17.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140162
Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 10.10.2013 – 1 Ws 166/12
Im Sitzungsprotokoll ausdrücklich als solche bezeichnete oder ersichtlich als solche gewährte Mittagspausen sind bei der Berechnung der für die Gewährung eines Längenzuschlags des Pflichtverteidigers maßgeblichen Dauer der Teilnahme des Pflichtverteidigers an der Hauptverhandlung grundsätzlich und regelmäßig nicht in Abzug zu bringen.
Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschl. v. 10.10.2013
Az.: 1 Ws 166/12
Tenor:
1.
Auf die Beschwerde des gerichtlich bestellten Verteidigers Rechtsanwalt xxxxxxxx aus Karlsruhe wird der Beschluss des Landgerichts - 3. Große Strafkammer - Karlsruhe vom 20. Juli 2012 (3 KLs 250 Js 34832/10) aufgehoben.
2.
Der Festsetzungsbeschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2012 wird dahin abgeändert, dass die Vergütung des Verteidigers auf 1.244.80 € (i.W:. eintausendzweihundertvierundvierzig) festgesetzt wird.
3.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Rechtsanwalt xxxxxxxx war im vorliegenden Sicherungsverfahren aufgrund am 28.03.2011 erfolgter gerichtlicher Bestellung vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe als Pflichtverteidiger für den Beschuldigten tätig. Die Hauptverhandlung fand am 19.01.2012 in seiner Anwesenheit statt. Die auf 9.00 Uhr anberaumte Sitzung - der Verteidiger war auf diesen Zeitpunkt geladen und auch erschienen - begann um 9.04 Uhr und endete um 15.30 Uhr. Sie wurde von 11.53 Uhr bis 13.30 Uhr für eine Mittagspause unterbrochen.
Der Beschwerdeführer macht mit Kostenrechnung vom 20.01.2012, welche sich einschl. MwSt. auf insgesamt 1.244,80 € beläuft, neben der Terminsgebühr Nr. 4114, 4115 VV RVG eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4116 VV RVG (Teilnahme an einer erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor der Strafkammer von mehr als 5 und bis 8 Stunden) in Höhe von 108,- € geltend. Die Rechtspflegerin des Landgerichts erkannte die beantragte Zusatzgebühr mit der Begründung, die sich auf eine Stunde und 37 Minuten belaufende Zeit der Mittagspause sei bei der Berechnung der für den Gebührentatbestand Nr. 4116 VV RVG maßgeblichen Dauer der Hauptverhandlung in Abzug zu bringen, nicht an und setzte - ansonsten dem Antrag des Rechtsanwalts folgend - mit Beschluss vom 24.02.1012 die an diesen für die erste Instanz zu zahlende Vergütung auf 1.116,28 € fest. Die Strafkammer wies - nach Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerin und Übertragung der Sache vom Einzelrichter auf die Kammer - die gegen diese Festsetzung form- und fristgerecht eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts mit Beschluss vom 20.07.2012 zurück. Gegen diesen Beschluss richtet sich die - von der Strafkammer in diesem ausdrücklich zugelassene - Beschwerde des Rechtsanwalts.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der die Strafkammer mit Entschließung vom 03.08.2012 nicht abgeholfen hat und über die der Senat gem. § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hat, ist infolge der für den Senat gem. § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 4 RVG bindenden Zulassung durch die Strafkammer statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Dem Beschwerdeführer steht die von ihm in Höhe von 108.--€ geltend gemachte zusätzliche Terminsgebühr Nr. 4116 VV RVG zu. Die Zeit der Mittagspause ist bei der Ermittlung der für diese Zusatzgebühr maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer nicht in Abzug zu bringen.
