17.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142734
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 21.08.2014 – VII ZR 144/13
Soweit der zur Erteilung eines Buchauszugs Verpflichtete für ohne weiteres selbst zu erbringende Eigenleistungen Hilfspersonen heranzieht, ist der anzusetzende Stundensatz auf den sich aus § 22 Satz 1 JVEG ergebenden Höchstsatz beschränkt (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 420/11, juris Rn. 6 ff.).
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richter Dr. Eick, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Graßnack
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 7. Mai 2013 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert: bis zu 20.000 €
Gründe
I.
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Der Kläger fordert im Wege der Stufenklage zur Bezifferung des ihm gegen die Beklagte zustehenden Provisionsanspruchs aus abgetretenem Recht die Erteilung von Buchauszügen über die von der Zedentin vermittelten Geschäfte aus zwei Handelsvertreterverträgen im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. April 2008 bzw. im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007. Zwischen der Zedentin und der Beklagten bestanden ein Direktvertriebsvertrag über die Vermittlung von Marketingdienstleistungen für Telefonund Internetleistungen und ein Vertriebspartnervertrag, in dem insgesamt fünf Unternehmen zu einem Abrechnungspool zusammengeschlossen waren.
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Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers in erster Instanz teilweise anerkannt. Das Landgericht hat die Beklagte gemäß ihrem Anerkenntnis zur Erteilung von Buchauszügen mit im Einzelnen festgelegten Informationen über die im Rahmen des Direktvertriebsvertrags und des Vertriebspartnervertrags in dem angegebenen Zeitraum vermittelten Geschäfte verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Beklagte verurteilt, den Buchauszug über die im Rahmen des Vertriebspartnervertrags vermittelten Geschäfte auch auf die Gründe, die zur Angabe des Status "abgelehnt" geführt haben, und auf das Stornierungsdatum zu erstrecken.
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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung des Berufungsurteils und die vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers erreichen will.
II.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den Betrag von 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
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1. Für die Bemessung der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs ist, wie bei einem Anspruch auf Erteilung einer Auskunft, auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, nicht aber auf den Wert des Auskunftsanspruchs (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - VII ZR 97/11, juris Rn. 3; Beschluss vom 23. April 2013 - II ZR 4/12, juris Rn. 1; Beschluss vom 22. Februar 2012 - III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888 Rn. 5; Beschluss vom 29. Juni 2010 - X ZR 51/09, NJW 2010, 2812 Rn. 5 f.; Beschluss vom 22. März 2010 - II ZR 75/09, NJW-RR 2010, 786 Rn. 2; Beschluss vom 24. November 1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 89).
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2. Unerheblich ist, dass die Beklagte dem Kläger den Buchauszug mit dem Inhalt, wie er sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, bereits erteilt hat. Die durch eine Verurteilung geschaffene Beschwer entfällt generell nicht, wenn die verurteilte Partei den titulierten Pflichten entspricht, sofern dies - wie im Streitfall - nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt. Das gilt auch dann, wenn die Leistung aus Gründen, die in der Natur des titulierten Anspruchs liegen, auf eine endgültige, nicht mehr rückgängig zu machende Erfüllung hinausläuft, wie es bei einer erteilten Auskunft wesensgemäß der Fall ist, die, anders als etwa ein vereinnahmter Geldbetrag, nicht mehr "zurückgegeben" werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - X ZR 51/09, NJW 2010, 2812 Rn. 5; Urteil vom 8. Mai 1985 - IVa ZR 138/83, BGHZ 94, 268, 274).
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3. Die Beklagte hat jedoch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie für die Erteilung der nach der Entscheidung des Berufungsgerichts zusätzlich geschuldeten Angaben Kosten im Umfang von mindestens 28.350 € aufwenden muss.
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a) Es kann offen bleiben, ob es an einer hinreichenden Glaubhaftmachung des behaupteten Kostenaufwands bereits deswegen fehlt, weil die Beklagte im Zwangsvollstreckungsverfahren die vom Kläger für die Erstellung des Buchauszugs durch einen Buchsachverständigen angegebenen und als Vorschuss gemäß § 887 Abs. 2 ZPO geforderten Kosten in Höhe von 14.000 € auf der Basis eines Zeitaufwands von 280 Stunden zu einem Stundensatz von 50 € als unverhältnismäßig hoch beanstandet hat. Selbst wenn anzunehmen wäre, dass der von der Beklagten in der Anlage 1 zur Nichtzulassungsbeschwerdebegründung aufgeführte Zeitaufwand von insgesamt 810 Stunden zur Erteilung des durch das angefochtene Urteil geforderten zusätzlichen Buchauszugs erforderlich ist, ergäbe sich für die nach dem angefochtenen Berufungsurteil noch zu erteilenden Informationen keine über einen Betrag von 20.000 € hinausgehende Beschwer.
