ohnehin nicht an; so auch Ahlmann in Ahlmann/Kapischke/Pankatz/Rech/Schneider/Schütz, RVG,11. Aufl., 2024, Nr. 3105 VV-RVG Rdnr. 8; OLG Naumburg, Beschluss vom 10.04.2019 - 12 W 43/18 - Rpfleger 2019, 84 [BGH 15.08.2018 - XII ZB 370/17], Leitsatz und Rdnr. 26 nach juris). Weitere Voraussetzung für die Reduzierung der Terminsgebühr ist, dass in dem Termin, in dem der Erlass eines Versäumnisurteils beantragt worden ist, die gegnerische Partei nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist. Dass auch diese Voraussetzung gegeben sein muss, ergibt sich aus der Verknüpfung der Tatbestandserfordernisse durch die Konjunktion "und". Unabdingbare Voraussetzung dafür, dass (nur) die verminderte Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV-RVG anfällt, ist daher zunächst, dass die gegnerische Partei nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist. Fehlt es daran, ist also die gegnerische Partei im Termin erschienen oder ordnungsgemäß vertreten, so fällt die volle Terminsgebühr, also mit einem Satz von 1,2 nach Nr. 3104 VV-RVG, an (so auch OLG Köln, Beschluss vom 20.11.2006 - 17 W 239/06 - OLGR Köln 2007, 325, Rdnr. 5 nach juris; vgl. weiter OLG Köln, Beschluss vom 02.05.2008 - 17 W 92/08 - OLGR Köln 2008, 687, Rdnrn. 7, 8 nach juris, wonach dies auch dann gelte, wenn sich für die gegnerische Partei zwar ein Rechtsanwalt im Termin meldet, dieser aber sogleich erklärt, er trete nicht auf und werde in der Sache nicht verhandeln). Der Anfall der vollen 1,2 fachen Terminsgebühr für einen Rechtsanwalt für den Fall, dass er zwar letztlich nur den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt, der Gegner aber erschienen (bzw. ordnungsgemäß vertreten) ist, entspricht nicht nur dem Wortlaut von Nr. 3105 VV-RVG, sondern hat seinen Hintergrund und Sinn darin, dass bei gleichzeitiger Anwesenheit bzw. Vertretung beider Parteien in dem Termin in aller Regel ein Mehr an Tätigkeit durch den Anwalt erfolgt (Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., 2021, Nr. 3105 VV-RVG Rdnr. 10;BT-Drs. 15/1971, 212 rechte Spalte unten). Umgekehrt soll mit der verminderten Terminsgebühr dem geringeren Aufwand des Rechtsanwalts für die Wahrnehmung eines einseitig gebliebenen Termins Rechnung getragen werden (Ahlmann, a. a. O., Nr. 3105 VV-RVG Rdnr. 1). Die Regelung in Nr. 3105 VV-RVG soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Ergebnis sicherstellen, "dass in den nicht selten vorkommenden Fällen, in denen in dem Termintrotz Erlass eines Versäumnisurteils verhandelt bzw. erörtert werden konnte, weil die Parteien erschienen oder ordnungsgemäß vertreten waren, nicht nur die verminderte Terminsgebühr anfällt" (BT-Drs. 15/1971, 212 rechte Spalte unten/213 linke Spalte oben).
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b. Hiernach ist vorliegend zugunsten des Prozessbevollmächtigten des Klägers eine 1,2 fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG entstanden. Denn im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 29.05.2024 ist für die Beklagte deren Prozessbevollmächtigter aufgetreten und ist die Sach- und Rechtslage des Rechtsstreits erörtert worden. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Reduzierung der Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV-RVG nicht vor.
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Auch der Umstand, dass die Erörterung im Termin ausweislich des Sitzungsprotokolls "zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits" erfolgt ist, führt nicht zu einer Reduzierung der vollen Terminsgebühr. Denn unabhängig davon, ob bereits die Anwesenheit des gegnerischen Prozessbevollmächtigten ausreicht (vgl. dazu erneut OLG Köln - 17 W 92/08 - a. a. O., Rdnrn. 7, 8 nach juris), stellt auch eine zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits erfolgte Erörterung der Sach- und Rechtslage eine Erörterung der Sach- und Rechtslage dar. Damit ist gegenüber der bloßen Stellung eines Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils in einem einseitig gebliebenen Termin von einem Mehr an Tätigkeit durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers auszugehen. Vorliegend ist somit eine Erörterung erfolgt, die nach dem insoweit nicht differenzierenden Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 15/1971, 212 rechte Spalte unten/213 linke Spalte oben) die volle und nicht nur die reduzierte Terminsgebühr auslöst. Hinzu kommt, dass das Landgericht nicht nur die erwähnte Erörterung zur gütlichen Beilegung protokolliert hat, sondern auch, dass und welche Einschätzung zur Erfolgsaussicht der Klage es abgegeben hat. Auch dies stellt sich als für den Anfall einer vollen Terminsgebühr ausreichende Erörterung zur Sache dar.
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Der Senat sieht sich in seiner Auffassung durch Folgendes bestärkt: Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 VV-RVG differenziert für die Entstehung der Terminsgebühr im Falle eines gerichtlichen Termins nicht danach, ob in dem betreffenden Termin zur Sache oder (nur) zur Güte verhandelt wird; ferner fällt nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VV-RVG die Terminsgebühr sogar bereits für außergerichtliche Termine und Besprechungen, die auf Vermeidung oder Erledigung eines Verfahrens gerichtet sind, an. Vor diesem Hintergrund entspricht es allgemeiner Auffassung, dass selbst reine gerichtliche Güteverhandlungen eine Terminsgebühr auslösen (vgl. statt vieler Ahlmann, a. a. O., Vorbemerkung 3 VV-RVG Rdnr. 50), wobei der Satz der Terminsgebühr für Erörterungen zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits Nr. 3104 VV-RVG entnommen wird (OLG Koblenz, Urteil vom 08.10.2009 - 2 U 963/08 - AGS 2010, 66, Rdnrn. 20 ff. nach juris; vgl. auch BAG, Beschluss vom 17.02.2014 - 10 AZB 81/13 - NJW 2014, 1837, Rdnrn. 1, 2, 11 nach juris). Eine Anwendbarkeit von Nr. 3105 VV-RVG wird in diesen Fällen gerade nicht angenommen, weil infolge der durchgeführten Erörterung die Voraussetzungen dieser Norm nicht gegeben sind.
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C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, Nr. 1812 GKG-KV.
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D. Der Festsetzung eines Wertes des Beschwerdeverfahrens bedurfte es nicht, da im Falle der vollständigen Zurückweisung (oder Verwerfung) einer sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss die Festgebühr nach Nr. 1812 GKG-KV anfällt (Herget in Zöller, ZPO, 35. Aufl., 2024, § 104 Rdnr. 22) und eine allein für die Bestimmung der Höhe der Rechtsanwaltsgebühren notwendige Wertfestsetzung einen hierauf bezogenen Antrag erfordert, § 33 Abs. 1 RVG. Informatorisch teilt der Senat (durch den Einzelrichter, vgl. § 33 Abs. 8 Satz 1 HS 1 GKG) gleichwohl mit, dass der Beschwerdewert vorliegend der Differenz zwischen einer 1,2 fachen und einer 0,5 fachen RVG-Gebühr aus 28.442,23 Euro zuzüglich Umsatzsteuer entspricht, § 3 ZPO, §§ 40, 47, 48 GKG.
RechtsgebieteGebührenrecht, VersäumnisurteilVorschriften§ 104 ZPO; Nr. 3104 VV RVG; Nr 3105 VV RVG