1. Nach Nr. 4116, 4117 VV RVG erhält der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt im erstinstanzlichen Verfahren vor der Strafkammer des Landgerichts neben der Terminsgebühr Nr. 4114 oder 4115 RVG je Hauptverhandlungstag eine zusätzliche Geb ühr, wenn er mehr als fünf und bis acht Stunden (Nr. 4116 VV RVG) oder mehr als acht Stunden (Nr. 4117 VV RVG) an der Hauptverhandlung teilnimmt. Diese Zusatzgebühren betragen nach - vorliegend gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG zur Anwendung kommendem - bisherigem Recht 108.--€ (Nr. 4116 VV RVG) bzw. 216.-€ (Nr. 4117 VV RVG) und nach der mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 (BGBl. 2013 I, 2586) erfolgten, seit 01.08.2013 geltenden Anhebung nunmehr 128.--€ (Nr. 4116 VV RVG) bzw. 256.--€ (Nr. 4117 VV RVG). Weitere die fünf bzw. acht Stunden übersteigende Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung besonders vergütende Gebührentatbestände - sog. Längenzuschläge - finden sich in Teil 4 (Strafsachen) VV RVG für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Amtsgericht in Nr. 4110, 4111 und vor dem Oberlandesgericht, dem Schwurgericht und besonderen Strafkammern des Landgerichts in Nr. 4122, 4123, für das Berufungsverfahren in Nr. 4128, 4129 sowie für das Revisionsverfahren in Nr. 4134, 4135.
2. Die Frage, ob und in welchem Umfang bei der Ermittlung der für diese sog. Längenzuschläge maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer eine - im Sitzungsprotokoll ausdrücklich als solche ausgewiesene oder ersichtlich als solche angeordnete - Mittagspause anzurechnen oder in Abzug zu bringen ist, wird - wie überhaupt die Frage der Berücksichtigung von Verhandlungspausen (zu der insoweit kasuistisch geprägten und wenig übersichtlichen Rechtsprechung vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt RVG 20. Aufl. Nr. 4108-4111 VV RVG Rdnr. 26 sowie Burhoff in Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen 3. Aufl. Nr. 4110 VV RVG Rdnrn. 14, 15; ferner Hartmann Kostengesetze 43. Aufl. RVG VV 4110, 4111 Rdn. 2; Hartung in Hartung/Schons/Enders RVG Nr. 4108-4111 VV Rdn. 28; instruktiv auch Kotz "Das Leid mit dem Längenzuschlag" NStZ 2009, 414) - in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.
So wird von dem wohl überwiegenden Teil der Oberlandesgerichte die Auffassung vertreten, dass die Zeit der Mittagspause - soweit sich diese nicht nur auf einen ganz kurzen Zeitraum erstreckt - unabhängig von ihrer Länge grundsätzlich und regelmäßig in vollem Umfang von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen ist (OLG München StRR, 2009, 199; OLG Oldenburg AGS 2008, 177; OLG Bamberg AGS 2006, 124; OLG Celle NStZ-RR 2007, 391; OLG Koblenz - 2. Strafsenat - NJW 2006, 1149; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2006, 191; differenzierend OLG Jena StRR 2008, 478; KG StRR 2007, 238; OLG Frankfurt, B.v. 13.03.2012 - 2 Ws 18/12 - in [...]). Teilweise wird auch die Ansicht vertreten, dass Mittagspausen jedenfalls "im Kern" von der Gesamtverhandlungsdauer in Abzug zu bringen sind, wobei diese Pausenkernzeit, also die für eine mittägliche Sitzungsunterbrechung als üblich und angemessen erachtete und demgemäß nicht zu vergütende Zeitspanne teilweise auf bis zu einer Stunde (OLG Nürnberg StRR 2008, 200), teilweise - so auch das Landgericht Karlsruhe in dem angefochtenen Beschluss vom 20.07.2012 - auf bis zu 1 1/2 Stunden (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2006, 392) bemessen wird; soweit die Mittagspause über diesen zeitlichen Rahmen hinausgeht, soll die Frage, ob und inwieweit die überschießende Zeit als dem Rechtsanwalt zu vergütende Teilnahme an der Hauptverhandlung zu bewerten oder