27.04.2016 · IWW-Abrufnummer 185473
Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 11.12.2015 – 1 Ws 518/15
Bei der Beantragung von Aufwendungen nach Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit der Ausdrucke auf Datenträger überlassener Gerichtsakten bei dem Rechtsanwalt (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; Beschluss vom 28. November 2011 - 1 Ws 415-418/11 - NJW 2012, 1671 [OLG Celle 28.11.2011 - 1 Ws 415/11]).
Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 11.12.2015
Az.: 1 Ws 518/15
Tenor:
1. Das Verfahren wird wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).
2. Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 28. September 2015 hat die 3. große Strafkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Hannover die Erinnerung der Verteidigerin gegen die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Hannover vorgenommene Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Pflichtverteidigervergütung - und zwar konkret das Absetzen von Auslagen für Ausdrucke aus Gerichtsakten in Höhe von 174,57 EURO - zurückgewiesen.
Gegen diesen - ihr am 2. Oktober 2015 zugestellten - Beschluss hat die Verteidigerin am 12. Oktober 2015 "weitere" Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Zwar ist der Beschwerdewert nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG nicht erreicht. Die Beschwerde ist aber dennoch statthaft, weil das Landgericht sie zugelassen hat (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG). Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht in seiner Entscheidung die "weitere" Beschwerde gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG zugelassen hat, obwohl es selbst nicht als Beschwerdegericht, sondern als Gericht des Rechtszuges, in dem die Festsetzung erfolgt ist, über eine Erinnerung entschieden hat. Es ist hier aber eindeutig erkennbar, dass das Landgericht die Anfechtung seiner eigenen Entscheidung zulassen wollte.
Auch die Beschwerdefrist von zwei Wochen nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist gewahrt.
2. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat aus zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen die Erinnerung zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen greift demgegenüber nicht durch.
Nach Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG erhält der Rechtsanwalt die Aufwendungen für Ausdrucke aus Gerichtsakten erstattet, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Ausdrucke kommt es nicht auf die subjektive Sicht der Beschwerdeführerin oder darauf an, ob in ihrer Kanzlei eine elektronische Aktenbearbeitung üblich ist oder nicht. Vielmehr ist auf die objektive Sicht eines verständigen sachkundigen Dritten abzustellen. Dabei besteht zwar ein gewisser Ermessenspielraum; andererseits ist der allgemeine Grundsatz der kostenschonenden Prozessführung zu beachten (vgl. Senatsbeschluss vom 28. November 2011 - 1 Ws 415-418/11 - NJW 2012, 1671, [OLG Celle 28.11.2011 - 1 Ws 415/11] mwN).
Soweit der Senat in seiner vorgenannten Entscheidung aus der allgemein anerkannten Beweislastverteilung nach § 46 Abs. 1 RVG gefolgert hat, dass auch bei der Anwendung von Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG die Staatskasse darlegen und beweisen müsse, dass die Aufwendungen nicht notwendig waren, hält er hieran nicht mehr fest. Da das Vergütungsverzeichnis nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG als Anlage zum RVG ausgestaltet worden ist, sind seine Reglungen Bestandteil des Gesetzes. Deshalb hat in der hier zu beurteilenden Frage die speziellere Regelung in Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG Vorrang; diese weist aber die Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit der Ausdrucke dem zu, der hierfür Aufwendungen geltend macht, also dem Rechtsanwalt (vgl. OLG Rostock JurBüro 2014, 637; OLG Braunschweig Nds. Rpfl. 2015, 332).
Der Beschwerdeführerin war vom Landgericht ein auf einem Datenträger gespeichertes Aktendoppel überlassen worden, aus dem dann die Ausdrucke erfolgt sind. Ob es in derartigen Fällen überhaupt noch geboten sein kann, Ausdrucke anzufertigen, oder ob infolge der Überlassung der Datenträger nicht mehr als Gerichtsakte im Sinne von Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG, sondern als Handakte des Rechtsanwalts anzusehen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn es ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Ausdrucken von Teilen oder der gesamten Akte notwendig war. Das vorliegende Verfahren ist von seinem Umfang her auch nicht mit dem vergleichbar, welches der Entscheidung des Senats vom 28. November 2011 zugrunde lag.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.
