15.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133529
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 14.03.2013 – 16 W 41/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
16 W 41/12
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 16.04.2012 gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Köln vom 17.10.2011 – 18 OH 32/08 - wird als unzulässig verworfen.
G r ü n d e :
I.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss des Landgerichts Köln, durch den es den Gegenstandswert für das selbstständige Beweisverfahren auf 200.000,00 € festgesetzt hat.
Mit Schriftsatz vom 19.12.2008 hat die Antragstellerin die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens gegen die Antragsgegnerin zur Feststellung diverser Mängel in ihren Wohnungen und der zur Beseitigung notwendigen Kosten beantragt, dem der Streithelfer mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21.09.2009 auf Seiten der Antragsgegnerin beigetreten ist. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige A erstattete mehrere Gutachten, zuletzt ein zweites Ergänzungsgutachten vom 22.06.2011, das mit Verfügung des Vorsitzenden vom 01.07.2011 unter Bestimmung einer Stellungnahmefrist von vier Wochen für die Verfahrensbeteiligten dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 06.07.2011 zugestellt wurde. Die Antragsgegnerin wies mit Schriftsatz vom 01.08.2011 auf nach ihrer Auffassung bestehende Mängel des Gutachtens hin, stellte aber mit Schriftsatz vom 05.09.2011 klar, dass mit dem Schriftsatz vom 01.08.2011 kein Antrag gestellt sei, weitere Feststellungen durch den Sachverständigen treffen zu lassen und ein weiteres Betreiben des Verfahrens Sache der Antragstellerin sei. Nachdem keine weiteren Stellungnahmen der Beteiligten zum zweiten Ergänzungsgutachten eingegangen waren, setzte das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Gegenstandswert auf 200.000,00 € fest. Mit Schriftsatz vom 26.01.2012 machte die Antragstellerin Mängel der Begutachtung durch den Sachverständigen A geltend.
In der Sache ist die Antragstellerin der Ansicht, dass der festgesetzte Gegenstandswert angesichts zweier mittlerweile beim Amtsgericht Köln unter den Aktenzeichen 204 C 185/11 und 204 C 98/12 anhängiger Klageverfahren, in denen die Streitwerte vorläufig auf einen Betrag in Höhe von 34.361,25 € bzw. 500.000,00 € bemessen wurden, zu niedrig sei.
II.
Die auf Erhöhung des Streitwerts gerichtete Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist als im eigenen Namen eingelegt anzusehen (Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 20. Aufl., § 32 RVG Rn. 122) und als solche gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 1 ZPO statthaft. Sie ist indes nicht fristgerecht gemäß § 68 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG eingelegt worden und daher als unzulässig zu verwerfen.
1. Nach § 63 Abs. 3 S. 2 GKG muss die Beschwerde innerhalb von sechs Monaten eingelegt werden, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.
Die am 16.04.2012 per Fax beim Landgericht eingegangene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin erfüllt diese Zulässigkeitsvoraussetzung nicht.
