11.02.2025 · IWW-Abrufnummer 246449
Landgericht Nürnberg-Fürth: Beschluss vom 22.11.2024 – 12 KLs 506 Js 609/22
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Strafverfahren gegen
...
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs u.a.
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 12. Strafkammer - durch den unterzeichnenden
Richter am 22. November 2024 folgenden
Beschluss
Tenor:
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Verteidigers im Arrestverfahren wird auf 233.333,33 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Verteidiger der nunmehr Freigesprochenen BP beantragt die Wertfestsetzung gem. § 33 Abs. 1 und 2 RVG im Hinblick auf das gegen seine Mandantin durchgeführte Arrestverfahren. Dem liegt zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth verfolgte die später Freigesprochene - neben weiteren Beschuldigten - wegen Betrugs. In diesem Zusammenhang erließ das Amtsgericht Nürnberg auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 21.03.2022 einen Vermögensarrest über 1.858.364,80 € gegen sie, der in der Folgezeit vollzogen wurde. Am 31.03.2022 bestellte das Amtsgericht Nürnberg den Antragsteller als Pflichtverteidiger für die Freigesprochene. Dieser legte gegen den Arrest Beschwerde ein, woraufhin das Landgericht Nürnberg-Fürth den Arrestbetrag auf 1.772.095,46 € ermäßigte (18 Qs 10/22).
Das Oberlandesgericht Nürnberg reduzierte auf weitere Beschwerde den Arrestbetrag weiter auf 912.686,14 € (Beschluss vom 28.10.2022 - Ws 631/22). Zur Begründung führte es aus, nach dem mittlerweile erreichten Ermittlungsstand habe die Freigesprochene diese Summe aus Betrugstaten erlangt. Nachdem gegen sie und weitere Beschuldigte Anklage erhoben wurde, sprach sie die Kammer im folgenden Hauptverfahren rechtskräftig frei (Urteil vom 03.05.2023). Der gegen sie fortbestehende Arrest wurde mit Beschluss vom 01.06.2023 aufgehoben.
Der Verteidiger führt in seinem Kostenfestsetzungsantrag aus, der Vollzug des Arrestes habe das Unternehmen der Freigesprochenen zerschlagen. Die kreditfinanzierten Betriebs-Lkw seien an die finanzierenden Firmen zurückgegeben worden, die Arbeitnehmer der Freigesprochenen hätten gekündigt und sie lebe aktuell von Sozialleistungen. Wegen dieser Folgen könne nicht nur ein Bruchteil - beispielsweise ein Drittel - der Arrestsumme für die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren angesetzt werden, sondern der volle (ursprüngliche) Arrestbetrag. Die Halbierung des Arrestbetrages durch das Oberlandesgericht habe der Freigesprochenen nicht mehr helfen können, da sie da bereits vermögenslos gewesen sei. Das alles zeige, dass die an sich vorläufige Regelung des Arrestes sich für die Freigesprochene als endgültig - weil existenzvernichtend - erwiesen habe.
II.
Der Gegenstandswert war auf 233.333,33 € festzusetzen.
1. Bei einem Vermögensarrest ist das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr der Arrestforderung maßgebend für die Wertfestsetzung, wobei die konkrete wirtschaftliche Situation in den Blick zu nehmen ist (§ 23 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 RVG). Beträge, deren Durchsetzbarkeit nicht ernstlich in Betracht kommt und die deshalb eher fiktiven Charakter haben, bleiben unberücksichtigt. Nur soweit der zu sichernde Anspruch werthaltig ist und eine Befriedigung des Arrestgläubigers erwarten lässt, ist er im Rahmen der Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG der Bemessung des Gegenstandswerts zu Grunde zu legen. Damit geht das für die Wertberechnung gem. § 2 Abs. 1 RVG maßgebliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr des Arrests nicht weiter, als Vermögenswerte vorhanden sind, auf die im Wege der Arrestvollziehung zugegriffen werden kann. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem der Verteidiger tätig wird. Dabei können die in Vollziehung des Arrests erfolgten Pfändungen Anhaltspunkte dafür liefern, inwieweit eine durchsetzbare Verfallsanordnung in Betracht kommt. Da es sich bei dem Arrest um eine vorläufige Maßnahme handelt, ist auf den so geschätzten Wert ein Abschlag auf - regelmäßig - ein Drittel vorzunehmen (BGH, Urteil vom 08.11.2018 - III ZR 191/17; OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.12.2021 - Ws 1149/21; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 20.06.2024 - 18 KLs 104 Js 10095/22; Burhoff, ZWH 2022, 123, 126 mwN).