ebenfalls in Abzug zu bringen ist, im Rahmen einer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstellenden Betrachtung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für die Behandlung von sonstigen Sitzungspausen beurteilt werden (OLG Nürnberg a.a.O.; OLG Zweibrücken a.a.O.). In diametralem Gegensatz zu dieser die Zeit der Mittagspause bis zu einer bestimmten zeitlichen Grenze pauschal und generell nicht in die Hauptverhandlungsdauer einrechnenden Rechtsprechung steht die verschiedentlich ebenfalls vertretene Auffassung, dass - im Gegenteil - mittägliche Sitzungspausen bis zu einer bestimmten Dauer - überwiegend wird diese auf mindestens eine Stunde bemessen - grundsätzlich und regelmäßig anzurechnen sind, wobei bezüglich der Frage der Anrechenbarkeit der möglicherweise über diese Zeitspanne hinausgehenden Pausenzeit wiederum auf die konkreten Umstände des Einzelfalls sowie die allgemeinen Grundsätze für die Bewertung von sonstigen Sitzungspausen rekurriert wird (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2006, 291; OLG Hamm StraFo 2006, 173; KG JurBüro 2010, 363). Welche konkreten Umstände bei der insoweit für geboten erachteten Einzelfallbetrachtung jeweils von Bedeutung sind und wie sich die allgemeinen Grundsätze für die Behandlung von nicht nur ganz kurzen sonstigen Sitzungspausen darstellen - überwiegend wird auf den in der praktischen Handhabung nur wenig griffigen und streitanfälligen Gesichtspunkt abgestellt, ob und wie der Rechtsanwalt die Pausenzeit anderweitig "sinnvoll nutzen" konnte - , wird von den Vertretern beider, wenn auch völlig konträr auf zeitliche Grenzen abhebenden Auffassungen uneinheitlich und weitgehend kasuistisch beantwortet (vgl. auch insoweit Burhoff in Gerold/Schmidt a.a.O. und Burhoff (Hrsg.) a.a.O. sowie den die Unübersichtlichkeit der Rechtsprechung eindrucksvoll illustrierenden sog. "Vergütungsatlas" bei Kotz a.a.O.).
Abweichend von den genannten, mittägliche Pausen entweder grundsätzlich und generell überhaupt nicht oder in differenzierender Einzelfallbeurteilung nur eingeschränkt für vergütungsfähig erachtenden Rechtsauffassungen wird demgegenüber von einem Teil der Oberlandesgerichte die Ansicht vertreten, dass Mittagspausen bei der für die Ermittlung eines Längenzuschlags maßgeblichen Verhandlungsdauer grundsätzlich und regelmäßig nicht in Abzug zu bringen sind. Nach dieser Auffassung, welche bereits seit geraumer Zeit vom 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart vertreten wird (OLG Stuttgart, B. v. 08.08.2005 - 4 Ws 118/05 - StV 2006, 200; in der Tendenz wohl ebenso OLG Koblenz - 1. Strafsenat - NJW 2006, 1150 [OLG Koblenz 16.02.2006 - 1 Ws 61/06]) und welcher sich unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. insoweit OLG Stuttgart, B. v. 20.04.2009 - 2 ARs 58/08 -) neuerdings auch der 2. und 5. Strafsenat dieses Gerichts angeschlossen haben (OLG Stuttgart, 5. Strafsenat, B. v. 27.07.2012 - 5 Ws 33/12 - StraFo 2012, 384), kann anderes im Einzelfall allenfalls dann gelten, wenn sich die Mittagspause über einen "extrem langen Zeitraum" erstreckt (OLG Stuttgart, 4. und 5. Strafsenat a.a.O.). Schließlich hat auch der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe in der Begründung zu einem erst jüngst ergangenen, die Festsetzung einer Pauschvergütung nach § 51 RVG betreffenden Beschluss vom 25.07.2013 - 3 AR 35/13 - bemerkt, dass er ebenso wie auch das Oberlandesgericht Stuttgart in dessen Beschluss vom 27.07.2012 (StraFo a.a.O.) die Rechtsauffassung vertritt, wonach Mittagspausen grundsätzlich nicht von der Hauptverhandlungsdauer abzusetzen sind (so auch Kotz a.a.O. sowie Burhoff in Burhoff (Hrsg.) a.a.O. Rubrik "Hinweis" zu Rdnr. 15).
