25.06.2015 · IWW-Abrufnummer 144762
Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 05.03.2015 – 1 Ws 87/15
Die Aktenversendungspauschale fällt auch nach der durch das am 01.08.2013 in Kraft getretene 2. KostRModG vom 23.07.2013 (BGBl. I, S. 2586) erfolgten Neufassung des Auslagentatbestandes der Nr. 9003 KV-GKG an, wenn auf Ersuchen eines Rechtsanwalts die Akten zum Zwecke der Gewährung von Akteneinsicht durch Inanspruchnahme eines externen Postdienstleisters an das Gerichtsfach des Rechtsanwalts bei einem auswärtigen Gericht übersandt werden.
Oberlandesgericht Bamberg
Beschl. v. 05.03.2015
Az.: 1 Ws 87/15
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Landgerichts vom 12. Januar 2015 aufgehoben und wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 31.10.2014 als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
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In dem zugrundeliegenden Verfahren ermittelte die Staatsanwaltschaft unter anderem gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. In diesem Ermittlungsverfahren gab der Beschuldigte zugleich an, Geschädigter einer gefährlichen Körperverletzung durch die ebenfalls Beschuldigten F.Q. und N.Q. gewesen zu sein. Mit Verfügung vom 06.08.2014 wurde das Ermittlungsverfahren gegen diese gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Mit Schriftsatz vom 21.08.2014 meldete sich Rechtsanwalt B. aus G. für den Beschuldigten und legte gegen die Einstellungsverfügung Beschwerde ein. Zugleich beantragte er Akteneinsicht durch Facheinlage bei dem für seinen Kanzleisitz örtlich zuständigen Amtsgericht G. Die Akten wurden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 27.08.2014 an Rechtsanwalt B. durch einen externen Postdienstleister versandt und beim Amtsgericht G. in das Gerichtsfach des Rechtsanwalts eingelegt. Zugleich wurde Rechtsanwalt B. zur Zahlung der Versendungspauschale in Höhe von 12 EUR (KV 9003 GKG) an die Landesjustizkasse aufgefordert. Rechtsanwalt B. wandte sich mit Schriftsatz vom 02.09.2014 gegen die Geltendmachung der angeforderten Aktenversendungspauschale. Das Amtsgericht E. hat mit Beschluss vom 31.10.2014 die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen den Kostenansatz der Staatsanwaltschaft vom
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27.08.2014 als unbegründet zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts, der das Amtsgericht E. mit Beschluss vom 21.11.2014 nicht abgeholfen hat, hat das Landgericht mit Beschluss vom 12.01.2015 den Beschluss des Amtsgericht E. vom 31.10.2014 aufgehoben und der Erinnerung des Rechtsanwalts gegen den Kostenansatz abgeholfen und die weitere Beschwerde zugelassen. Der Beschluss des Landgerichts wurde allein der Staatsanwaltschaft am 26.01.2015 mitgeteilt. Mit Verfügung vom gleichen Tag hat die Staatsanwaltschaft gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts weitere Beschwerde eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 06.02.2015 beantragt, auf die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die Erinnerung des Rechtsanwalts als unbegründet zurückzuverweisen. Die Akten wurden durch den Senat am 16.02.2015 dem Bezirksrevisor bei dem Landgericht vorgelegt, der mit Verfügung vom 20.02.2015 namens der Staatskasse beantragt hat, der weiteren Beschwerde der Staatsanwaltschaft stattzugeben, den Beschluss des Landgerichts vom 12.01.2015 aufzuheben und die Erinnerung des Rechtsanwalts B. gegen den Kostenansatz als unbegründet zurückzuweisen.
II.
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Die weitere Beschwerde der Staatskasse ist gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG zulässig, weil das Landgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat.
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1. Zwar wird nach den §§ 1 Nr. 1d i.V.m. 4 Abs. 1 Nr. 7b der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 04.10.1995 (BayVertrV; BayGVBl. 1995, 733) der Freistaat Bayern vor den ordentlichen Gerichten auch in Verfahren, welche die der Staatskasse gebührenden oder zur Last fallenden Kosten sowie kostenrechtlichen Vergütungen und Entschädigungen aller Art vor den Amts- und Landgerichten und bei der Anfechtung ihrer Entscheidungen auch vor den höheren Gerichten durch den Bezirksrevisor bei dem Landgericht vertreten, weshalb die Mitteilung der Entscheidung des Landgerichts an die Staatsanwaltschaft unwirksam war.
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2. Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht hat jedoch mit seiner Verfügung vom 20.02.2015 die Rechtsmitteleinlegung durch die Staatsanwaltschaft genehmigt und damit -konkludent - auf jegliche Rügen verzichtet. Durch diese Stellungnahme des zur Vertretung berufenen Bezirksrevisors ist die Einlegung der weiteren Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft nachträglich geheilt und als solche ex tunc wirksam. Sie gilt damit als weitere Beschwerde der Staatskasse.
III.
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Die weitere Beschwerde der Staatskasse hat in der Sache auch Erfolg.
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1. Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung mit drei Richtern, da die angefochtene Entscheidung nicht von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen worden ist, sondern von der Großen Strafkammer mit drei Berufsrichtern (§§ 66 Abs. 6 Satz 1 GKG, 122 Abs. 1 GVG).
