21.01.2015 · IWW-Abrufnummer 143678
Verwaltungsgerichtshof Hessen: Urteil vom 20.06.2014 – 1 E 970/14
1.
Für beamtenrechtliche Konkurrenteneilverfahren, die auf die Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch die vorläufige Freihaltung der zu besetzenden Stelle abzielen, richtet sich der Streitwert nach § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG; dieser Betrag ist nach § 52 Abs. 5 Satz 4 GKG auf die Hälfte zu reduzieren.
2.
Da durch die das Eilverfahren zu sichernde Klage im Hauptsacheverfahren allenfalls erreicht werden kann, dass über die Bewerbung des Antragstellers nach Durchführung eines neuen Auswahlverfahrens erneut entschieden wird, ist der sich aus § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 4 GKG ergebende Streitwert nochmals zu halbieren, so dass sich letztlich ein Viertel des nach § 52 Abs. 5 Satz 1 GKG maßgeblichen Streitwertes ergibt.
3.
Es ist gerechtfertigt, den Streitwert im Hinblick auf die vorläufige Natur des Rechtsstreits nicht nochmals um die Hälfte zu reduzieren, da durch die gerichtliche Entscheidung über den Konkurrenteneilantrag in der Regel die Hauptsache einer Klage, die nur auf Neubescheidung gerichtet sein könnte, fast vollständig vorweggenommen wird.
Verwaltungsgerichtshof Hessen
v. 20.06.2014
Az.: 1 E 970/14
In dem Beschwerdeverfahren
des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen,
vertreten durch den Verwaltungsausschuss,
Ständeplatz 6 - 10, 34117 Kassel,
Beschwerdeführers,
zu dem Verwaltungsstreitverfahren
des Herrn ...,
Antragstellers,
bevollmächtigt: Rechtsanwälte Horst Riemer und Kollegen,
Untere Königsstraße 50 A, 34117 Kassel,
gegen
den Landeswohlfahrtsverband Hessen,
vertreten durch den Verwaltungsausschuss,
Ständeplatz 6 - 10, 34117 Kassel,
Antragsgegner,
beigeladen: Herr ...,
wegen Beförderungen
hier: Streitwert
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann
als Einzelrichter am 20. Juni 2014
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 9. Mai 2014 - 1 L 1320/13.KS - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung abgeändert.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.438,21 € festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2014 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers nach einer außergerichtlichen Einigung der Beteiligten den Antrag zurückgenommen, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Stelle der Stellvertretenden Leitung des Funktionsbereiches Service Investitionsabwicklung, Ausgleichsabgabe, Wirtschaftlichkeitsprüfung (214.3) bei der Hauptverwaltung XXXXXXX so lange nicht mit einem Mitbewerber zu besetzen, bis über den Anspruch des Antragstellers auf Übertragung dieses Dienstpostens rechtskräftig entschieden wurde.
2
Das Verwaltungsgericht hat daraufhin das Verfahren eingestellt und den Wert des Streitgegenstandes auf 18.657,32 € festgesetzt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, Ausgangspunkt für die Streitwertberechnung seien die für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des erstrebten Amtes (A 12). Dieser Betrag sei, da der Antrag auf Neubescheidung abziele, um ein Viertel zu reduzieren und sodann wegen des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens zu halbieren.