Beschl. v. 11.12.2015
Az.: 1 Ws 518/15
Tenor:
1. Das Verfahren wird wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).
2. Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 28. September 2015 hat die 3. große Strafkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Hannover die Erinnerung der Verteidigerin gegen die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Hannover vorgenommene Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Pflichtverteidigervergütung - und zwar konkret das Absetzen von Auslagen für Ausdrucke aus Gerichtsakten in Höhe von 174,57 EURO - zurückgewiesen.
Gegen diesen - ihr am 2. Oktober 2015 zugestellten - Beschluss hat die Verteidigerin am 12. Oktober 2015 "weitere" Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Zwar ist der Beschwerdewert nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG nicht erreicht. Die Beschwerde ist aber dennoch statthaft, weil das Landgericht sie zugelassen hat (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG). Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht in seiner Entscheidung die "weitere" Beschwerde gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG zugelassen hat, obwohl es selbst nicht als Beschwerdegericht, sondern als Gericht des Rechtszuges, in dem die Festsetzung erfolgt ist, über eine Erinnerung entschieden hat. Es ist hier aber eindeutig erkennbar, dass das Landgericht die Anfechtung seiner eigenen Entscheidung zulassen wollte.
Auch die Beschwerdefrist von zwei Wochen nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist gewahrt.
2. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat aus zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen die Erinnerung zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen greift demgegenüber nicht durch.
Nach Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG erhält der Rechtsanwalt die Aufwendungen für Ausdrucke aus Gerichtsakten erstattet, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Ausdrucke kommt es nicht auf die subjektive Sicht der Beschwerdeführerin oder darauf an, ob in ihrer Kanzlei eine elektronische Aktenbearbeitung üblich ist oder nicht. Vielmehr ist auf die objektive Sicht eines verständigen sachkundigen Dritten abzustellen. Dabei besteht zwar ein gewisser Ermessenspielraum; andererseits ist der allgemeine Grundsatz der kostenschonenden Prozessführung zu beachten (vgl. Senatsbeschluss vom 28. November 2011 - 1 Ws 415-418/11 - NJW 2012, 1671, [OLG Celle 28.11.2011 - 1 Ws 415/11] mwN).
Soweit der Senat in seiner vorgenannten Entscheidung aus der allgemein anerkannten Beweislastverteilung nach § 46 Abs. 1 RVG gefolgert hat, dass auch bei der Anwendung von Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG die Staatskasse darlegen und beweisen müsse, dass die Aufwendungen nicht notwendig waren, hält er hieran nicht mehr fest. Da das Vergütungsverzeichnis nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG als Anlage zum RVG ausgestaltet worden ist, sind seine Reglungen Bestandteil des Gesetzes. Deshalb hat in der hier zu beurteilenden Frage die speziellere Regelung in Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG Vorrang; diese weist aber die Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit der Ausdrucke dem zu, der hierfür Aufwendungen geltend macht, also dem Rechtsanwalt (vgl. OLG Rostock JurBüro 2014, 637; OLG Braunschweig Nds. Rpfl. 2015, 332).
Der Beschwerdeführerin war vom Landgericht ein auf einem Datenträger gespeichertes Aktendoppel überlassen worden, aus dem dann die Ausdrucke erfolgt sind. Ob es in derartigen Fällen überhaupt noch geboten sein kann, Ausdrucke anzufertigen, oder ob infolge der Überlassung der Datenträger nicht mehr als Gerichtsakte im Sinne von Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG, sondern als Handakte des Rechtsanwalts anzusehen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn es ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Ausdrucken von Teilen oder der gesamten Akte notwendig war. Das vorliegende Verfahren ist von seinem Umfang her auch nicht mit dem vergleichbar, welches der Entscheidung des Senats vom 28. November 2011 zugrunde lag.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.
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