29.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186924
Oberlandesgericht Braunschweig: Urteil vom 25.04.2016 – 1 ARs 9/16
Der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr für das gesamte Verfahren gemäß § 51 RVG wird erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).
Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.04.2016
Az.: 1 ARs 9/16
Tenor:
1. Die Sache wird wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters).
2. Dem zum Beistand der Nebenkläger bestellten Rechtsanwalt S. H. wird eine Pauschvergütung in Höhe von 14.000,00 (vierzehntausend) Euro zugebilligt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Ansprüche auf Ersatz von Auslagen und von Umsatzsteuer bleiben unberührt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt für seine Tätigkeiten im Strafverfahren vor dem Landgericht Göttingen (Az.: 6 Ks 2/11) gegen J. O., dem der Mord an zwei Kindern zur Last gelegt wurde, die Gewährung einer Pauschvergütung.
Er ist mit Beschluss des Amtsgerichts Göttingen (Az.: 38 Gs 735/10) vom 29. Dezember 2010 bereits im Ermittlungsverfahren für die Eltern eines der verstorbenen Kinder und mit Beschlüssen des Landgerichts Göttingen vom 28. März und 12. April 2011 für diese sowie für die Schwester des getöteten Kindes, die insgesamt als Nebenkläger zugelassen wurden, im Hauptverfahren als deren Beistand bestellt worden.
Das von großem medialem Interesse begleitete Verfahren endete nach 13 Hauptverhandlungstagen erstinstanzlich durch Urteil des Landgerichts Göttingen vom 27. Juni 2011, durch welches der Angeklagte mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe belegt wurde. Daneben wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Das Urteil ist seit dem 12. Januar 2012 rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten gegen das landgerichtliche Urteil gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hatte.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 beantragte der Antragsteller wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens über die üblichen Gebühren hinaus - diese betragen (mit Auslagen und Umsatzsteuer) 7.007,67 Euro - gemäß § 51 Abs. 1 RVG eine Pauschvergütung von 15.000,00 Euro (zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer).
Die zu diesem Antrag gehörte Bezirksrevisorin bei dem Landesgericht Braunschweig teilte mit Schreiben vom 28. Januar 2016 mit, dass sie beabsichtige, die Einrede der Verjährung zu erheben. Diesem Ansinnen trat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28. Februar 2016, auf den inhaltlich Bezug genommen wird, entgegen. In Kenntnis dieses Schriftsatzes erhob die Bezirksrevisorin mit weiterem Schreiben vom 09. März 2016 die angekündigte Verjährungseinrede, soweit es einen Pauschvergütungsanspruch für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht Göttingen betrifft. Sie meint, der Vergütungsanspruch sei in diesem Umfang mit Ablauf des 11. Januar 2015 verjährt, denn die dreijährige Verjährungsfrist habe insoweit mit Verkündung des Urteils des Landgerichts Göttingen zu laufen begonnen und sei lediglich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens am 11. Januar 2012 gehemmt gewesen. Für die Revisionsinstanz befürworte sie eine Gebühr gemäß Nr. 4130 VV in Höhe von 1.500,00 Euro. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 10. April 2016 seine Rechtsposition, wonach der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens fällig werde und der entsprechende Antrag deshalb noch rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2015 gestellt worden sei, nochmals verteidigt.
II.
1. Der gemäß §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S.1 RVG originär zuständige, mitunterzeichnende Einzelrichter überträgt die Sache dem Senat in der Besetzung mit 3 Richtern, da dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 42 Abs. 3 S. 2 RVG).
2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG für seine Tätigkeiten als gerichtlich bestellter Beistand der Nebenkläger in dem eingangs genannten Strafverfahren liegen vor.
Gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar sind. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben. Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen. Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Antragstellers erforderlich geworden ist. Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Antragstellers herrührt, nicht hingegen solcher, der seinen Grund in nur persönlichen Umständen hat (vgl. insgesamt BGH, Beschluss vom 01. Juni 2015 - 4 StR 267/11 -, juris, Rn. 5; OLG Nürnberg, Beschluss vom 30. Dezember 2014 - 2 AR 36/14, juris, Rn. 16 jeweils m.w.N.).
Dass dies vorliegend der Fall ist, ergibt sich aus den Darlegungen des Antragstellers in seinem Antragsschriftsatz vom 22. Dezember 2015 sowie den Mitteilungen des Vorsitzenden der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Göttingen vom 22. März 2012 und 20. Januar 2016, auf die der Senat an dieser Stelle verweist. Der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit des Verfahrens führen dazu, dass das Sonderopfer des Antragstellers durch die Gewährung einer Pauschgebühr auszugleichen ist, die der Senat hier mit 14.000,00 Euro für angemessen erachtet. Dieser Betrag orientiert sich der Höhe nach an der Pauschgebühr, die schon dem Pflichtverteidiger des Angeklagten in diesem Verfahren zugebilligt wurde (Az.: ARs 12/12). Der weitergehende Antrag war zurückzuweisen.
