21.04.2015 · IWW-Abrufnummer 144278
Landgericht Neuruppin: Beschluss vom 11.11.2013 – 11 Qs 18/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Neuruppin
Beschl. v. 11.11.2013
Az.: 11 Qs 18/13
Tenor:
In der Strafsache
g e g e n .........
w e g e n Volksverhetzung
Beschwerdeführerin:
Rechtsanwältin .......................
wird die Beschwerde der ehemaligen Pflichtverteidigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Perleberg vom 30.11.2010 als unbegründet verworfen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerdeführerin hat mit Antrag vom 13.10.2008 die Festsetzung ihrer Pflichtverteidigervergütung für die Berufungsinstanz beantragt. Unter anderem beansprucht sie einen Bruttobetrag von 213,96 EUR für die Fertigung von 1082 Kopien. Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.04.2009 ist die Festsetzung dieses Betrages gegen die Landeskasse abgelehnt worden. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat mit ausführlichem richterlichen Beschluss vom 30.11.2010 die Erinnerung als unbegründet verworfen. Auf den Wortlaut des Beschlusses und der Beschwerdeschriften wird Bezug genommen. Der Bezirksrevisor hat mit Schriftsatz vom 18.02.2010 der Festsetzung der Kopierkosten widersprochen, weil die Erforderlichkeit des Kopierens ganzer weiterer Akten nicht plausibel vorgetragen sei. Die Beschwerdeführerin trägt im Wesentlichen vor, dass es allein Sache der Verteidigerin sei zu entscheiden, welche und wieviele Kopien aus den Akten zur sachgerechten Verteidigung erforderlich seien.
Die gegen den richterlichen Beschluss erhobene Beschwerde ist unbegründet.
§ 46 Abs. 1 RVG bestimmt für die Fälle beigeordneter oder bestellter Rechtsanwälte, dass deren Auslagen (nur dann) nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Nach herrschender Meinung ist aus dieser gesetzlichen Formulierung zu folgern, dass die Staatskasse die Beweislast trägt, soweit sie bestimmte Auslagen nicht für erforderlich hält (Hartmann Kostengesetze 42. Auflage 2012 § 46 RVG Rdn. 9; Gerold/Schmidt RVG 20. Aufl. 2012 § 46 Rdn. 81).
Dies entlastet allerdings den Rechtsanwalt nicht von der Darlegungslast. Im Kostenfestsetzungsverfahren trifft den Rechtsanwalt die Verpflichtung darzulegen, welche Schriftstücke oder Gruppen von Schriftstücken er zu kopieren für erforderlich gehalten hat. Denn es ist allgemein anerkannt, dass das Kopieren ganzer Akten, ohne zu differenzieren, welche Schriftstücke in Kopie benötigt werden, nicht zu einem Erstattungsanspruch nach Nr. 7000 VV RVG führt. Insbesondere bedarf es keiner Kopie selbst gefertigter Schriftstücke, die sich in den Gerichtsakten wiederfinden, oder solcher Schriftstücke aus den Gerichtsakten, von denen der Rechtsanwalt Abschriften seitens des Gerichts zu seinen Akten erhalten hat (vgl. hierzu Hartmann Kostengesetze 42. Auflage 2012 Nr. 7000 VV RVG Rdn. 6). Daher ist der Rechtsanwalt verpflichtet darzulegen, aus welchen Akten oder Aktenbänden er welche Seiten kopiert hat. Anderenfalls ist der Vertreter der Landeskasse nicht in der Lage, die Erforderlichkeit einzelner Kopien zu bestreiten und deren Überflüssigkeit zu beweisen.
Für die Kostenfestsetzungspraxis bedeutet dies, dass der Rechtspfleger als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle den Kostenfestsetzungsantrag vor der Festsetzung dem Bezirksrevisor vorlegen muss, damit dieser in der Lage ist, den Antrag auf Erstattung von Auslagen zu prüfen und notfalls deren Überflüssigkeit zu behaupten und zu beweisen. Der Rechtspfleger darf sich nicht an die Stelle des Bezirksrevisors setzen. Er hat grundsätzlich zwischen beiden Parteien Neutralität zu wahren. Soweit es nur um geringe Kopierkosten geht, die zudem plausibel erscheinen, mag von dieser Verfahrensweise abgesehen werden.
Im vorliegenden Fall ging es allerdings um Kopierkosten von über 200 EUR. Die Beschwerdeführerin ist ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, so dass der Urkundsbeamte den Antrag insoweit auch ohne vorherige Anhörung des Bezirksrevisors als unschlüssig hat behandeln dürfen. Es ist nicht die Aufgabe des Bezirksrevisors und erst Recht nicht die des Rechtspflegers und des Richters, den gesamten Aktenbestand durchzuarbeiten, um zu prüfen, ob das Kopieren von 1082 Seiten erforderlich war.