3. Der Senat schließt sich - nicht zuletzt auch im Interesse der Einheitlichkeit der Behandlung der Rechtsfrage im Bereich der baden-württembergischen Oberlandesgerichte - der von den oben genannten drei Strafsenaten des Oberlandesgerichts Stuttgart sowie auch dem 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe vertretenen Rechtsauffassung an. Danach sind - im Sitzungsprotokoll ausdrücklich als solche bezeichnete oder ersichtlich als solche gewährte - Mittagspausen bei der Berechnung der für die Gewährung eines Längenzuschlags maßgeblichen Dauer der Teilnahme des Rechtsanwalts an der Hauptverhandlung grundsätzlich und regelmäßig nicht in Abzug zu bringen. Eine andere, die konkreten Umstände einer mittäglichen Sitzungsunterbrechung bewertende Betrachtung kann allenfalls dann Platz greifen, wenn sich die Mittagspause über einen außergewöhnlich langen, die insoweit übliche und angemessene Zeitspanne deutlich überschreitenden Zeitraum erstreckt. Dabei wird bei der Bewertung der Frage, wann von einem solchen das übliche Maß deutlich übersteigenden Zeitraum auszugehen und ausnahmsweise in eine Einzelfallprüfung einzutreten ist, eine kleinliche Handhabung zu vermeiden und ein großzügiger Maßstab anzulegen sein. Jedenfalls bei einer sich auf nicht länger als drei Stunden belaufenden Dauer der Mittagspause wird in aller Regel von einer Einzelfallprüfung abzusehen und die gesamte Pausenzeit vollständig in die zu vergütende Hauptverhandlungsdauer einzubeziehen sein.
a) Maßgebend für diese pauschalierende, eine kasuistisch orientierte Prüfung im Einzelfall weitgehend vermeidende Bewertung spricht zunächst die mit der Schaffung der in Teil 4 VV RVG neu konzipierten, Längenzuschläge gewährenden zusätzlichen Gebührentatbestände verfolgte gesetzgeberische Zielsetzung. So wird in den Gesetzesmaterialien zum RVG unter Hinweis auf die seinerzeitige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu der bis dahin geltenden Pauschgebührenregelung des § 99 BRAGO wiederholt betont, dass diese neuen zusätzlichen Vergütungstatbestände "Pauschgeb ührencharakter" haben (Entwurf Kostenrechtsmodernisierungsgesetz 2004 BT-Drucks. 15/1971 S. 222, 224). Sinn und Zweck der auf feste Zeitrahmen abstellenden Längenzuschläge ist es, den nach früherer Rechtslage und Rechtsprechung regelmäßig im Pauschvergütungsverfahren einzelfallbezogen zu prüfenden und zu bewertenden besonderen Zeitaufwand eines gerichtlich bestellten Rechtsanwalts für die Teilnahme an der Hauptverhandlung pauschal und weitestmöglich unabhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalls zu vergüten. Mit ihrer Aufnahme in das RVG sollte auch und insbesondere erreicht werden, dass der Rechtsanwalt bei einer längeren Hauptverhandlungsdauer nicht mehr in dem zuvor bestehenden Maße auf die Beantragung und Bewilligung einer Pauschvergütung angewiesen ist und damit die Zahl der Fälle, in denen Pauschgebühren nach § 51 RVG beantragt und festgesetzt werden müssen, vermindert wird (BT-Drucks. 15/1971 S. 224, 225). Die bis dahin uneinheitliche und unübersichtliche sowie weitgehend kasuistisch geprägte Rechtsprechung zur gebührenrechtlichen Bewertung und Honorierung des von einem Pflichtverteidiger für die Teilnahme an der Hauptverhandlung erbrachten besonderen Zeitaufwands sollte vereinheitlicht und durch eine Rechtsklarheit schaffende, sowohl für den Rechtsanwalt als auch die befassten Justizorgane transparente und praxisgerechte Gebührenregelung ersetzt werden (vgl. hierzu instruktiv OLG Frankfurt a.a.O.; ferner OLG Koblenz 1. Strafsenat a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; OLG Stuttgart 4. Strafsenat a.a.O.).