3
Mit seiner Streitwertbeschwerde beantragt der Antragsgegner die Herabsetzung des Streitwertes auf 6.219,11 €. Er macht geltend, er habe sich außergerichtlich verpflichtet, die Anwaltskosten des Antragstellers zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruhe auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 in Anlehnung an die Streitwertberechnung im Hauptsacheverfahren nach § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG. Nach diesen Grundsätzen seien zunächst die für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des erstrebten Amtes (A 12) nach § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG zugrunde zu legen. Der Antragsteller sei nach dem Endgrundgehalt zu besolden, mithin habe das Verwaltungsgericht zu Recht eine Summe von 49.752,84 € berücksichtigt. Betreffe das Verfahren die Verleihung eines anderen Amtes, sei nach § 52 Abs. 5 Satz 4 GKG der Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrages, mithin 24.876,42 €. Nach dem Streitwertkatalog sei sodann bei der Neubescheidung eines Beförderungsbegehrens die Hälfte des sich aus § 52 Abs. 5 Satz 4 GKG ergebenden Betrages anzusetzen, mithin 12.438,21 €. Um schließlich dem vorläufigen Charakter des Eilverfahrens Rechnung zu tragen, sei nach Nr. 1.5 des Streitwertkataloges dieser Betrag zu halbieren. Danach ergebe sich ein Streitwert in Höhe von 6.219,11 €.
4
Die übrigen Beteiligten haben keinen Antrag gestellt. Die Bevollmächtigte des Antragstellers zieht die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers in Zweifel, da das Verwaltungsgericht die Verfahrenskosten dem Antragsteller auferlegt habe.
5
Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
6
Die Beschwerde, über die aufgrund der erstinstanzlichen durch einen Einzelrichter erfolgten Streitwertfestsetzung gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist zulässig.
7
Der Antragsgegner hat die erforderliche Beschwerdebefugnis, obgleich er nach der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mit den Kosten des Verfahrens belastet worden ist. Die Beschwerdebefugnis ergibt sich daraus, dass der Antragsgegner nach der außergerichtlichen Vereinbarung der Beteiligten Kostenschuldner und daher von der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung betroffen ist (Sächsisches OVG, Beschluss vom 23. Juli 2009 - 5 E 79/09 - [...] Rdnr. 4).
8
Die Beschwerde ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang auch begründet; die weitergehende Beschwerde ist unbegründet.
9
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 9. Januar 2012 - 1 B 1932/11 - ESVGH 62, 255 und Beschluss vom 20. Dezember 2004 - 1 TE 3124/04 - [...]) war in beamtenrechtlichen Konkurrenteneilverfahren bei der Streitwertfestsetzung gemäß § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Sätze 2 und 4 GKG der halbe Jahresbetrag der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme der nicht ruhegehaltfähigen Zulagen zunächst zugrunde zu legen und im Hinblick darauf, dass die mit dem Eilverfahren korrespondierende Hauptsache auf die Neubescheidung des Beförderungsbegehrens gerichtet wäre, um ein Viertel zu reduzieren und im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Eilentscheidung nochmals zu halbieren. Der Senat hat daher in diesen Verfahren regelmäßig den Streitwert auf 3/8 des halben Jahresbetrages der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge (mit Ausnahme der nicht ruhegehaltfähigen Zulagen) festgesetzt. Bezogen auf den vorliegenden Fall hätte sich somit bei Anwendung der Rechtsprechung des Senats ein Streitwert von 9.328,65 € ergeben, also die Hälfte des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwertes, da das Verwaltungsgericht 3/8 des vollen Jahresbetrages der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge (statt eines halben Jahresbetrages) seiner Berechnung zugrunde gelegt hat.
10
Der Senat nimmt die vorliegende Beschwerde zum Anlass, seine Rechtsprechung zur Streitwertfestsetzung in beamtenrechtlichen Konkurrenteneilverfahren generell zu überprüfen. Er schließt sich im Ergebnis der großen Mehrzahl der Oberverwaltungsgerichte an, die in beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren ein Viertel des Jahresbetrages der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge (mit Ausnahme der nicht ruhegehaltfähigen Zulagen) festsetzen.