Der Senat geht mit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die 6-Monatsfrist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG nicht erst nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Klageverfahren - hier der bei dem Amtsgericht rechtshängigen Verfahren (204 C 185/11 und 204 C 98/12) - in Lauf gesetzt wird, sondern bereits im Zeitpunkt der Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.01.1997 – 21 W 4/97; OLG Nürnberg MDR 2002, 538; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 63 GKG Rn. 54 m.w.Nachw.; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl., § 68 GKG, Rn. 12; Meyer, Gerichtskosten der streitigen Gerichtsbarkeiten und des Familienverfahrens, 11. Aufl., § 63, Rn. 35; ). Sinn der auf 6 Monate begrenzten Beschwerdefrist ist es, innerhalb dieser zeitlichen Grenze Rechtssicherheit über die Höhe des endgültigen Kostenstreitwerts zu schaffen. Dieser gesetzgeberischen Intention würde es zuwider laufen, die Beschwerdefrist erst nach rechtskräftigem Abschluss eines mit dem selbstständigen Beweisverfahren einhergehenden oder diesem nachfolgenden Rechtsstreits in Gang zu setzen. Mit dem Gebot der Rechtssicherung wäre der spätere Fristbeginn erst recht unvereinbar, wenn dem selbstständigen Beweisverfahren ein Klageverfahren nicht folgt und in diesem Fall die Beschwerdefrist überhaupt nicht in Gang gesetzt würde. Die Anknüpfung an den Streitwert des Klageverfahrens ermöglicht auch entgegen der Mindermeinung keine zuverlässigere Bestimmung des Kostenstreitwerts, da die Streitwerte des selbstständigen Beweisverfahrens und eines Klageverfahrens etwa durch Teilvergleiche aufgrund des selbstständigen Beweisverfahrens oder Erhöhung bzw. Ermäßigung einer Klage keineswegs identisch sein müssen. Das selbstständige Beweisverfahren ist auch nicht kraft Gesetzes ein bloßes Nebenverfahren des Erkenntnisverfahrens, sondern ein – wie der Name schon sagt – selbstständiges Verfahren, das den Parteien ein Verwertungsrecht der gesicherten Beweise gewährt, was wiederum deutlich macht, dass es im Hinblick auf den Streitwert um ein völlig selbstständiges Verfahren handelt. Der Umstand, dass erst mit der Kostengrundentscheidung auch eine Entscheidung über die Kostenverteilung des selbstständigen Beweisverfahrens herbeigeführt wird, rechtfertigt es nicht, zu Lasten der Rechtssicherheit den Fristbeginn auf den rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahren zu verlagern.
2. Ist danach für den Beginn der Beschwerdefrist auf die Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens abzustellen, erweist sich die Beschwerde als unzulässig, da das selbstständige Beweisverfahren mit Ablauf der mit Verfügung des Gerichts vom 01.07.2011 gesetzten Frist zur Stellungnahme auf das Ergänzungsgutachten von vier Wochen ab Zugang des Gutachtens, d.h. vier Wochen ab dem 06.07.2011, also mit Ablauf des 03.08.2011 beendet war und die bei Gericht am 16.04.2012 per Fax eingegangene Streitwertbeschwerde nicht innerhalb von 6 Monaten seit Beendigung des Verfahrens und damit verfristet eingelegt wurde.
2.1. Das selbstständige Beweisverfahren ist mit seiner sachlichen Erledigung beendet. Das ist der Fall, wenn der Sachverständige sein Gutachten erstattet hat und die Parteien nicht innerhalb der ihnen nach 411 Abs. 4 ZPO eingeräumten Prüfungs- und Stellungnahmefrist einen Antrag auf Anhörung oder ergänzende Begutachtung stellen (BGH, Urt. v. 20.2.2002 – VIII ZR 228/00 -, BauR 2002, 1115 = NJW 2002, 1640; BGH Beschl. v. 24.3.2009 – VII ZR 200/08 – BauR 2009, 979 = NZBau 2009, 598 = NJW-RR 2009, 1243). Setzt das Gericht nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme, ist diese maßgeblich. Bei Fristsetzung nach § 411 Abs. 4 ZPO setzt die Beendigung des Beweisverfahrens mit Fristablauf voraus, dass die Fristsetzung wirksam ist, d.h. durch das Gericht erfolgt und mit der erforderlichen Belehrung förmlich zugestellt wurde (Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB, 17. Aufl., Anh. 3 Rn 91; OLG Celle, Beschl. v. 15.8.2005 - 4 W 165/05 - BauR 2005, 1961; Beschl. v. 6.3.2009 - 16 W 19/09 - NZBau 2009, 385; OLG Schleswig, Beschl. v. 21.8.2003 - 16 W 115/03 - OLGR 2003, 470). Wird keine Frist gesetzt oder ist diese unwirksam, sind nach § 411 Abs. 4 S. 1 ZPO Einwendungen gegen das Gutachten und eventuelle Ergänzungsfragen innerhalb eines angemessenen Zeitraums mitzuteilen. Welcher Zeitraum danach angemessen ist, ist Frage des Einzelfalles.