Die vorliegend vertretene, die Zeit der Mittagspause grundsätzlich und generell in die Hauptverhandlungsdauer einbeziehende Rechtsauffassung wird dieser Intention des Reformgesetzgebers gerecht. Sie entspricht nicht nur dem der Einführung von Längenzuschlägen ersichtlich zugrundeliegenden reformgesetzgeberischen Bemühen um Pauschalierung und Transparenz, sondern befördert - anders als die mit unterschiedlicher, teilweise konträrer Akzentuierung auf zeitliche Grenzen und im Übrigen auf eine Prüfung im Einzelfall abstellende abweichende Rechtsprechung (vgl. insoweit die kritische Anmerkung von Burhoff in Gerold/Schmidt a.a.O. Rdnr. 26 a.E.) - auch das gesetzgeberische Ziel, jedenfalls für den Bereich der Pflichtverteidigung die Kostenfestsetzung zu vereinfachen und sowohl für den antragstellenden Rechtsanwalt als auch für die befassten Justizstellen zeit- und arbeitsintensive Pauschgebührenfestsetzungsverfahren nach § 51 RVG sowie gleichermaßen zeit- und arbeitsaufwändige Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nach § 56 RVG weitestmöglich zu vermeiden (OLG Düsseldorf a.a.O; OLG Hamm a.a.O.; OLG Stuttgart 4. Strafsenat a.a.O.; ebenso Burhoff in Burhoff (Hrsg.) a.a.O. Rdnr. 24). Im Übrigen ist der Senat der Auffassung, dass - wie gerade die vorliegende Fallgestaltung zeigt - durch die Vermeidung solcher Verfahren und die damit einhergehende Reduzierung des von den befassten Justizstellen zu erbringenden Verwaltungsaufwands auch für den Justizhaushalt Kosten erspart werden können.
b) Die - jedenfalls grundsätzlich und regelmäßig uneingeschränkt vorzunehmende - Einbeziehung der Mittagspause in die Gesamtdauer der Hauptverhandlung ist auch im Hinblick auf den Zweck der Längenzuschläge gewährenden Gebührentatbestände, dem gerichtlich bestellten Verteidiger den von ihm für die Terminswahrnehmung verfahrensbezogen erbrachten besonderen Zeitaufwand angemessen zu honorieren (vgl. auch insoweit Entwurf Kostenrechtsmodernisierungsgesetz 2004 BT-Drucks. 15/1971 S. 224; ferner Kotz a.a.O. sowie Burhoff in Burhoff (Hrsg.) a.a.O. Rdn. 11), sachlich gerechtfertigt und geboten.
Soweit insoweit zur Begründung der Nichtberücksichtigung von Mittagspausen verschiedentlich vorgebracht wird, bei einer solchen Pause handele es sich im Gegensatz zu unmittelbar verfahrensbedingten sog. "Bereithaltungspausen" um eine vollständig oder jedenfalls "im Kern" dem privaten Bereich zuzuordnende sicher voraussehbare und planbare "prozessneutrale" Sitzungsunterbrechung, über welche der Rechtsanwalt ebenso wie jede andere eine mittägliche Arbeitspause einlegende und diese in der Regel nicht vergütet bekommende freiberuflich und selbständig tätige Person frei disponieren und welche er nach eigenem Belieben gestalten könne (so OLG München a.a.O.; OLG Zweibrücken a.a.O.; OLG Oldenburg a.a.O.; OLG Celle a.a.O.; KG a.a.O.), wird diese Bewertung den tatsächlichen Gegebenheiten einer Hauptverhandlung in Strafsachen nicht gerecht. Richtig ist zwar, dass der Rechtsanwalt über die Gestaltung der Mittagspause in aller Regel selbst bestimmen und diese in eigener Entscheidung zu verschiedenen Zwecken - Nahrungsaufnahme, Nachbereitung der bisherigen bzw. Vorbereitung der weiteren Hauptverhandlung, Besprechung mit dem Mandanten oder sonstigen Verfahrensbeteiligten, anderweitige berufsbezogene Tätigkeit usw. - nutzen kann. Wann genau diese Pause erfolgt und von welcher Dauer sie ist, unterliegt jedoch - anders als dies bei den verschiedentlich zum Vergleich herangezogenen anderen Personengruppen regelmäßig der Fall ist - grundsätzlich nicht der freien Verfügung des Rechtsanwalts und ist für diesen in aller Regel auch nicht sicher voraussehbar und im Voraus planbar. Die Bestimmung von Zeitpunkt und Dauer der Mittagspause liegt vielmehr im alleinigen Entscheidungsbereich des die Verhandlung leitenden Vorsitzenden, welcher in seinen Dispositionen wiederum von dem auch bei noch so sorgfältiger Terminsplanung und umsichtiger Terminsgestaltung vielfach auch für ihn nicht oder nur begrenzt voraussehbaren aktuellen Verhandlungsverlauf abhängig ist. Die Möglichkeit einer umfassend freien Bestimmung des Rechtsanwalts über die Mittagspause - deren Zeitpunkt, deren Dauer und damit auch deren naturgemäß von Zeitpunkt und Dauer abhängige individuelle Ausgestaltung -, welche es rechtfertigen könnte, diese Pause gebührenrechtlich als "prozessneutral" und nicht verfahrensbezogen zu bewerten sowie ohne Weiteres dem nicht zu vergütenden privaten Lebensbereich zuzuordnen, ist somit - von wenigen Ausnahmen abgesehen - in aller Regel nicht gegeben (vgl. auch hierzu instruktiv Kotz a.a.O.).
