19.01.2016 · IWW-Abrufnummer 146175
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 23.01.2014 – 12 WF 168/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
12 WF 168/13
Tenor:
Auf die Beschwerde des erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin Rechtsanwalt S wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Brühl vom 19.02.2013 in Verbindung mit der Teilabhilfeentscheidung vom 17.10.2013 (AZ.: 33 F 277/08) teilweise abgeändert.
Der Gegenstandswert für den Vergleich wird auf insgesamt 124.100,95 € festgesetzt. Darin enthalten ist ein Mehrwert nichtrechtshängiger Ansprüche von 10.944,95 €.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
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G r ü n d e
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I.
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Die Antragstellerin hatte im zugrundeliegenden Scheidungsverbundverfahren mit Schriftsatz vom 25.02.2009 einen Stufenantrag zum Zugewinn gestellt, mit dem von dem Antragsgegner Auskunft über sein Endvermögen zum Stichtag 18.02.2009, eine Bewertung der Gegenstände und nach Auskunftserteilung eine noch zu beziffernde Zahlung eines Zugewinnausgleichsbetrages verlangt wurde. Unter dem 09.10.2009 wurde der Auskunftsantrag erweitert auf den Zeitpunkt der Trennung. Der Antragsgegner stellte seinerseits unter dem 27.11.2009 einen Antrag auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 105.206 €. In der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2013 schlossen die Beteiligten zur Erledigung der Folgesache Zugewinn einen Vergleich. Sie einigten sich weiter darauf, dass der Hausrat geteilt sei und keine wechselseitigen Ansprüche bestehen, der PKW K im Eigentum der Antragstellerin stehe, der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werde und sich die Antragstellerin verpflichte, dem Antragsgegner ihren Gesellschaftsanteil an der G GmbH unter Freistellung von etwaigen Verbindlichkeiten und Haftungsansprüchen zu übertragen. Anschließend hat das Amtsgericht einen Scheidungsbeschluss erlassen und den Verfahrenswert für das Verfahren wie folgt festgesetzt:
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für die Ehescheidung 9.750 €
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für den Versorgungsausgleich 1.950 €
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für den Hausrat 3.000 €
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für den Zugewinnausgleich 105.206 €.
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Den Verfahrenswert für den Vergleich setzte das Amtsgericht auf insgesamt 110.156 € fest, bestehend aus 1.950 € für die Einigung zum Versorgungsausgleich, 3.000 € für den Hausrat und 105.206 € für den Zugewinn.
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Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin unter dem 10.06.2013 Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerde hat er eine Erhöhung des Verfahrenswertes für den Vergleich angestrebt und dazu ausgeführt, dieser sei für Ziffer 3 ( betreffend den K) und Ziffer 5 (betreffend die Übertragung des Gesellschaftsanteils) höher zu bewerten. Die Antragstellerin habe das Fahrzeug im Verfahren mit 18.000 € bewertet, die Übertragung der Gesellschaftsanteile sei wenigstens mit dem hälftigen Mindeststammkapital von 12.500 € zu berücksichtigen. Weiter hat er darauf verwiesen, dass der Zugewinnausgleichsantrag der Antragstellerin nicht berücksichtigt worden sei. Diese habe außergerichtlich zuletzt den eigenen Zugewinnausgleichsanspruch mit 60.110,86 € beziffert.
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.10.2013 der Beschwerde teilweise abgeholfen. Für die Einigung über den Jeep hat das Amtsgericht einen Verfahrenswert von 1.000 € und für die Übertragung der Gesellschaftsanteile eine Erhöhung um 9.944,95 € vorgenommen, ausgehend von einem Buchwert der Gesellschaft von 19.889,89 €. Eine Erhöhung des Wertes für die Position Zugewinn hat das Amtsgericht abgelehnt mit der Begründung, eine Zusammenrechnung des seitens der Antragstellerin gestellten Auskunftsantrages und des von dem Antragsgegner geltend gemachten Zahlungsantrages sei nicht vorzunehmen, da nach § 39 Abs.1 S. 3 FamGKG eine Zusammenrechnung nicht stattfinde, wenn die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. Eine solche wirtschaftliche, kostenrechtliche Identität liege dann vor, wenn Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass das Gericht unter Umständen beiden stattgeben könne, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrages nach sich ziehe. Diese Fallgestaltung sei vorliegend gegeben, weil es ausgeschlossen sei, dass beide Beteiligten gleichzeitig mit ihrem Zahlungsantrag durchgedrungen wären. Der Zugewinnausgleich finde immer nur in eine Richtung statt. Für den Auskunftsantrag sei zudem schon grundsätzlich kein isolierter Wert festzusetzen, da der Verfahrenswert für den Fall, dass der Auskunftsantrag nicht weiterverfolgt werde, nicht höher liege könne als bei einer Bezifferung vor Vergleichsabschluss.