3. Die von der Bezirksrevisorin hinsichtlich der Pauschgebühr für das Verfahren I. Instanz erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
Mit dem Kammergericht (vgl. NStZ-RR 2015, 307 [BGH 16.07.2015 - 4 StR 265/15]) schließt sich nunmehr auch der Senat in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. JurBüro 2000, 174; 2001, 308) der überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Judikatur (vgl. OLG Düsseldorf AGS 2007, 75; OLG Köln AGS 2006, 281; OLG Jena AGS 1998, 87; OLG Hamm JurBüro 1996, 642; OLG Bamberg JurBüro 1990, 1282) an, wonach der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr - sofern die Tätigkeit des Anspruchsinhabers nicht bereits vorher infolge Entpflichtung endgültig beendet wurde - erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig wird. Die von dieser Meinungsgruppe vorgetragenen Argumente überzeugen.
Mit der Pauschgebühr sollen die besonderen Schwierigkeiten anwaltlicher Tätigkeiten im gesamten Verfahren pauschal honoriert werden. Ihre Bemessung kann gewöhnlich erst nach Abschluss des Verfahrens und nicht schon mit Erlass des erstinstanzlichen Urteils oder Beendigung des Rechtszuges erfolgen. Denn von der für das gesamte Verfahren zugestandenen Pauschgebühr werden auch Leistungen erfasst, die der Rechtsanwalt erst nach den in § 8 Abs. 1 S. 2 RVG genannten Fälligkeitszeitpunkten erbracht hat und deren einzelne Vergütung naturgemäß erst danach fällig werden kann. Demgemäß hat eine Prüfung, ob und ggf. in welcher Höhe einem Rechtsanwalt eine Pauschgebühr zusteht, in aller Regel in einer Gesamtschau die Tätigkeiten des Anwalts in allen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen. Ist der Anspruch aus § 51 RVG im Zeitpunkt der Fälligkeit einzelner gesetzlicher Gebühren noch gar nicht entstanden, verbietet sich auch in Bezug auf den Verjährungsbeginn eine Gleichbehandlung mit den gesetzlichen Regelgebühren. Der Pauschgebührenanspruch tritt zwar an die Stelle des Anspruches auf die gesetzlichen Gebühren. Ob dies aber tatsächlich der Fall ist, entscheidet sich jedoch erst, wenn abschließend darüber befunden werden kann, ob dem Anspruchsteller überhaupt eine Pauschvergütung zusteht. Darüber hinaus muss der Zeitpunkt des Beginns der Verjährung aus Gründen der Rechtssicherheit von vornherein feststehen und darf nicht von dem ungewissen Ergebnis einer (nachträglichen) Prüfung abhängen, ob schon mit Beendigung des 1. Rechtszuges eine Pauschvergütung verdient war oder erst später infolge weiterer entfalteter anwaltlicher Tätigkeit entstanden ist (vgl. insgesamt - auch zu den Argumenten der Gegenansicht - KG NStZ-RR 2015, 307 [BGH 16.07.2015 - 4 StR 265/15]). Auch wenn § 51 RVG ausdrücklich die Gewährung eine Pauschvergütung für einzelne Verfahrensabschnitte zulässt - ohne jedoch näher zu definieren, was mit "Verfahrensabschnitt" gemeint ist (jeweilige Instanz bzw. Vorverfahren oder jede Tätigkeit, für die im Vergütungsverzeichnis eine eigenständige Gebühr vorgesehen ist oder aber die in Abschnitt 1 von Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses genannten Unterabschnitte) - lässt sich entgegen früherer Einschätzung des Senates bei Stellung eines - wie hier - auf das gesamte Verfahren bezogenen Pauschvergütungsantrages, gewöhnlich erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung abschließend beurteilen, ob der den Pauschvergütungsantrag stellende Rechtsanwalt ein Sonderopfer erbracht hat, das es auszugleichen gilt.
Ausgehend von dieser Rechtsansicht ist der Anspruch des Antragstellers auf Bewilligung einer Pauschgebühr erst mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 11. Januar 2012 fällig geworden und die Verjährung dieses Anspruches konnte nicht vor Ablauf des 31. Dezembers 2015 eintreten. Der am 22. Dezember 2015 gestellte Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung für das gesamte Verfahren ist mithin rechtzeitig gestellt worden.
Mit der zugebilligten Pauschvergütung - der die Auslagen und die Umsatzsteuer hinzuzurechnen sind - sind sämtliche Gebührenansprüche abgegolten, die dem Antragsteller in dieser Sache entstanden sind.