c) Der gebührenrechtlichen Einbeziehung der Mittagspause in die maßgebliche Verhandlungsdauer steht auch der Wortlaut der in Teil 4 VV RVG geregelten zusätzlichen Terminsgebührentatbestände, wonach der Rechtsanwalt einen Längenzuschlag nur für die Zeit seiner Teilnahme "an der Hauptverhandlung" erhalten soll, nicht entgegen.
Soweit unter Hinweis auf eben diesen Wortlaut die Nichtberücksichtigung der Mittagspause u.a. damit begründet wird, dass in dieser Zeit keine Hauptverhandlung stattfinde (so OLG Bamberg a.a.O.; OLG München a.a.O.; OLG Oldenburg a.a.O.; OLG Zweibrücken a.a.O.; OLG Celle a.a.O.; OLG Nürnberg a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Koblenz - 2. Strafsenat - a.a.O.), ist diese - prima facie zunächst schlüssig erscheinende - Argumentation bereits insoweit inkonsequent, als dann ausnahmslos auch alle sonstigen Pausen und Sitzungsunterbrechungen in Abzug gebracht werden müssten, da während deren Dauer - gleichgültig wie lange sie sind und zu welchem Zweck sie erfolgen - eben gerade keine Hauptverhandlung im eigentlichen und engen strafprozessualen Sinne des § 243 Abs. 1 StPO stattfindet. Dass kürzere Pausen und Sitzungsunterbrechungen insbesondere dann, wenn sie verhandlungsbedingt sind, aber auch dann, wenn sie - wie etwa eine kurze "Kaffeepause" - primär der Regeneration der Verfahrensbeteiligten dienen, in die vergütungsfähige Gesamtdauer der Hauptverhandlung einzubeziehen sind, wird mit dem nach Auffassung des Senats durchaus zutreffenden, bei streng wortlautorientierter Betrachtung jedoch inkonsequenten und unzulässigen Argument, dass insoweit zur Vermeidung "unfruchtbarer Streitereien" von einer "kleinlichen Auslegung" abzusehen sei (OLG München a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.; OLG Koblenz 2. Strafsenat a.a.O.), allerdings auch von den speziell bei der Frage der Anrechenbarkeit von Mittagspausen restriktiv auf den Wortlaut der Längenzuschlagstatbestände verweisenden Vertretern der Gegenmeinung bejaht (vgl. auch insoweit die Rechtsprechungsnachweise bei Burhoff in Gerold/Schmidt a.a.O. und Burhoff (Hrsg.) a.a.O.). Gleiches gilt für die gebührenrechtliche Behandlung der Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt, auf welchen der Rechtsanwalt geladen wurde und zu dem er auch rechtzeitig erschienen ist, und dem Zeitpunkt, zu welchem die Sitzung tatsächlich mit Aufruf der Sache begonnen hat. Auch insoweit besteht in der obergerichtlichen Rechtsprechung - auch bei den Vertretern der Gegenmeinung (a.A. wohl nur OLG Saarbrücken a.a.O.) - weitgehend und aus Sicht des Senats richtigerweise (Senat, B. v. 15.06.2005 - 1 AR 22/05 - StV 2006, 201) Einigkeit dahingehend, dass diese Wartezeit zwischen dem terminierten und tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung bei der Berechnung der Längenzuschläge ohne Weiteres in die Gesamtdauer der Hauptverhandlung einzubeziehen ist (vgl. auch hierzu die Rechtsprechungsnachweise bei Burhoff in Gerold/Schmidt a.a.O. Rdnr. 25 und Burhoff in Burhoff (Hrsg.) a.a.O. Rdnrn. 11, 12), obwohl bei streng wortlautorientierter und formaler Betrachtung auch hier keine "Hauptverhandlung" im engen strafprozessualen Sinne stattfindet.
