03.12.2024 · IWW-Abrufnummer 245213
Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 25.09.2024 – 3 W 345/24
1. Bei der begehrten Unterlassung einer Veröffentlichung einer Bewertung auf einem Online-Bewertungsportal handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, wenn die Klage - wie hier - in erster Linie der Wahrung wirtschaftlicher Belange dient.
2. Die Streitwertbemessung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO orientiert sich aufgrund der Vielzahl der Streitfälle um Bewertungen in Online-Portalen an standardisierten Fallgruppen. Die reine "Sterne"-Bewertung ohne Textbeitrag ist mit dem Regelstreitwert von 5.000 € angemessen und ausreichend berücksichtigt. Kommt - wie vorliegend - ein Textbeitrag im üblichen Rahmen hinzu, erhöht sich der Streitwert im Regelfall auf 10.000 €. Einzelfallbezogener Vortrag zu Umsatz und/oder konkreten Einbußen ist nicht geboten. Abweichungen im Einzelfall bleiben möglich.
In Sachen
[...]
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [...]
- Beschwerdeführerin -
gegen
[...]
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [...]
Tenor:
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.
Gründe
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die erstinstanzliche Wertfestsetzung war dahingehend abzuändern, dass der Streitwert auf 10.000 € festgesetzt wird.
Im Einzelnen:
1. Die Bemessung des Streitwerts richtet sich nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Bei der von der Klägerin begehrten Unterlassung der Veröffentlichung einer Bewertung des von ihr betriebenen Busreiseunternehmens auf dem Portal [...] handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, sind Unterlassungsansprüche, welche den sozialen Geltungsanspruch der Betroffenen in der Öffentlichkeit schützen sollen, zwar grundsätzlich nichtvermögensrechtlicher Natur. Etwas Anderes gilt jedoch dann, wenn sich aus dem Klagevorbringen oder offenkundigen Umständen ergibt, dass das Rechtsschutzbegehren in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dienen soll (BGH, Beschluss vom 01.02.1983, VI ZR 116/82; NJW 1983, 2572, m. w. N.; BGH, Urteil vom 20.12.1983, VI ZR 94/82, NJW 1984, 1104).
So liegt der Fall hier.
Im Mittelpunkt steht eine negative Bewertung der geschäftlichen Tätigkeit der Klägerin auf dem Bewertungsportal der Beklagten. Die Klage dient daher in erster Linie der Wahrung der wirtschaftlichen Belange der Klägerin.
2. Das bei der Bewertung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO auszuübende Festsetzungsermessen orientiert sich hinsichtlich der Durchsetzung eines Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs an der wirtschaftlichen Bedeutung für die Klägerin.
a) Dabei ist ihr Interesse an der Verhinderung künftiger Verletzungshandlungen oder fortdauernder Beeinträchtigung zu berücksichtigen (Anders/Gehle, ZPO, 82. Auflage 2024, Anh. § 3 Rn. 118).
Auch kommt den eigenen Streitwertangaben der Klägerin zu Beginn des Verfahrens - sofern sie nach den Gesamtumständen nicht völlig übersetzt erscheinen - indizielle Bedeutung für das verfolgte Interesse zu, da die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung zu diesem Zeitpunkt nicht sicher beurteilt werden können (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 14.03.2017, 6 W 24/17, BeckRS 2017, 107391).
Eine Orientierung an dem anwaltsgebührenrechtlichen Auffangwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG scheidet in vermögensrechtlichen Streitigkeiten dagegen aus (BGH, Beschluss vom 07.07.2022, V ZB 75/21, Rn. 7, juris; zu nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten vgl. BGH, Beschluss vom 17.11.2015, II ZB 8/14, Rn. 13, juris).
b) Bei der Vielzahl der Streitfälle um Bewertungen in Online-Portalen bietet es sich an, die Streitwertbemessung an standardisierten Fallgruppen zu orientieren.
Die reine Sterne-Bewertung ohne Textbeitrag ist mit dem Regelstreitwert von 5.000 € angemessen und ausreichend berücksichtigt. Denn eine reine Sterne-Bewertung wirkt sich zwar auf die Gesamtbewertung eines Anbieters aus, wird aber als solche weniger wahrgenommen. Kommt - wie vorliegend - ein Textbeitrag im üblichen Rahmen hinzu, erhöht sich der Streitwert im Regelfall auf 10.000 € (vgl. OLG München, Beschluss vom 19.06.2023, 18 W 555/23 Pre, Anlage K7, zu Bl. 44 eAkte LG). Ein solcher Wert ist unter Berücksichtigung der erheblichen Breitenwirkung gerade speziell von [...]-Bewertungen und der daraus resultierenden Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin zumindest typischerweise angemessen. Einzelfallbezogener Vortrag zu Umsatz und/oder konkreten Einbußen ist nicht geboten (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 18.12.2023, 15 W 129/23, Anlage K4a, zu Bl. 44 eAkte LG). Abweichungen sind möglich, beispielsweise bei besonders schwerwiegenden Bewertungen oder wenn die Klagepartei einen durch die Bewertung verursachten konkreten Umsatzschaden belegt (vgl. OLG München, a. a. O.).
c) Besonderheiten, die für eine niedrige Bewertung im konkreten Fall streiten, sind nicht ersichtlich. Sofern das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss ausführt, die Bewertung habe nicht die objektive Leistungserbringung der Klägerin betroffen, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Die Klägerin betreibt ein Bustouristikunternehmen und bietet neben dem Buscharter auch Urlaubsreisen an. Die Fahrer der Klägerin sind nicht nur für die sichere Beförderung der Fahrgäste verantwortlich, sie treten auch als Dienstleister gegenüber den Kunden in Erscheinung und sind während der Reisen deren erste Ansprechpartner. Das Verhalten der Fahrer gegenüber den Kunden, welches in der Bewertung thematisiert wurde, kann ein erhebliches Buchungskriterium sein und sich trotzt einer Vielzahl anderer, positiver Bewertungen negativ auf den Geschäftsbetrieb der Klägerin auswirken.