Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 12.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133485

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 25.09.2013 – VII ZB 26/11

    a)Die Beschwer einer zur Unterlassung verurteilten Partei richtet sich danach, in welcher Weise sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt. Maßgebend sind die Nachteile, die ihr aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen.

    b)Bei der Bestimmung der Beschwer des Unterlassungsschuldners ist nicht danach zu unterscheiden, ob die Parteien auch über das Bestehen einer Unterlassungspflicht streiten oder aber lediglich über eine bereits erfolgte Verletzung einer unstreitig bestehenden Unterlassungspflicht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 174/11, WRP 2013, 1364 - Beschwer des Unterlassungsschuldners).


    Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und die Richter Halfmeier, Kosziol und Dr. Kartzke

    beschlossen:

    Tenor:

    Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 13. April 2011 aufgehoben.

    Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

    Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 50.000 €.

    Gründe

    I.

    1

    Die Beklagte war in der Zeit vom 1. April 1999 bis 30. September 2007 als hauptberufliche Handelsvertreterin für die Klägerin, eine bundesweit agierende Bausparkasse, tätig. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, Kundendaten, die dieser im Rahmen der Tätigkeit für die Klägerin bekannt geworden sind, unerlaubt für eigene geschäftliche Zwecke verwendet zu haben. Sie hat die Beklagte deswegen auf Unterlassung und auf Erstattung vorprozessual entstandener Abmahnkosten in Anspruch genommen.

    2

    Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln zur Unterlassung wie folgt verurteilt:

    Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Aufzeichnungen von Kundendaten, beispielsweise Kopien, Abschriften, Dateien oder sonstige Verzeichnisse, welche ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit als Handelsvertreterin der Klägerin bekannt geworden sind, zu geschäftlichen Zwecken zu verwenden.

    3

    Das Landgericht hat die Beklagte darüber hinaus zur Erstattung vorprozessual entstandener Abmahnkosten in Höhe von 1.691,96 € zuzüglich Zinsen verurteilt; den Gegenstandswert hat es auf 50.000 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses des Berufungsgerichts sowie die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erstrebt. Die Klägerin beantragt, die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurückzuweisen.

    II.

    4

    1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Zulässigkeitsvoraussetzung der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erfüllt. Der angefochtene Beschluss beschränkt das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes bezüglich des Zugangs zur Berufungsinstanz in einer nicht zu rechtfertigenden Weise (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2007 - V ZB 36/07, NJW-RR 2007, 1384 Rn. 5; Beschluss vom 4. April 2012 - IV ZB 19/11, VersR 2012, 881 Rn. 3).

    5

    2. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

    6

    a) Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht übersteige. Unabhängig vom Streitwert der Hauptsache richte sich der Wert der Beschwer nach der tatsächlichen Beeinträchtigung, die die Beklagte als Berufungsklägerin durch die Verurteilung zur Unterlassung erleide. Da die Parteien sich darüber einig seien, dass die ausgeurteilte Unterlassungspflicht als solche bestehe und sich der Streit lediglich um die Frage einer in der Vergangenheit begangenen Pflichtverletzung drehe, sei die Beklagte durch die Verurteilung zur Unterlassung selbst nicht beeinträchtigt. Eine zusätzliche Beschwer ergebe sich auch weder aus einer weitergehenden Rechtskraftwirkung des angefochtenen Urteils noch aus der Verurteilung zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Daher könne der Wert der Beschwer insgesamt nur auf den Mindestwert von bis zu 300 € festgesetzt werden.

    7

    b) Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

    8

    aa) Gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung gegen ein Urteil, in dem das Gericht erster Instanz - wie im Streitfall - die Berufung nicht zugelassen hat, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt. Nach § 2 ZPO in Verbindung mit § 3 ZPO wird der Wert des Beschwerdegegenstandes vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt.

    9

    Bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstands gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist auf das Interesse des Rechtsmittelklägers abzustellen, seine erstinstanzliche Verurteilung zu beseitigen. Die Beschwer einer zur Unterlassung verurteilten Partei richtet sich danach, in welcher Weise sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 174/11, WRP 2013, 1364 Rn. 10 m.w.N. - Beschwer des Unterlassungsschuldners).

    10

    bb) Mit diesen Grundsätzen steht die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht nicht in Einklang. Die Erwägung des Berufungsgerichts, es sei danach zu unterscheiden, ob die Parteien auch über das Bestehen einer Unterlassungspflicht oder aber nur über eine bereits erfolgte Verletzung einer solchen Pflicht stritten, ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Eine solche differenzierende Betrachtungsweise vermengt, worauf der Bundesgerichtshof inzwischen in seinem nach Erlass des angefochtenen Beschlusses ergangenen Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 174/11, aaO zutreffend hingewiesen hat, die Frage nach der Reichweite des vom erstinstanzlichen Gericht ausgesprochenen Unterlassungsgebots und der damit verbundenen Nachteile für den beklagten Unterlassungsschuldner mit der Frage, aus welchen Gründen das erstinstanzliche Urteil mit der Berufung angegriffen wird. Ihr steht entgegen, dass sich die Rechtsmittelbeschwer des Beklagten - anders als die Beschwer des Klägers - nicht formell nach dem Umfang seines Prozessverhaltens richtet, sondern materiell danach, ob die Entscheidung seine Rechtsposition beeinträchtigt oder seinen Pflichtenkreis erweitert. Für die Beschwer des Beklagten reicht es aus, dass die angefochtene Entscheidung ihrem Inhalt nach für ihn nachteilig ist; es kommt nicht darauf an, in welcher Weise er zu dem Klagevorbringen Stellung genommen hat. Für die Frage der Beschwer im Sinne des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist bei einer Unterlassungsverurteilung der Umfang des vom Schuldner zu erfüllenden Unterlassungsanspruchs, also die Einschränkung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit infolge der Unterlassungsverurteilung maßgebend. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

    11

    c) Der die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluss kann somit, da sich die Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 577 Abs. 3 ZPO), keinen Bestand haben. Die Sache ist daher zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

    12

    3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

    13

    a) Das Berufungsgericht wird im Rahmen der Ermessensentscheidung nach §§ 2, 3 ZPO die für den Wert des Beschwerdegegenstands relevante Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Beklagten infolge der Unterlassungsverurteilung zu bewerten haben. Es spricht unter Berücksichtigung der Festsetzung des Gegenstandswerts durch das Landgericht auf 50.000 €, die der Wertangabe der Klägerin in der Klageschrift vom 16. April 2010, Seite 1 entspricht und die von der Beklagten nicht beanstandet worden ist, sehr viel dafür, dass diese Einschränkung mit mehr als 600 € zu bewerten ist.

    14

    b) Keinen Bedenken begegnet es, dass das Berufungsgericht die Verurteilung zur Erstattung der vorprozessual entstandenen Abmahnkosten nicht beschwererhöhend berücksichtigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2013 - III ZR 143/12, WM 2013, 1504 Rn. 11). Entsprechendes gilt, soweit das Berufungsgericht eine Erhöhung der Beschwer wegen einer Wirkung des landgerichtlichen Urteils auf einen möglichen Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint hat. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Schadensersatzanspruchs wird durch eine Unterlassungsverurteilung nicht präjudiziert (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2002 - I ZR 45/01, BGHZ 150, 377, 383 - Faxkarte; BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 Rn. 19 - INTERCONNECT/T-InterConnect).

    Kniffka

    Safari Chabestari

    Halfmeier

    Kosziol

    Kartzke

    Vorschriften§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO, § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, § 522 Abs. 1 ZPO, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 2 ZPO, § 3 ZPO, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 577 Abs. 3 ZPO