2. Ausgehend von der ursprünglichen Arrestforderung iHv 1.858.364,80 € waren tatsächliche Vermögenswerte der Freigesprochenen vorhanden, die auf 700.000 € zu schätzen waren.
a) Die Freigesprochene war bei Vollzug des Arrestes Miteigentümerin zur Hälfte des gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Verurteilten P, genutzten Hausgrundstücks (freistehendes Einfamilienhaus in ...). Insoweit wurde in Vollzug des Arrestes für den Freistaat Bayern eine Höchstbetragssicherungshypothek über 600.000 € im Grundbuch eingetragen. Angesichts der sehr hohen Immobilienpreise im Umland von ... zur Zeit des Arrestvollzugs hält die Kammer diesen Betrag für nicht abwegig, um den hälftigen Grundstückswert abzubilden.
b) Kontenguthaben und Bargeld der Freigesprochenen wurden in Höhe von 70.922,11 € gepfändet, weiterhin Schmuck im Schätzwert von 2.000 €.
c) Nimmt man schließlich in den Blick, dass auch weiteres Mobiliarvermögen, insbesondere die verschiedenen Jagdwaffen der Freigesprochenen beschlagnahmt wurden oder jedenfalls hätten beschlagnahmt werden können, schätzt die Kammer den Wert des abzuwehrenden Arrestes auf insgesamt 700.000 €. Dass weitere Vermögenswerte der Freigesprochenen bestanden, auf die zum Vollzug des Vermögensarrests hätte zugegriffen werden können und die eine höhere Bewertung tragen könnten, war nicht ersichtlich.
d) Soweit der Antragsteller darauf abhebt, dass der nominelle ursprüngliche Arrestbetrag anzusetzen sei, weil das Fuhrunternehmen der Freigesprochenen infolge des Zugriffs der Ermittlungsbehörden den Betrieb habe einstellen müssen, so führt das zu keiner anderen Beurteilung. Das Betriebsvermögen der Freigesprochenen, das im Wesentlichen aus fremdfinanzierten Lkw bestand, die zwischenzeitlich an die Kreditinstitute bzw. an die Leasinggeber zurückgefallen sind, wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht beschlagnahmt und sollte - weil es Fremdeigentum war - von Vornherein auch nicht gepfändet werden. Das letztlich vom Verurteilten P gesteuerte, formell von der Freigesprochenen betriebene Unternehmen lebte vor dem Zugriff der Ermittler von den Aufträgen, die ihm P im Rahmen seiner Korruptionstaten "zugeschanzt" hatte. Das Fuhrunternehmen diente nach dem Ergebnis der späteren Beweisaufnahme dazu, die als Aufträge deklarierten und abgewickelten Bestechungsgelder zu waschen, wobei die Freigesprochene eine Strohgeschäftsführerin war, die die Vorgänge nicht durchschaute. Das Unternehmen wurde insolvent, als P in Untersuchungshaft genommen wurde und so die Grundlage der Aufträge wegfiel. Diese mittelbare Folge des Ermittlungsverfahrens - insoweit nicht des Arrestes selbst - kommt bei der Bewertung des gegen die Freigesprochene vollzogenen Arrestes nicht in Ansatz.
3. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Anordnung des Vermögensarrests war auf den Arrestwert von 700.000 € ein Abschlag von zwei Dritteln vorzunehmen, woraus der Gegenstandswert von 233.333,33 € folgt.
4. Das Verfahren über den Antrag auf Wertfestsetzung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).
...
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs u.a.