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2. Im Rahmen des dem Senat gemäß §§ 66 Abs. 4 Satz 2 GKG, 546, 547 ZPO obliegenden Prüfungsumfangs hält die angefochtene Entscheidung dieser Überprüfung nicht stand, weil sie nicht im Einklang mit der Neufassung der Nr. 9003 KV-GKG durch das am 01.08.2013 in Kraft getretene 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz [2. KostRModG] vom 23.07.2013 (BGBl. I, S. 2586) steht.
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a) Nach diesem Auslagentatbestand wird eine "Pauschale für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen an Transport- und Verpackungskosten je Sendung" in Höhe von 12,00 € erhoben. Insoweit hat das Landgericht im angefochtenen Beschluss vom 12.11.2014 ausgeführt, dass nach der Neufassung von Nr. 9003 KV- GKG davon auszugehen sei, dass die Aktenversendungspauschale bei Gewährung von Akteneinsicht über ein Gerichtsfach eines Rechtsanwalts nicht mehr erhoben werden könne, wobei es unerheblich sei, ob sich das Gerichtsfach in einem anderen Gebäude bzw. an einem anderen Ort als die aktenführende Stelle befinde. Es stützt sich insoweit auf die Rechtsauffassung des OLG Köln (Beschluss vom 16.10.2014 - 2 Ws 601/14 u.a. = StraFo 2015, 40 [OLG Köln 16.10.2014 - 2 Ws 601/14] = AGS 2014, 513) und des OLG Koblenz (Beschluss vom 20.03.2014 - 2 Ws 134/14 = JurBüro 2014, 379 = AnwBl 2014, 657).
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aa) Die von den genannten Oberlandesgerichten (a.a.O.) getroffenen Entscheidungen sind jedoch mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar: Im Fall des OLG Koblenz (a.a.O.) wurden die Akten zur Einsicht an den Verteidiger durch Justizbedienstete vom Bürogebäude der Staatsanwaltschaft mit dem Dienstwagen zum Landgerichtsgebäude verbracht und dort in das Gerichtsfach des Verteidigers eingelegt. Wie genau die Akten im Fall des vom OLG Köln entschiedenen Verfahrens zur Akteneinsicht an den Verteidiger transportiert wurden, erschließt sich aus der Entscheidung nicht eindeutig. Es wird jedoch dort ausgeführt, dass die Akte nicht mittels Einzeltransport, sondern im Rahmen von Sammeltransporten zwischen verschiedenen Justizgebäuden befördert wurden und insoweit (nur) justizinterne Transportkosten angefallen sind. In beiden Entscheidungen wird überdies ausdrücklich ausgeführt, dass unter dem Begriff der Auslagen im Sinne von Nr. 9003 KV-GKG die auf den konkreten Versendungsvorgang im Einzelfall bezogenen und neben anfallenden Gebühren gesondert bezifferbaren Geldleistungen für Transport und Verpackung zu verstehen sind, für die die Justizkasse in Vorleistung tritt. Gerade deswegen - so beide Gerichte (jeweils a.a.O.) - unterfielen aber die Kosten für den Transport von Akten durch Justizbedienstete mit dem Dienstwagen zwischen einzelnen Justizstandorten nicht dem Auslagenbegriff in Nr. 9003 KV-GKG.
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bb) Im hier durch den Senat zu beurteilenden Fall wurden aber die Akten in das Gerichtsfach des Rechtsanwalts bei einem anderen (auswärtigen) Gericht nicht durch Justizmitarbeiter im Dienstwagen befördert, sondern es wurde ein externer Postdienstleister mit der Versendung beauftragt. Hierfür hat der externe Postdienstleister Kosten erhoben, für die die Gerichtskasse in Vorleistung getreten ist. Für jede mittels Sammelpost über einen externen Postdienstleister versandte Akte fallen aber konkret feststellbare Kosten an, für die die Staatskasse in Vorleistung getreten ist. Der externe Postdienstleister stellt jedes Paket der Justizbehörde gesondert in Rechnung. Daher verursacht jede Aktenversendung über einen externen Postdienstleister einen konkreten, grundsätzlich bezifferbaren Geldbetrag.
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cc) Um den Verwaltungsaufwand der konkreten Zuordnung der Kosten zu ersparen, sieht die Regelung Nr. 9003 KV-GKG eine pauschale Abrechnung vor. Hierbei darf es keinen Unterschied machen, ob am Ende des Zustellungsvorgangs über einen externen Postdienstleister ein anwaltliches Gerichtsfach oder ein anwaltlicher Briefkasten an den Kanzleiräumen steht. Denn die Kosten des externen Postdienstleisters fallen unabhängig davon an.
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b) Nur diese Rechtsauffassung entspricht dem Gesetzeswortlaut und der Intention des Gesetzgebers des 2. KostRModG. So hat der Rechtsausschuss im Vermittlungsverfahren in der letztlich angenommenen Begründung zum geänderten Wortlaut ohne Anhebung des Pauschalbetrags (vgl. BT-Drucksache 17/13537, S. 276 f.) ausgeführt, dass mit der Pauschale der Ersatz "barer Auslagen" gemeint ist, womit der justizinterne Verwaltungsaufwand ausdrücklich ausscheidet. Solche baren Kosten sind vorliegend aber im Rahmen der Aktenversendung auch an das Gerichtsfach des Rechtsanwalt bei einem auswärtigen Gericht durch Beauftragung eines externen Postdienstleisters angefallen, womit die Geltendmachung der Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 € nach Nr. 9003 KV-GKG zurecht erfolgt ist.
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3. Nach alledem verbleibt es bei dem die Erinnerung zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts E. vom 31.10.2014.
IV.
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Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).