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II.
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Die gemäß §§ 59 Abs.1 S.1 und 3, 55 Abs.3 S.2 FamGKG, § 111 Abs.5 FGG-RG fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des in erster Instanz für die Antragstellerin tätig gewordenen Verfahrensbevollmächtigten ist teilweise begründet.
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a.-
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Die angegriffene Festsetzung des Verfahrenswertes für den Vergleich ist betreffend den Verfahrensgegenstand Zugewinn zu erhöhen. Die Voraussetzung des § 39 Abs.1 S.1 FamGKG liegt vor. Danach werden mit einem Klage- und Widerklageantrag geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet. Dies gilt nur dann nicht nach § 39 Abs.1 S. 3 FamGKG, wenn die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. In Zugewinnausgleichsverfahren, in denen gegenseitig Zahlungsansprüche geltend gemacht werden, ist nicht von demselben Gegenstand auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Ansprüche gegenseitig ausschließen, weil gleichwohl eine wirtschaftliche Identität der Gegenstände nicht gegeben ist.
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Die Frage, ob gegenseitig geltend gemachte Zugewinnausgleichsansprüche bei der Wertfestsetzung zusammen zurechnen sind, wird in Rechtsprechung und Kommentarliteratur unterschiedlich beantwortet. Überwiegend wird allerdings eine Wertaddition vorgenommen ( so Schneider/Volpert/Fölsch FamGKG 2. Aufl. § 39 Rn.18 und § 52 Rn. 69,70 m.w.N.; Schneider/Herget Streitwertkommentar 13. Aufl. Rn. 9102; Thorsten Schmidt in jurisPK-BGB 6. Aufl. 2012 Bd.4 Kostenrechtliche Hinweis in Familiensachen Rn 95; Lappe Kosten in Familiensachen 5. Aufl. 1994 rn. 36; OLG Köln OLGR 1994,102; OLG Köln OLGR 2001,9; OLG München FamRZ 1997,41; OLG Stuttgart FamRZ 2006,1055; OLG Celle FamRZ 2011,134-136). Begründet wird die Zusammenrechnung damit, im Falle der Klage/Antrag brauche das Gericht nur darüber zu entscheiden, dass der Zugewinn des einen Partners den des Anderen nicht übersteige. Bei einem Widerantrag sei indes zusätzlich zu prüfen, ob und in welcher Größenordnung der Zugewinn des Widerklägers niedriger ist. Das Mehr der Klage oder das Weniger der Widerklage betreffe daher verschiedene Teile des Streitgegenstandes. Die Gegenmeinung (OLG Düsseldorf Beschluss vom 14.06.1993 AZ.: 5 WF 91/93 ; OLG München Beschluss vom 09.08.2006 AZ.: 10 WF 154/06; beide abgedruckt unter www.juris.de ) stellt darauf ab, dass der Zugewinnausgleichsanspruch nur in einer Richtung begründet sein könne und nach der von der Rechtsprechung entwickelten „Identitätsformel“ eine Zusammenrechnung dann nicht vorzunehmen sei, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen könnten, dass das Gericht unter Umständen beiden stattgeben kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich ziehe. Zwar besage die auf Zugewinn gerichtete Klage nichts darüber, ob nicht dem widerklagenden Ehegatten seinerseits ein Zugewinnausgleichsanspruch zustehe. In allen Fällen desselben Streitgegenstandes könne aber bei wechselseitigen Abrechnungsposten das Ergebnis, dass nicht der eine Ehegatte, sondern der Gegner ein Guthaben habe, Rechtskraftwirkung nur auf eine Widerklage erlangen. Eine Vergleichbarkeit mit wechselseitig erhobenen Abänderungsklagen sei daher nicht gegeben, da dort Streitgegenstand die jeweils verlangte Abweichung von bereits festgelegtem Unterhalt sei, für deren Zulässigkeit und Begründetheit gesonderte Voraussetzungen zu prüfen seien.
