23.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146651
Oberlandesgericht Rostock: Beschluss vom 28.03.2011 – 3 W 52/11
Eine Partei selbst wird regelmäßig nur durch einen zu hohen, nicht jedoch durch einen zu niedrig festgesetzten Streitwert beschwert.
Oberlandesgericht Rostock
Beschl. v. 28.03.2011
Az.: 3 W 52/11
In dem Rechtsstreit
L. Sch.
- Kläger und Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt St.
- Beschwerdeführer -
g e g e n
U. L.
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte L. & Kollegen,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock
am 28.03.2011
b e s c h l o s s e n :
Tenor:
1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 27.01.2011 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 27.01.2011 wird als unzulässig verworfen.
3. Das Beschwerdeverfahren ist jeweils gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1
I. Mit Schriftsatz vom 03.06.2010 beantragte der Kläger beim Amtsgericht Ribnitz-Damgarten Prozesskostenhilfe und erhob für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Klage auf Feststellung, dass er zu 1/8 Miterbe nach seinem Vater E. L. ist. Nach diversem Schriftsatzwechsel und Abgabe der Sache an das Landgericht Stralsund teilte der Kläger mit Schriftsatz vom 27.12.2010 mit, dass sich die Parteien verglichen hätten und bat darum, nunmehr über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. Die Beklagte bestätigte mit Schriftsatz vom 05.01.2011 den Abschluss des Vergleichs und teilte mit, dass der Vergleichsbetrag i. H. v. 15.000,00 EUR bereits am 27.12.2010 zu Anweisung gebracht worden sei und sich die Parteien darauf geeinigt hätten, dass jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst trage und demzufolge wechselseitig keine Kostenanträge gestellt würden.
2
Daraufhin bewilligte das Landgericht mit Beschluss vom 07.01.2011 antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers.
3
Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Landgericht mit Beschluss vom 27.01.2011 den Streitwert auf 5.621,06 EUR festgesetzt.
4
Gegen diesen Beschuss, der ihm am 31.01.2011 zugestellt worden ist, wendet sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seiner am 10.02.2011 eingegangenen Beschwerde, mit der er die Festsetzung eines Streitwertes von 15.000,00 EUR begehrt.
5
Nach Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts vom 07.03.2011 und Vorlage der Sache an das Oberlandesgericht hat der Kläger durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.03.2011 ausgeführt, er habe einen Anspruch darauf, dass der Gegenstandswert ordnungsgemäß entsprechend den Vorschriften festgesetzt werde. Die Beschwer des Klägers liege darin, dass das Landgericht das Gesetz, nämlich § 3 ZPO, unter Berücksichtigung des klägerischen Interesses nicht richtig angewandt habe.
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Abgesehen davon sei eine ordnungsgemäße Festsetzung des Gegenstandswertes auch erforderlich, damit der Rechtsanwalt in die Lage versetzt werde, ordnungsgemäß nach den Bestimmungen des RVG abzurechnen. Dies gelte auch für den im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt. Darüber hinaus könne nicht ausgeschlossen werden, dass der zuständige Rechtspfleger gem. § 124 Abs. 4 ZPO eine Zahlungsanordnung treffen werde. Im Hinblick auf das Risiko der drohenden Zahlungsbestimmung nach § 120 Abs. 4 ZPO wegen der Zahlung der Vergleichssumme sei der Beschwerdewert daher nach der Differenz der regelmäßigen Wahlanwaltsgebühren zu bemessen.
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II. 1. Unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 21.03.2011 muss davon ausgegangen werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht nur im eigenen Namen, sondern nunmehr auch im Namen des Klägers selbst Streitwertbeschwerde einlegen will.
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Diese auf die Festsetzung eines höheren Streitwertes gerichtete Beschwerde ist jedoch mangels Beschwer bereits deshalb unzulässig, weil eine Partei selbst regelmäßig nur durch einen zu hohen, nicht jedoch durch einen zu niedrig festgesetzten Streitwert beschwert wird (vgl. BGH, Beschl. v. 12.02.1986, IV a ZR 138/83, NJW-RR 1986, 737 [BGH 12.02.1986 - IVa ZR 138/83]; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 68 GKG Rn. 5 m. w. N.). Für eine - denkbare - Ausnahme (vgl. Hartmann aaO.) ist hier nichts ersichtlich.