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 12. Strafkammer - durch den unterzeichnenden
Richter am 22. November 2024 folgenden
Beschluss
Tenor:
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Verteidigers im Arrestverfahren wird auf 233.333,33 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Verteidiger der nunmehr Freigesprochenen BP beantragt die Wertfestsetzung gem. § 33 Abs. 1 und 2 RVG im Hinblick auf das gegen seine Mandantin durchgeführte Arrestverfahren. Dem liegt zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth verfolgte die später Freigesprochene - neben weiteren Beschuldigten - wegen Betrugs. In diesem Zusammenhang erließ das Amtsgericht Nürnberg auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 21.03.2022 einen Vermögensarrest über 1.858.364,80 € gegen sie, der in der Folgezeit vollzogen wurde. Am 31.03.2022 bestellte das Amtsgericht Nürnberg den Antragsteller als Pflichtverteidiger für die Freigesprochene. Dieser legte gegen den Arrest Beschwerde ein, woraufhin das Landgericht Nürnberg-Fürth den Arrestbetrag auf 1.772.095,46 € ermäßigte (18 Qs 10/22).
Das Oberlandesgericht Nürnberg reduzierte auf weitere Beschwerde den Arrestbetrag weiter auf 912.686,14 € (Beschluss vom 28.10.2022 - Ws 631/22). Zur Begründung führte es aus, nach dem mittlerweile erreichten Ermittlungsstand habe die Freigesprochene diese Summe aus Betrugstaten erlangt. Nachdem gegen sie und weitere Beschuldigte Anklage erhoben wurde, sprach sie die Kammer im folgenden Hauptverfahren rechtskräftig frei (Urteil vom 03.05.2023). Der gegen sie fortbestehende Arrest wurde mit Beschluss vom 01.06.2023 aufgehoben.
Der Verteidiger führt in seinem Kostenfestsetzungsantrag aus, der Vollzug des Arrestes habe das Unternehmen der Freigesprochenen zerschlagen. Die kreditfinanzierten Betriebs-Lkw seien an die finanzierenden Firmen zurückgegeben worden, die Arbeitnehmer der Freigesprochenen hätten gekündigt und sie lebe aktuell von Sozialleistungen. Wegen dieser Folgen könne nicht nur ein Bruchteil - beispielsweise ein Drittel - der Arrestsumme für die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren angesetzt werden, sondern der volle (ursprüngliche) Arrestbetrag. Die Halbierung des Arrestbetrages durch das Oberlandesgericht habe der Freigesprochenen nicht mehr helfen können, da sie da bereits vermögenslos gewesen sei. Das alles zeige, dass die an sich vorläufige Regelung des Arrestes sich für die Freigesprochene als endgültig - weil existenzvernichtend - erwiesen habe.
II.
Der Gegenstandswert war auf 233.333,33 € festzusetzen.
1. Bei einem Vermögensarrest ist das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr der Arrestforderung maßgebend für die Wertfestsetzung, wobei die konkrete wirtschaftliche Situation in den Blick zu nehmen ist (§ 23 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 RVG). Beträge, deren Durchsetzbarkeit nicht ernstlich in Betracht kommt und die deshalb eher fiktiven Charakter haben, bleiben unberücksichtigt. Nur soweit der zu sichernde Anspruch werthaltig ist und eine Befriedigung des Arrestgläubigers erwarten lässt, ist er im Rahmen der Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG der Bemessung des Gegenstandswerts zu Grunde zu legen. Damit geht das für die Wertberechnung gem. § 2 Abs. 1 RVG maßgebliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr des Arrests nicht weiter, als Vermögenswerte vorhanden sind, auf die im Wege der Arrestvollziehung zugegriffen werden kann. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem der Verteidiger tätig wird. Dabei können die in Vollziehung des Arrests erfolgten Pfändungen Anhaltspunkte dafür liefern, inwieweit eine durchsetzbare Verfallsanordnung in Betracht kommt. Da es sich bei dem Arrest um eine vorläufige Maßnahme handelt, ist auf den so geschätzten Wert ein Abschlag auf - regelmäßig - ein Drittel vorzunehmen (BGH, Urteil vom 08.11.2018 - III ZR 191/17; OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.12.2021 - Ws 1149/21; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 20.06.2024 - 18 KLs 104 Js 10095/22; Burhoff, ZWH 2022, 123, 126 mwN).
