17.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141808
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 14.05.2014 – XII ZB 487/13
Zur Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands bei der Verpflichtung zur Auskunftserteilung, welche die Erstellung einer Bestandsliste über mehrere hundert Grundstücke erfordert.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandgerichts vom 5. August 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert: bis 1.000 €
Gründe
I.
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Der Antragsteller nimmt vertreten durch seine Mutter den Antragsgegner, seinen Vater, im Wege des Stufenantrags auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Der Antragsgegner hat in erster Stufe den Auskunftsanspruch nur hinsichtlich seines Einkommens anerkannt. Das Familiengericht hat den Antragsgegner über das Anerkenntnis hinaus verpflichtet, Auskunft auch über sein Vermögen am 31. Dezember 2011 durch Vorlage eines spezifizierten Vermögensverzeichnisses über alle aktiven und passiven Vermögenswerte zu erteilen. Die nur hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 600 € nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II.
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Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), welcher es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2011 - XII ZB 127/11 FamRZ 2011, 1929 Rn. 8 mwN).
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2. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstandes richte sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der für den Antragsgegner mit der Auskunftserteilung und dem Zusammenstellen der Belege verbunden sei. Zur Bewertung des Zeitaufwands könne grundsätzlich auf die Verdienstausfallentschädigung für Zeugen nach dem Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz zurückgegriffen werden. Der Verweis des Antragsgegners auf mehrere hundert Grundstücke und seine Beteiligung an mehreren Unternehmen rechtfertige weder die Hinzuziehung eines Steuerberaters noch die Bewertung des vom Antragsgegner selbst zu betreibenden Aufwands mit mehr als 600 €. Ohne nähere von den Beteiligten mitgeteilte Anhaltspunkte könne der Aufwand für die Erstellung des Vermögensverzeichnisses mit 200 € geschätzt werden. Die vom Antragsgegner mitgeteilten Besonderheiten rechtfertigten hier zwar die Annahme eines höheren Aufwands, der aber das Dreifache des vorgenannten Betrags nicht übersteige. Wenn der Antragsgegner die überwiegend land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke wie ein Unternehmer als Betriebsvermögen halte, sei ohne nähere Erläuterung nicht vorstellbar, dass er keinen Überblick über deren Bestand habe. Es liege daher nahe, dass er auf eine bereits existierende Aufstellung zurückgreifen könne oder allenfalls mehrere vorhandene Teilaufstellungen zusammenführen müsse. Es könne nicht angenommen werden, dass er dafür mehr als 35 Stunden benötige. Auch ein besonderes Geheimhaltungsinteresse sei nicht dargelegt.
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3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht allerdings erkannt, dass für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (Senatsbeschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 278/13 FamRZ 2014, 644 Rn. 6 mwN).
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Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei seiner Schätzung eingeräumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 278/13 FamRZ 2014, 644 Rn. 7 mwN). Letzteres ist hier in entscheidungsrelevanter Weise der Fall.
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Nach eigener Darstellung des Antragsgegners ist er Eigentümer von etwa 500 auf das gesamte Land Brandenburg verteilten Splittergrundstücken, vor allem in Form von Waldflächen. Die Grundstücke seien bislang nicht zusammenhängend erfasst, weil es für einen derartigen Aufwand bisher keinen Bedarf gegeben habe.
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Das Beschwerdegericht hat diese Darstellung mit der Begründung zurückgewiesen, es sei ohne nähere Erläuterung nicht vorstellbar, dass der Antragsgegner keinen Überblick über den Bestand seiner Grundstücke habe. Damit hat es das Vorbringen des Antragsgegners unter Verletzung des rechtlichen Gehörs übergangen. Denn eine Rechtspflicht, ein Verzeichnis über den eigenen Grundbesitz ständig vorrätig zu halten, besteht nicht. Das Beschwerdegericht zeigt auch nicht auf, aus welcher Veranlassung heraus der Antragsgegner über eine derartige Aufstellung verfügen müsse.