Beschl. v. 25.04.2016
Az.: 1 ARs 9/16
Tenor:
1. Die Sache wird wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters).
2. Dem zum Beistand der Nebenkläger bestellten Rechtsanwalt S. H. wird eine Pauschvergütung in Höhe von 14.000,00 (vierzehntausend) Euro zugebilligt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Ansprüche auf Ersatz von Auslagen und von Umsatzsteuer bleiben unberührt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt für seine Tätigkeiten im Strafverfahren vor dem Landgericht Göttingen (Az.: 6 Ks 2/11) gegen J. O., dem der Mord an zwei Kindern zur Last gelegt wurde, die Gewährung einer Pauschvergütung.
Er ist mit Beschluss des Amtsgerichts Göttingen (Az.: 38 Gs 735/10) vom 29. Dezember 2010 bereits im Ermittlungsverfahren für die Eltern eines der verstorbenen Kinder und mit Beschlüssen des Landgerichts Göttingen vom 28. März und 12. April 2011 für diese sowie für die Schwester des getöteten Kindes, die insgesamt als Nebenkläger zugelassen wurden, im Hauptverfahren als deren Beistand bestellt worden.
Das von großem medialem Interesse begleitete Verfahren endete nach 13 Hauptverhandlungstagen erstinstanzlich durch Urteil des Landgerichts Göttingen vom 27. Juni 2011, durch welches der Angeklagte mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe belegt wurde. Daneben wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Das Urteil ist seit dem 12. Januar 2012 rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten gegen das landgerichtliche Urteil gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hatte.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 beantragte der Antragsteller wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens über die üblichen Gebühren hinaus - diese betragen (mit Auslagen und Umsatzsteuer) 7.007,67 Euro - gemäß § 51 Abs. 1 RVG eine Pauschvergütung von 15.000,00 Euro (zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer).
Die zu diesem Antrag gehörte Bezirksrevisorin bei dem Landesgericht Braunschweig teilte mit Schreiben vom 28. Januar 2016 mit, dass sie beabsichtige, die Einrede der Verjährung zu erheben. Diesem Ansinnen trat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28. Februar 2016, auf den inhaltlich Bezug genommen wird, entgegen. In Kenntnis dieses Schriftsatzes erhob die Bezirksrevisorin mit weiterem Schreiben vom 09. März 2016 die angekündigte Verjährungseinrede, soweit es einen Pauschvergütungsanspruch für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht Göttingen betrifft. Sie meint, der Vergütungsanspruch sei in diesem Umfang mit Ablauf des 11. Januar 2015 verjährt, denn die dreijährige Verjährungsfrist habe insoweit mit Verkündung des Urteils des Landgerichts Göttingen zu laufen begonnen und sei lediglich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens am 11. Januar 2012 gehemmt gewesen. Für die Revisionsinstanz befürworte sie eine Gebühr gemäß Nr. 4130 VV in Höhe von 1.500,00 Euro. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 10. April 2016 seine Rechtsposition, wonach der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens fällig werde und der entsprechende Antrag deshalb noch rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2015 gestellt worden sei, nochmals verteidigt.
II.
1. Der gemäß §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S.1 RVG originär zuständige, mitunterzeichnende Einzelrichter überträgt die Sache dem Senat in der Besetzung mit 3 Richtern, da dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 42 Abs. 3 S. 2 RVG).
2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG für seine Tätigkeiten als gerichtlich bestellter Beistand der Nebenkläger in dem eingangs genannten Strafverfahren liegen vor.
Gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar sind. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben. Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen. Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Antragstellers erforderlich geworden ist. Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Antragstellers herrührt, nicht hingegen solcher, der seinen Grund in nur persönlichen Umständen hat (vgl. insgesamt BGH, Beschluss vom 01. Juni 2015 - 4 StR 267/11 -, juris, Rn. 5; OLG Nürnberg, Beschluss vom 30. Dezember 2014 - 2 AR 36/14, juris, Rn. 16 jeweils m.w.N.).
Dass dies vorliegend der Fall ist, ergibt sich aus den Darlegungen des Antragstellers in seinem Antragsschriftsatz vom 22. Dezember 2015 sowie den Mitteilungen des Vorsitzenden der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Göttingen vom 22. März 2012 und 20. Januar 2016, auf die der Senat an dieser Stelle verweist. Der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit des Verfahrens führen dazu, dass das Sonderopfer des Antragstellers durch die Gewährung einer Pauschgebühr auszugleichen ist, die der Senat hier mit 14.000,00 Euro für angemessen erachtet. Dieser Betrag orientiert sich der Höhe nach an der Pauschgebühr, die schon dem Pflichtverteidiger des Angeklagten in diesem Verfahren zugebilligt wurde (Az.: ARs 12/12). Der weitergehende Antrag war zurückzuweisen.
