07.02.2018 · IWW-Abrufnummer 199398
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 11.01.2018 – III ZB 87/17
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Hucke, Tombrink, Dr. Remmert und die Richterin Dr. Arend
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Coburg - 3. Zivilkammer - vom 19. Juli 2017 - 32 T 7/17 - wird abgelehnt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens. Er hat beim Amtsgericht Coburg - Zentrales Mahngericht - den Erlass eines Mahnbescheids über einen Betrag von 630.000 € nebst Zinsen und Auslagen beantragt. Dem zugrunde liegt die Geltendmachung eines Anspruchs wegen behaupteter rechtswidriger Haftbedingungen. Zugleich hat der Antragsteller um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Kosten des Mahnverfahrens nachgesucht. Der Antragsgegner, dem dieser Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Stellungnahme übersandt worden war, hat die Forderung als unbegründet zurückgewiesen und mitgeteilt, dass bei Erlass eines Mahnbescheids umgehend Widerspruch eingelegt würde. Daraufhin hat das Amtsgericht (Rechtspfleger) den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, das Mahnverfahren biete nicht die nötige Aussicht auf Erfolg und erscheine mutwillig.
2
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch bei Beantragung von Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren zu prüfen sei. An der Erfolgsaussicht des Mahnverfahrens fehle es, da der Antragsgegner den Anspruch bestritten und Widerspruch gegen einen zu erlassenden Mahnbescheid angekündigt habe, so dass eine ganz erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der Antragsteller im Mahnverfahren keinen Vollstreckungstitel erlangen werde. Für ein von vornherein aussichtsloses Mahnverfahren, bei dem bereits von Anfang an nicht damit zu rechnen sei, dass ein Vollstreckungsbescheid ergehen werde, könne ein Antragsteller nicht erwarten, das Verfahren auf Kosten der Staatskasse durchführen zu können.
3
Das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da in der Instanzrechtsprechung und der Literatur zur Frage der Zulässigkeit der Prüfung der Erfolgsaussichten im Mahnverfahren sowie zum Umfang dieser Prüfung unterschiedliche Auffassungen vertreten würden.
II.
4
Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet ( § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).
5
1. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe für das Mahnverfahren versagenden Beschluss des Amtsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Mahnverfahren - wie das Landgericht meint - bereits deshalb die Erfolgsaussicht fehlt, weil mit einem Widerspruch des Antragsgegners gegen einen etwaigen Mahnbescheid zu rechnen ist. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung erweist sich jedenfalls als mutwillig im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 , Abs. 2 ZPO .
6
a) Der sachliche Geltungsbereich der §§ 114 ff ZPO erstreckt sich auf alle in der Zivilprozessordnung geregelten Verfahren. Für das Mahnverfahren kann - beschränkt auf dieses Verfahren - Prozesskostenhilfe bewilligt werden; dabei gilt die Voraussetzung fehlender Mutwilligkeit auch für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren (Senat, Beschlüsse vom 10. August 2017 - III ZA 42/16 , NJW-RR 2017, 1470 Rn. 5 und vom 31. August 2017 - III ZB 37/17 , NJW-RR 2017, 1469 Rn. 7; BGH, Beschluss 28. November 2017 - X ZA 2/16 , BeckRS 2017, 135866 Rn. 6; jeweils mwN).
7
b) Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Aus der gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzgleichheit folgt, dass die mittellose Partei nur einer solchen "normalen" Partei gleichgestellt werden muss, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Es ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Personen Prozesse zu ermöglichen, die eine wirtschaftlich leistungsfähige Partei bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde (s. zum Vorstehenden Senatsbeschlüsse vom 10. August 2017 aaO S. 1470 f Rn. 6 und vom 31. August 2017 aaO Rn. 8; BGH aaO Rn. 7; jeweils mwN).
8
c) Nach diesen Maßstäben ist die Rechtsverfolgung des Antragstellers mutwillig. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage würde eine verständige Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, davon absehen, einen Mahnbescheid zu beantragen, auch wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass nach §§ 688 ff ZPO vorliegen sollten. Sie würde sich nämlich, worauf das Landgericht zutreffend abgestellt hat, davon leiten lassen, dass das mit dem Mahnverfahren verfolgte Ziel, dem Antragsteller schnell und kostengünstig zu einem Vollstreckungstitel in Gestalt eines Vollstreckungsbescheids zu verhelfen, nicht mehr erreicht werden kann, nachdem der Antragsgegner angekündigt hat, er werde gegen einen eventuellen Mahnbescheid umgehend Widerspruch einlegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner von dieser erklärten Absicht noch Abstand nehmen könnte, hat der Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Mahnverfahren erscheint damit im Hinblick auf die Erlangung eines Vollstreckungstitels in Gestalt eines Vollstreckungsbescheides aussichtslos. Es ist bereits jetzt absehbar, dass der Antragsteller, will er gegen den Antragsgegner einen Vollstreckungstitel erwirken, Klage erheben muss. Die Beschreitung eines prozessualen Weges (hier: des Mahnverfahrens), der erkennbar aussichtslos ist, ist mutwillig im Sinne von § 114 Abs. 2 ZPO (s. Senat, Beschluss vom 31. August 2017 aaO S. 1470 Rn. 9 f; BGH aaO Rn. 8).
9
2. Der Versagung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren steht nicht entgegen, dass das Landgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage nach Zulässigkeit und Umfang der Prüfung der Erfolgsaussichten im Mahnverfahren ist nicht entscheidungserheblich, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Streitfall, wie ausgeführt, mutwillig erscheint und Prozesskostenhilfe schon deshalb nicht in Betracht kommt. Das Vorliegen von Mutwilligkeit kann auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung und der vorliegenden Rechtsprechung abschließend beantwortet werden (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 10. August 2017 aaO S. 1471 Rn. 9 und vom 31. August 2017 aaO Rn. 11; BGH aaO Rn. 10).
Herrmann
Hucke
Tombrink
Remmert
Arend