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Selbst wenn, wie das Beschwerdegericht in Betracht zieht, mehrere Teilaufstellungen vorlägen, die "lediglich zusammengeführt" werden müssten, steht damit nicht fest, dass sämtliche Grundstücke durch die gemutmaßten "Teilaufstellungen" vollständig zum aktuellen Stand erfasst werden. Es müsste daher dem Antragsgegner zugestanden werden, die aus den Teilaufstellungen generierte Gesamtliste auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Denn die Auskunft, zu der er durch den Ausgangsbeschluss verpflichtet wurde, ist mit der erforderlichen Sorgfalt zu erteilen.
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Die Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der aus möglichen Teilaufstellungen generierten Liste bedürfte ihrerseits eines angemessenen Zeitaufwands. Diesen hat der Antragsgegner mit wenigstens zehn Minuten je Grundstück angegeben, wenn er die Daten aus den vorhandenen Grundstückskaufverträgen und begleitenden Dokumenten ermittelt, diese auf spätere Veränderungen wie etwa Grundstücksvereinigungen oder -zuschreibungen überprüft und daraus unter Berücksichtigung einer unterstellt bereits vorhandenen Teilaufstellung eine Tabelle neu erstellt. Dass der angegebene Aufwand von zehn Minuten je Grundstück zu hoch angesetzt sei, ist nicht ersichtlich. Bei 500 Grundstücken summierte sich der Gesamtaufwand auf über 83 Stunden. Unter Zugrundelegung eines dem Einkommen des Antragsgegner entsprechenden Stundensatzes von 15 € summierte sich der Eigenaufwand auf weit über 600 €.
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4. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann auch über die Zulässigkeit der Beschwerde nicht abschließend entscheiden, da noch weitere Feststellungen über den notwendigen Aufwand zur Erstellung der Grundstücksliste erforderlich sind.
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a) Insbesondere wird die vom Antragsgegner behauptete Notwendigkeit, die Daten aufwändig aus den vorhandenen Grundstückskaufverträgen und begleitenden Dokumenten zu ermitteln, in tatrichterlicher Verantwortung noch darauf hin zu überprüfen sein, ob ihm nicht anstelle einer aufwändigen Listenerstellung aus eigenen Unterlagen die Möglichkeit offensteht, mit einem 600 € unterschreitenden Aufwand eine Auflistung der in seinem Eigentum stehenden Grundstücke aus dem Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) der Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg zu erlangen und diese der von ihm geschuldeten Auskunft zugrunde zu legen.
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b) Der Hinzuziehung eines Steuerberaters bedarf es zur Erfüllung der Auskunft allerdings nicht. Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nämlich nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2005 - XII ZB 25/05 FamRZ 2006, 33, 34 und Senatsurteil vom 11. Juli 2001 - XII ZR 14/00 FamRZ 2002, 666, 667). Davon ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht auszugehen, weil dem Antragsgegner lediglich aufgegeben wurde, ein spezifiziertes Vermögensverzeichnis vorzulegen. Soweit das Vermögen Gesellschaftsbeteiligungen umfasst, verlangt das Vermögensverzeichnis nur deren Aufnahme als solche unter Beifügung der vorhandenen Jahresabschlüsse (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012- XII ZB 594/11 [...] Rn. 8).
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c) Über eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde muss das Beschwerdegericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht entscheiden.
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Zwar hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Rechtsmittelgericht bevor es das Rechtsmittel mangels ausreichender Beschwer verwerfen darf eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung bzw. Beschwerde nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, diese zuzulassen, weil es von einer Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, die 600 € übersteigt (Senatsbeschlüsse vom 23. März 2011 - XII ZB 436/10 FamRZ 2011, 882 Rn. 14 mwN und vom 28. März 2012 - XII ZB 323/11 FamRZ 2012, 961 Rn. 6). Im vorliegenden Fall bestehen jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht von der Zulässigkeit einer Beschwerde gegen seine Entscheidung ausgegangen ist (vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. April 2014 - XII ZB 565/13 zur Veröffentlichung bestimmt).
Dose
Weber-Monecke
Schilling
Nedden-Boeger
Guhling