3. Die von der Bezirksrevisorin hinsichtlich der Pauschgebühr für das Verfahren I. Instanz erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
Mit dem Kammergericht (vgl. NStZ-RR 2015, 307 [BGH 16.07.2015 - 4 StR 265/15]) schließt sich nunmehr auch der Senat in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. JurBüro 2000, 174; 2001, 308) der überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Judikatur (vgl. OLG Düsseldorf AGS 2007, 75; OLG Köln AGS 2006, 281; OLG Jena AGS 1998, 87; OLG Hamm JurBüro 1996, 642; OLG Bamberg JurBüro 1990, 1282) an, wonach der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr - sofern die Tätigkeit des Anspruchsinhabers nicht bereits vorher infolge Entpflichtung endgültig beendet wurde - erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig wird. Die von dieser Meinungsgruppe vorgetragenen Argumente überzeugen.
Mit der Pauschgebühr sollen die besonderen Schwierigkeiten anwaltlicher Tätigkeiten im gesamten Verfahren pauschal honoriert werden. Ihre Bemessung kann gewöhnlich erst nach Abschluss des Verfahrens und nicht schon mit Erlass des erstinstanzlichen Urteils oder Beendigung des Rechtszuges erfolgen. Denn von der für das gesamte Verfahren zugestandenen Pauschgebühr werden auch Leistungen erfasst, die der Rechtsanwalt erst nach den in § 8 Abs. 1 S. 2 RVG genannten Fälligkeitszeitpunkten erbracht hat und deren einzelne Vergütung naturgemäß erst danach fällig werden kann. Demgemäß hat eine Prüfung, ob und ggf. in welcher Höhe einem Rechtsanwalt eine Pauschgebühr zusteht, in aller Regel in einer Gesamtschau die Tätigkeiten des Anwalts in allen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen. Ist der Anspruch aus § 51 RVG im Zeitpunkt der Fälligkeit einzelner gesetzlicher Gebühren noch gar nicht entstanden, verbietet sich auch in Bezug auf den Verjährungsbeginn eine Gleichbehandlung mit den gesetzlichen Regelgebühren. Der Pauschgebührenanspruch tritt zwar an die Stelle des Anspruches auf die gesetzlichen Gebühren. Ob dies aber tatsächlich der Fall ist, entscheidet sich jedoch erst, wenn abschließend darüber befunden werden kann, ob dem Anspruchsteller überhaupt eine Pauschvergütung zusteht. Darüber hinaus muss der Zeitpunkt des Beginns der Verjährung aus Gründen der Rechtssicherheit von vornherein feststehen und darf nicht von dem ungewissen Ergebnis einer (nachträglichen) Prüfung abhängen, ob schon mit Beendigung des 1. Rechtszuges eine Pauschvergütung verdient war oder erst später infolge weiterer entfalteter anwaltlicher Tätigkeit entstanden ist (vgl. insgesamt - auch zu den Argumenten der Gegenansicht - KG NStZ-RR 2015, 307 [BGH 16.07.2015 - 4 StR 265/15]). Auch wenn § 51 RVG ausdrücklich die Gewährung eine Pauschvergütung für einzelne Verfahrensabschnitte zulässt - ohne jedoch näher zu definieren, was mit "Verfahrensabschnitt" gemeint ist (jeweilige Instanz bzw. Vorverfahren oder jede Tätigkeit, für die im Vergütungsverzeichnis eine eigenständige Gebühr vorgesehen ist oder aber die in Abschnitt 1 von Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses genannten Unterabschnitte) - lässt sich entgegen früherer Einschätzung des Senates bei Stellung eines - wie hier - auf das gesamte Verfahren bezogenen Pauschvergütungsantrages, gewöhnlich erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung abschließend beurteilen, ob der den Pauschvergütungsantrag stellende Rechtsanwalt ein Sonderopfer erbracht hat, das es auszugleichen gilt.
Ausgehend von dieser Rechtsansicht ist der Anspruch des Antragstellers auf Bewilligung einer Pauschgebühr erst mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 11. Januar 2012 fällig geworden und die Verjährung dieses Anspruches konnte nicht vor Ablauf des 31. Dezembers 2015 eintreten. Der am 22. Dezember 2015 gestellte Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung für das gesamte Verfahren ist mithin rechtzeitig gestellt worden.
Mit der zugebilligten Pauschvergütung - der die Auslagen und die Umsatzsteuer hinzuzurechnen sind - sind sämtliche Gebührenansprüche abgegolten, die dem Antragsteller in dieser Sache entstanden sind.
RechtsgebietPflichtverteidigungVorschriften§ 8 RVG