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Der Senat schließt sich der überwiegenden Meinung an, die eine Wertaddition in Fällen vorliegender Art vornimmt. Für die erforderliche wirtschaftliche Betrachtungsweise ist entscheidend, dass hier nicht nur eine Abwehr des gegnerischen Zahlungsantrages zur Entscheidung ansteht, sondern bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise maßgebend ist, dass das Interesse der Beteiligten einerseits in der Abwehr der gegnerischen Forderung besteht, zudem aber auch eigene Ansprüche verfolgt werden. Wirtschaftlich geht es in diesen Fällen um die gesamte Differenz der von beiden Beteiligten ihrer Antragsberechnung zugrunde gelegten Beträge, die eine Prüfung der einzelnen Vermögenspositionen, die nicht unbedingt in Antrag und Widerantrag identisch sein müssen, erfordert und eine entsprechende Rechtskrafterstreckung bewirkt.
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Eine Zusammenrechnung hat auch dann zu erfolgen, wenn einerseits Zahlung und andererseits im Wege des Widerantrages ein Stufenantrag mit einem unbezifferten Zahlungsantrag gestellt wird. Mit der Beantragung des Stufenverfahrens wird nicht nur der Auskunfts-, sondern auch bereits der Leistungsanspruch anhängig. Der Gegenstandswert für den Stufenantrag richtet sich gemäß § 38 FamGKG nach dem höchsten der geltend gemachten Ansprüche. Bei einem unbezifferten Zahlungsanspruch ist maßgeblich auf die Erwartungen des Antragstellers bei Einreichung des Antrages abzustellen und nicht auf die am Ende der Instanz maßgebenden Erkenntnisse. Wird ein Stufenantrag nicht weiterverfolgt oder sind keine ausreichenden Anhaltspunkte vorhanden, die Rückschlüsse auf die Vorstellungen des Antragstellers ermöglichen, ist gegebenenfalls der Gegenstandswert des unbezifferten Zahlungsanspruchs nach § 42 FamFGKG zu schätzen (Schneider/Thiel Streitwertkommentar 13. Aufl. Rn. 8235,8236; Thorsten Schmidt aaO Rn 89 ff). Ohne Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Verfahrenswertes zum Zeitpunkt der Anhängigkeit ist von einem Auffangwert von 3.000 € nach § 42 Abs.3 FamGKG auszugehen. Der Stufenantrag der Antragstellerin vom 25.02.2009 enthält keine Angaben zur Höhe eines etwaigen Zahlungsanspruchs. Eine vorgerichtliche Korrespondenz, aus der sich die Erwartungen der Antragstellerin ergeben könnten, liegt nicht vor. Die in späteren außergerichtlichen Schreiben der Antragstellerin genannten Beträge von 7.012,28 € und vom 05.06.2012 von 60.110,86 € sowie in einem Schriftsatz vom 27.06.2011 erwähnten 175.000 € sind erst nach Einleitung des Stufenantrages im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens genannt worden und daher für den Zeitpunkt der Anhängigkeit nicht entscheidend. Angesichts dessen ist die Bewertung nach § 42 Abs.3 FamGKG mit 3.000 € vorzunehmen.
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Der Gegenstandswert für das Zugewinnverfahren ist daher aus dem Betrag von 3.000 € für den Antrag der Antragstellerin und dem bezifferten Zahlungsantrag des Antragsgegners in Höhe von 105.206 € zu ermitteln und beträgt insgesamt 108.206 €.
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b.-
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Eine Erhöhung der Werte für die Einigung über das Eigentum an dem Pkw K ist über die bereits durch die Teilabhilfeentscheidung erfolgte Berücksichtigung hinaus nicht vorzunehmen. Der Senat schließt sich dazu den Ausführungen des Amtsgerichts in der Abhilfeentscheidung vom 17.10.2013 an, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
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c.-
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Die Bewertung der Einigung über die Übertragung der Gesellschaftsanteile in der Teilabhilfeentscheidung ist ebenfalls sachgerecht. Der Wert einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen richtet sich nicht nach dem Nominalwert des Geschäftsanteils, sondern bestimmt sich nach dem Verkehrswert (Schneider/Kurpat aaO Rn. 2616). Mangels Angaben zum Verkehrswert kann auch hier nur eine Bestimmung nach § 42 Abs. 1 FamGKG vorgenommen werden. Soweit das Amtsgericht sich dazu an dem Buchwert, der sich aus dem Jahresabschluss per 31.12.2008 ergibt, orientiert hat, ist dies nicht zu beanstanden. Die von dem Beschwerdeführer zugrundegelegte Mindeststammkapitaleinlage besagt demgegenüber nichts über den Verkehrswert einer Gesellschaft aus.
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Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 55 Abs. 3 FamGKG. Danach ist das Verfahren gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
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Rechtsbehelfsbelehrung:
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).