2. Ausgehend von der ursprünglichen Arrestforderung iHv 1.858.364,80 € waren tatsächliche Vermögenswerte der Freigesprochenen vorhanden, die auf 700.000 € zu schätzen waren.
a) Die Freigesprochene war bei Vollzug des Arrestes Miteigentümerin zur Hälfte des gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Verurteilten P, genutzten Hausgrundstücks (freistehendes Einfamilienhaus in ...). Insoweit wurde in Vollzug des Arrestes für den Freistaat Bayern eine Höchstbetragssicherungshypothek über 600.000 € im Grundbuch eingetragen. Angesichts der sehr hohen Immobilienpreise im Umland von ... zur Zeit des Arrestvollzugs hält die Kammer diesen Betrag für nicht abwegig, um den hälftigen Grundstückswert abzubilden.
b) Kontenguthaben und Bargeld der Freigesprochenen wurden in Höhe von 70.922,11 € gepfändet, weiterhin Schmuck im Schätzwert von 2.000 €.
c) Nimmt man schließlich in den Blick, dass auch weiteres Mobiliarvermögen, insbesondere die verschiedenen Jagdwaffen der Freigesprochenen beschlagnahmt wurden oder jedenfalls hätten beschlagnahmt werden können, schätzt die Kammer den Wert des abzuwehrenden Arrestes auf insgesamt 700.000 €. Dass weitere Vermögenswerte der Freigesprochenen bestanden, auf die zum Vollzug des Vermögensarrests hätte zugegriffen werden können und die eine höhere Bewertung tragen könnten, war nicht ersichtlich.
d) Soweit der Antragsteller darauf abhebt, dass der nominelle ursprüngliche Arrestbetrag anzusetzen sei, weil das Fuhrunternehmen der Freigesprochenen infolge des Zugriffs der Ermittlungsbehörden den Betrieb habe einstellen müssen, so führt das zu keiner anderen Beurteilung. Das Betriebsvermögen der Freigesprochenen, das im Wesentlichen aus fremdfinanzierten Lkw bestand, die zwischenzeitlich an die Kreditinstitute bzw. an die Leasinggeber zurückgefallen sind, wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht beschlagnahmt und sollte - weil es Fremdeigentum war - von Vornherein auch nicht gepfändet werden. Das letztlich vom Verurteilten P gesteuerte, formell von der Freigesprochenen betriebene Unternehmen lebte vor dem Zugriff der Ermittler von den Aufträgen, die ihm P im Rahmen seiner Korruptionstaten "zugeschanzt" hatte. Das Fuhrunternehmen diente nach dem Ergebnis der späteren Beweisaufnahme dazu, die als Aufträge deklarierten und abgewickelten Bestechungsgelder zu waschen, wobei die Freigesprochene eine Strohgeschäftsführerin war, die die Vorgänge nicht durchschaute. Das Unternehmen wurde insolvent, als P in Untersuchungshaft genommen wurde und so die Grundlage der Aufträge wegfiel. Diese mittelbare Folge des Ermittlungsverfahrens - insoweit nicht des Arrestes selbst - kommt bei der Bewertung des gegen die Freigesprochene vollzogenen Arrestes nicht in Ansatz.
3. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Anordnung des Vermögensarrests war auf den Arrestwert von 700.000 € ein Abschlag von zwei Dritteln vorzunehmen, woraus der Gegenstandswert von 233.333,33 € folgt.
4. Das Verfahren über den Antrag auf Wertfestsetzung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).
RechtsgebieteStrafprozess, Gegenstandswert, Rechtsanwaltsgebühren, Vermögensarrest, Kostenfestsetzungsantrag, PflichtverteidigerVorschriften§ 33 RVG, Nr. 4142 VV RVG