Die sonach in der obergerichtlichen Entscheidungspraxis überwiegend bejahte sowie nach Auffassung des Senats sachgerechte und vernünftige, bei Zugrundelegung der Gegenmeinung allerdings inkonsequente Einrechnung von Wartezeiten und sonstigen Pausen in die Gesamtverhandlungsdauer macht deutlich, dass der Begriff der "Hauptverhandlung" in den Längenzuschläge gewährenden Vergütungstatbeständen des Teil IV VV RVG mit dem nach der Strafprozessordnung geltenden Verhandlungsbegriff angesichts der unterschiedlichen Regelungszwecke der maßgeblichen Gesetze nicht deckungsgleich ist. Auf die Verschiedenheit des einerseits strafprozessualen und andererseits gebührenrechtlichen Bedeutungsgehalts des Begriffs der "Hauptverhandlung" hat der Senat bereits in dem oben genannten Beschluss vom 15.06.2005 ( StV a.a.O.) hingewiesen (ebenso OLG Koblenz - 1. Strafsenat - a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; OLG Stuttgart 4. Strafsenat a.a.O.).
Gestützt wird diese spezifisch gebührentechnische Auslegung des Begriffs der "Hauptverhandlung" im Übrigen auch durch die sich in Abs. 3 Satz 2 der Vorbemerkung zu Teil 4 VV RVG findende Regelung, wonach der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch dann erhält, wenn er zu einem anberaumten Hauptverhandlungstermin erscheint, dieser Termin aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Ist in einem solchen Falle aber sogar der gänzliche Ausfall des Hauptverhandlungstermins gebührenrechtlich unerheblich, muss dies nach Sinn und Zweck der Längenzuschlagsregelungen auch und erst recht für vom Vorsitzenden angeordnete Sitzungsunterbrechungen gelten, auf welche - wie dies bei einer Mittagspause regelmäßig der Fall ist (vgl. insoweit oben b) - der Verteidiger bezüglich Zeitpunkt und Dauer keinen und damit bezüglich deren Gestaltung naturgemäß auch nur begrenzten Einfluss hat (so auch OLG Hamm a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Koblenz 1. Strafsenat a.a.O.; OLG Stuttgart 4. Strafsenat a.a.O.; ebenso Kotz a.a.O. sowie Burhoff in Burhoff (Hrsg.) a.a.O. Rdnr. 24; a.A. OLG Oldenburg a.a.O.).
4. Die in der Hauptverhandlung am 19.01.2012 von 11.53 Uhr bis 13.30 Uhr dauernde und sich somit über einen - durchaus angemessenen und üblichen - Zeitraum von einer Stunde und 37 Minuten erstreckende Mittagspause ist damit vollständig in die für die Berechnung des Längenzuschlags maßgebliche Verhandlungsdauer einzubeziehen. Unter Berücksichtigung des auf 9.00 Uhr gerichtlich verfügten Sitzungsbeginns und des auf 15.30 Uhr vermerkten Sitzungsendes beträgt die gebührenrechtlich zu berücksichtigende Hauptverhandlungsdauer sonach sechs Stunden 30 Minuten, so dass dem Rechtsanwalt neben der Terminsgebühr Nr. 4114, 4115 VV RVG die zusätzliche Gebühr Nr. 4116 VV RVG in der vorliegend gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG maßgeblichen Höhe von 108,00 € zusteht. Der Festsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 24.02.2012 war - bei gleichzeitiger Aufhebung des diesen bestätigenden Beschlusses des Landgerichts Karlsruhe vom 20.07.2012 - entsprechend zu korrigieren.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.