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b) Denn die Beklagte kann nicht für sämtliche der von ihr aufgeführten Leistungen einen Stundensatz in Höhe von 35 € in Ansatz bringen.
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aa) Als Stundensatz für den eigenen Zeitaufwand kann der Verurteilte nur den eigenen Aufwand und daher nicht den Stundensatz geltend machen, den er Dritten für seine berufliche Tätigkeit in Rechnung stellt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 420/11, juris Rn. 6 ff.; Beschluss vom 22. Februar 2012 - III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888 Rn. 6). Der eigene Zeitaufwand des Auskunftspflichtigen ist dabei maximal mit dem gemäß § 22 JVEG für die Entschädigung von Zeugen maßgeblichen Höchstsatz zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 420/11, juris Rn. 10; Beschluss vom 28. September 2011 - IV ZR 250/10, FamRZ 2012, 299 Rn. 7; Beschluss vom 10. März 2010 - IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891 Rn. 6 m.w.N.). Zu den berücksichtigungsfähigen Kosten des zur Auskunft Verpflichteten gehören neben dem Eigenaufwand auch die Ausgaben für die Inanspruchnahme fachkundiger Dritter oder Hilfspersonen, derer sich der Verpflichtete zur Vorbereitung einer nicht ohne weiteres von ihm zu leistenden Auskunft bedienen darf (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - II ZB 6/12, NZG 2013, 1258 Rn. 17; Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 420/11, juris Rn. 8; Beschluss vom 22. Februar 2012 - III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888 Rn. 6; Beschluss vom 22. März 2010 - II ZR 75/09, NJW-RR 2010, 786 Rn. 13 m.w.N.).
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bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Beklagte allenfalls für die aufgeführten Arbeitsschritte Projektplanung, Erstellung von Scripten für die Datenabfrage und die Datensicherung sowie für die Qualitätssicherung berechtigt, kaufmännische IT-Mitarbeiter hinzuziehen, für die nach ihren Angaben ein Stundensatz in Höhe von 35 € zu veranschlagen ist. Insoweit ist nachvollziehbar, dass diese Tätigkeiten besondere Fachkenntnisse voraussetzen, die den zur Vertretung der Beklagten befugten Personen nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen und die Hinzuziehung entsprechend qualifizierter Mitarbeiter erforderlich machen. Die Beklagte hat für diese Leistungen insgesamt einen Stundenaufwand von 190 Stunden angesetzt. Bei einem Stundensatz von 35 € ergibt sich ein Kostenaufwand von insgesamt 6.650 €.
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Für die manuellen Hilfstätigkeiten zur Erfassung des Stornierungsdatums und des Stornogrunds, deren Umfang die Beklagte mit 620 Stunden angibt, kann dagegen höchstens der gemäß für die Entschädigung von Zeugen maßgebliche Höchstsatz gemäß § 22 Satz 1 JVEG zugrunde gelegt werden. Insoweit handelt es sich um eine von der Beklagten bzw. den zu ihrer Vertretung berufenen Personen ohne weiteres selbst zu erbringende Eigenleistung. Soweit die Beklagte zur Erfüllung dieser Tätigkeiten Hilfspersonen heranzieht, ist der anzusetzende Stundensatz ebenfalls auf den sich aus § 22 Satz 1 JVEG ergebenden Höchstsatz beschränkt, weil die Beklagte eine von ihr vorzunehmende Eigenleistung lediglich durch Dritte ersetzt. Dass diese Arbeiten eine besondere Qualifikation erforderten, ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Soweit sich aus der Entscheidung des Senats vom 10. Februar 1994 (VII ZR 77/93, NJW-RR 1994, 660, 661) etwas anders ergibt, hält der Senat daran nicht fest.
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cc) Es kann außerdem dahinstehen, ob sich der Stundensatz nach § 22 Satz 1 JVEG in der im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht geltenden Fassung oder in der derzeit gültigen Fassung richtet. Die nach § 26 Nr. 8 EGZPO maßgebliche Wertgrenze von 20.000 € würde auch dann nicht überschritten, wenn zugunsten der Beklagten davon auszugehen wäre, dass die manuellen Tätigkeiten gemäß § 22 Satz 1 JVEG n.F. mit einem Stundensatz in Höhe von 21 € kalkuliert werden durften. Danach ergäbe sich für die mit 620 Stunden in Ansatz gebrachten manuellen Hilfstätigkeiten ein Kostenaufwand in Höhe von 13.020 € und unter Hinzurechnung eines Betrags von 6.650 € ein Gesamtaufwand in Höhe von 19.670 €, der die Wertgrenze von 20.000 € nicht übersteigt. Kniffka Eick KartzkeIII.14 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Jurgeleit Graßnack