9
2. Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im eigenen Namen erhobene Streitwertbeschwerde ist ebenfalls unzulässig, weil der notwendige Beschwerdewert von 200,00 EUR, sei es gem. §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 S. 1 GKG oder gem. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG, nicht überschritten wird.
10
Dem Kläger ist mit Beschluss des Landgerichts vom 07.01.2011 - mangels anderweitiger Festlegungen rückwirkend auf den Tag der Antragstellung (vgl. hierzu nur Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 119 Rn. 39 m. w. N.) - Prozesskostenhilfe bewilligt worden unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Infolge dessen kann der beigeordnete Prozessbevollmächtigte des Klägers Ansprüche auf Vergütung nicht gegen den Kläger geltend machen, § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Vielmehr erhält der beigeordnete Prozessbevollmächtigte des Klägers die Vergütung gem. § 45 Abs. 1 RVG aus der Landeskasse. Die aus der Staatskasse zu vergütenden Gebühren, die sich - wie hier - nach dem Gegenstandswert bestimmen, richten sich abweichend von den Gebühren des Wahlanwalts gem. § 13 Abs. 1 RVG nach der Tabelle gem. § 49 RVG. Die Differenz zwischen den in Betracht kommenden Gebühren nach § 49 RVG aufgrund des vom Landgericht festgesetzten Streitwertes und des vom Prozessbevollmächtigten des Klägers für richtig gehaltenen Gegenstandswertes, die den Beschwerdewert darstellt, erreicht die Wertgrenze von 200,00 EUR bei Weitem nicht.
11
Soweit in der Rechtsprechung und Literatur vertreten wird, dass auch in Prozesskostenhilfesachen im Hinblick auf § 126 ZPO der Beschwerdewert nach dem vollen Gebührenbetrag auf Grundlage einer Wahlanwaltsvergütung und nicht nur einer Vergütung aus der Staatskasse zu berechnen ist (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 19.05.2006, 10 WF 466/05, FamRZ 2006, 1690 m. w. N.; Hartmann aaO., § 32 RVG Rn. 17), kommt dies vorliegend aufgrund der im Vergleich getroffenen Kostenregelung nicht zum Tragen.
12
Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angedeutete Befürchtung, das Landgericht könne aufgrund der Auszahlung des Vergleichsbetrages von 15.000,00 EUR an den Kläger eine Entscheidung nach § 124 ZPO treffen, führt hier ebenfalls nicht zu einer Berechnung des Beschwerdewertes unter Zugrundelegung der Wahlanwaltsgebühren. Vielmehr ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen einer Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach - einzig in Betracht kommend - § 124 Nr. 3 ZPO erfüllt wären, da das Gericht im Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung jedenfalls von den entsprechenden wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers vollständig unterrichtet war (vgl. dazu Zöller/Geimer aaO., § 124 Rn. 13 m. w. N.).
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Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers wegen der vom Kläger erhaltenen 15.000,00 EUR ein Risiko hinsichtlich einer drohenden Zahlungsbestimmung des beim Landgericht zuständigen Rechtspflegers gegenüber dem Kläger gem. § 120 Abs. 4 ZPO sieht, gilt Ähnliches. Zwar kommt insofern aufgrund der Regelung in § 50 RVG die Berechnung der Beschwer des Prozessbevollmächtigten auf Grundlage der Wahlanwaltsgebühren durchaus in Betracht. Allerdings sind auch die Voraussetzungen einer Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen wegen wesentlicher Veränderungen der maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse i. S. v. § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO ersichtlich nicht erfüllt. Vielmehr haben sich die Vermögensverhältnisse des Klägers im Verhältnis zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfebewilligung mit Beschluss vom 07.01.2011 nicht geändert, jedenfalls nicht durch die - bereits vorher gezahlte und dem Gericht bekannte - Vergleichssumme. Andere wesentliche Veränderungen i. S. v. § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO sind nicht ersichtlich, weder gegenwärtig noch zukünftig.
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3. Die Kostentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.