Ausgehend von diesen Grundsätzen war das selbstständige Beweisverfahren mit Ablauf des 03.08.2011 beendet. Das Gericht hat zwar eine 4 Wochenfrist gesetzt, diese Stellungnahmefrist jedoch nicht mit einer förmlichen Belehrung zugestellt. Diese Fristsetzung konnte die Präklusionswirkung nicht auslösen, da die Parteien auf die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden waren (BGH, BauR 2011, 287 ff; BGH, Urteil vom 25.10.2005 – V ZR 241/04 -), sodass gemäß § 411 Abs. 4 S. 1 ZPO Einwendung gegen das Gutachten und eventuelle Ergänzungsfragen innerhalb eines angemessenen Zeitraums vorzutragen waren. Die bei Gericht am 26.01.2012 und damit über 6 Monate nach Zustellung des letzten Ergänzungsgutachtens, worauf abzustellen ist (Pastor in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rd. 112), eingegangene Stellungnahme der Antragstellerin liegt nicht mehr innerhalb einer angemessenen Prüffrist. Nach dem Umfang des zweiten Ergänzungsgutachten von 7 Seiten und seines Gehalts bestehen an der Überschreitung einer angemessenen Prüffrist ausgehend davon, dass nach der Rechtsprechung bei umfangreichen und/oder schwierigen Gutachten in der Regel eine Frist von 4 Monaten als ausreichend und angemessenen erachtet wird (Werner/Pastor, a.a.O. Rn. 114 m.w.Nachw.), hier keine Zweifel.
2.2. Die Antragstellerin hätte ihre im Schriftsatz vom 26.01.2012 gegen das zweite Ergänzungsgutachten geltend gemachten Einwände innerhalb der angemessenen Prüffrist erheben müssen und kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass der Sachverständige keine spezifischen Angaben zu den Kosten der Mängelbeseitigung gemacht hat, zumal sie erst mit Schriftsatz vom 12.03.2012 die Grundlagen für die Durchführung der Gewährleistungsarbeiten und einer möglichen Schätzung durch den Sachverständigen vorgelegt hat. Der Antragstellerin ist auch ein Berufen auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 01.08.2011 verwehrt, da diese in ihrem Schriftsatz vom 05.09.2011 klargestellt hat, dass mit ihrem Schriftsatz vom 01.08.2011 kein Antrag verbunden war, den Sachverständigungen mit weiteren Feststellungen zu beauftragen und ein weiteres Betreiben des Verfahrens gerade Sache der Antragstellerin sei.
2.3. Die Überschreitung der Prüffrist führt jedoch nicht dazu, dass das selbstständige Beweisverfahrens erst mit Ablauf der angemessenen Prüffrist beendet ist. Die Nichteinhaltung der angemessenen Prüffrist hat nur zur Folge, dass das selbstständige Beweisverfahren nicht fortzusetzen ist. Vielmehr ist in diesen Fällen das selbstständige Beweisverfahren dann beendet, wenn der mit der Beweisaufnahme befasste Richter zum Ausdruck bringt, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht (mehr) stattfindet und dagegen innerhalb der Frist keine Einwände erhoben werden (BGH, Urteil vom 28.10.2010 – VII ZR 172/09 -). Dieser Zeitpunkt entspricht im Streitfall dem Ablauf der durch das Landgericht gesetzten Stellungnahmefrist, hier also dem 03.08.2011.
3. Schließlich verfängt auch nicht der Einwand des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, die 6-monatige Beschwerdefrist sei eingehalten, da der Streitwertbeschluss des Landgerichts erst am 20.10.2011 zugestellt worden sei. Maßgeblich für den Fristbeginn ist nicht die Zustellung des Streitwertbeschlusses, wie § 68 Abs. 1 S. 3 Halbsatz 2 GKG zeigt. Danach läuft die Beschwerdefrist ausnahmsweise noch einen Monat nach der Zustellung oder formlosen Mitteilung des Streitwertbeschlusses, wenn das Gericht den Streitwert später als einen Monat vor dem Ablauf der in § 63 Abs. 3 S. 2 GKG genannten Frist festsetzt, war hier nicht der Fall ist .
Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 68 Abs. 3 ZPO nicht veranlasst.