11
Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte zum Streitwert in beamtenrechtlichen Konkurrenteneilverfahren ist uneinheitlich. Während der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sowie das Oberverwaltungsgericht Sachsen in diesen Fällen den (ungekürzten) Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 1 GKG zugrunde legen (Bay. VGH, Beschluss vom 16. April 2013 - 6 C 13.284, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. April 2013 - 4 S 439/13, Sächsisches OVG, Beschluss vom 5. Juni 2009 - 2 B 282/09 - jeweils [...]), ziehen die anderen Oberverwaltungsgerichte ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht die als beamtenrechtliche Spezialvorschrift anzusehende Regelung des § 52 Abs. 5 GKG heran (BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2013 - 2 VR 1.13; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 2 B 19/10; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24. Mai 2012 - 2 M 15/12; OVG Hamburg, Beschluss vom 14. September 2012 - 5 Bs 176/12, OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. November 2012 - 2 B 10778/12; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16. Mai 2012 - 5 ME 92/13; , OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 B 691/12, OVG Saarland, Beschluss vom 21. Juni 2013 - 1 B 311/13, OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 3 O 11/06, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des 6. Senats vom 23. August 2013 - OVG 6 L 56.13 - jeweils [...]; a.A., OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des 4. Senats vom 12. September 2013 - OVG 4 L 23.13 - [...]). Dabei ergibt sich aus Satz 4 dieser Vorschrift, dass der nach § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG maßgebliche Betrag (somit der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme der nicht ruhegehaltfähigen Zulage) auf die Hälfte zu reduzieren ist, wenn das Verfahren - wie beinahe stets - die Verleihung eines anderen Amtes betrifft. Diesen Wert setzen die Oberverwaltungsgerichte Saarland und Niedersachsen (jeweils a.a.O.) als Streitwert in beamtenrechtlichen Konkurrenteneilverfahren fest. Dieser Wert ist nach Auffassung der übrigen oben genannten Oberverwaltungsgerichte, denen sich der beschließende Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes anschließt, jedoch zu halbieren. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass durch die das Eilverfahren zu sichernde Klage im Hauptsacheverfahren allenfalls erreicht werden kann, dass über die Bewerbung des Antragstellers nach Durchf ührung eines neuen Auswahlverfahrens erneut entschieden wird. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, den sich aus § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 4 GKG ergebenden Streitwert in Anwendung der Empfehlung in Nr. 10.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Fassung 2013 (NVwZ-Beilage 2 - 2013, 57) nochmals zu halbieren, so dass sich letztlich ein Viertel des nach § 52 Abs. 5 Satz 1 GKG maßgeblichen Streitwertes ergibt.
12
Bezogen auf die durch das Eilverfahren zu sichernde Klage im Hauptsacheverfahren, die - wie oben dargelegt- nur auf eine Neubescheidung gerichtet sein könnte, wird durch die gerichtliche Entscheidung über den Konkurrenteneilantrag in der Regel die Hauptsache fast vollständig vorweggenommen. Daher ist der Streitwert entsprechend der Empfehlung in Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht nochmals zu reduzieren (ebenso OVG Thüringen, a.a.O. sowie der 6. Senat des OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Soweit die Oberverwaltungsgerichte Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) den Streitwert wegen der Vorläufigkeit der Eilentscheidung halbieren, lehnen diese Gerichte eine Reduzierung des Streitwertes im Hinblick auf den Gesichtspunkt, dass die in der Hauptsache zu sichernde Klage nur auf Neubescheidung gerichtet wäre, ab, so dass sie im Ergebnis ebenso wie der beschließende Senat ein Viertel des nach § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG maßgeblichen Betrages als Streitwert festsetzen.
13
Aufgrund der mithin geänderten Rechtsprechung des Senats beträgt der Streitwert in Konkurrentenverfahren nunmehr nicht 3/16, sondern ein Viertel des nach § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG maßgeblichen Betrages. Daher war der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert von 18.657,32 € auf den Betrag von 12.438,21 € herabzusetzen. Die weitergehende Beschwerde, durch die der Antragsgegner eine weitere Halbierung des Streitwertes erreichen wollte, ist im Hinblick auf die in beamtenrechtlichen Konkurrenteneilverfahren erfolgende Vorwegnahme der Hauptsache nicht begründet.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.
15
Dieser Beschluss ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.