07.07.2020 · IWW-Abrufnummer 216639
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 27.05.2020 – VII ZB 33/18
Zur Unzulässigkeit der isolierten Anfechtung einer Kostenentscheidung.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit sowie die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
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Im Mai 2009 beauftragte der Kläger die Beklagte, für ihn ein Wohnhauszu errichten.
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Nach Abschluss der Arbeiten kam es zwischen den Parteien zu einem Streit über vom Kläger behauptete Mängel der Arbeiten der Beklagten. Zur Feststellung der von ihm behaupteten Mängel (falsch eingebaute und defekte Pumpe, die die Dusche entwässert, unzulässige Schaltung aller vier Pumpen durch dieselbe Sicherung, undichte Verandatür) leitete der Kläger 2014 ein selbständiges Beweisverfahren ein. In diesem Verfahren konnte der vom Kläger behauptete Defekt einer Entwässerungspumpe nicht bestätigt werden, jedoch stellte der Sachverständige einen falschen Elektroanschluss der Pumpen fest. Hinsichtlich der Mängel an der Verandatür nahm der Kläger nach der Erstellung des Gut-achtens den Antrag im selbständigen Beweisverfahren zurück.
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Im Anschluss an das selbständige Beweisverfahren nahm der Kläger im Klageverfahren die Beklagte auf Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 6.181,69 € für angeblich geschuldete, jedoch nicht ausgeführte Dämmarbeiten sowie auf Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 1.261,58 € für die Reparatur einer defekten Pumpe im Kellergeschoss in Anspruch. Hinsichtlich der defekten Pumpe nahm der Kläger auf die Ergebnisse des selbständigen Beweisverfahrens Bezug.
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Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und die Kosten des "Hauptsacheverfahrens" dem Kläger auferlegt.
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Zusätzlich hat das Landgericht über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens entschieden. Diese Kosten hat es zu 62 % dem Kläger und zu 38 % der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, im Hinblick auf die nicht vollständig identischen Streitgegenstände des selbständigen Beweisverfahrens und des "Hauptsacheverfahrens" und den Umstand, dass die Kosten des Sachverständigen den einzelnen Beweisfragen nicht zuzuordnen seien, müsse für das selbständige Beweisverfahren eine eigene Kostenquote festgesetzt werden.
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Die Beklagte hat gegen die Entscheidung des Landgerichts zu den Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Kläger zu verurteilen, die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vollständig zu tragen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Beklagten verworfen, weil die Kostenentscheidung eines Urteils nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit der Entscheidung in der Hauptsache anfechtbar sei (§ 99 Abs. 1 ZPO). Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
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1. Die Rechtsbeschwerde ist nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist für das Rechtsbeschwerdegericht aber nicht bindend, wenn die Rechtsbeschwerde gegen die angefochtene Entscheidung bereits nicht statthaft ist. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann nicht durch Zulassung einer Anfechtung unterworfen werden. Die Rechtsbeschwerde ist in diesem Fall auch dann nicht statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie eigens zur Klärung der Zulässigkeitsfrage zugelassen hat (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 - VII ZB 96/17 Rn. 5 m.w.N., NJW 2020, 236).
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So liegt der Fall hier.
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2. a) Nach § 99 Abs. 1 ZPO kann die Kostenentscheidung eines Urteils grundsätzlich nur im Zusammenhang mit der Entscheidung in der Hauptsache angefochten werden. Dadurch soll verhindert werden, dass das Gericht im Rahmen einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung erneut die Hauptsache beurteilen muss, obwohl diese nicht mehr zur Entscheidung gestellt ist. § 99 Abs. 1 ZPO setzt damit voraus, dass eine Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist, schließt eine Anfechtung aber auch dann aus, wenn der Anfechtende nur durch die Kostenentscheidung beschwert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1995 - V ZB 28/95, BGHZ 131, 185, juris Rn. 7 zu § 20a FGG; Beschluss vom 26. März 2015 - III ZB 80/13 Rn. 7, MDR 2015, 668). Denn maßgeblich ist allein die abstrakte Möglichkeit, ein statthaftes Rechtsmittel in der Hauptsache einlegen zu können (BGH, Beschluss vom 3. September 2013 - VIII ZB 17/12 Rn. 7, MietPrax-AK § 99 ZPO Nr. 1).
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Auf dieser Grundlage war bereits die sofortige Beschwerde der Beklagten nicht statthaft, und zwar unabhängig davon, dass der Beklagten mangels Beschwer nicht die Möglichkeit zur Verfügung stand, gegen die Entscheidung des Landgerichts Berufung einzulegen.
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b) Soweit die Beschwerde meint, das Landgericht hätte über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens im Klageverfahren nicht entscheiden dürfen, ist das unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens von der Kostenentscheidung eines sich anschließenden Klageverfahrens mitumfasst, wenn zumindest ein Teil der Streitgegenstände und die Parteien der beiden Verfahren identisch sind (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2007 - XII ZB 231/05 Rn. 7, BauR 2007, 747 = NZBau 2007, 248; Beschluss vom 12. September 2013 - VII ZB 4/13 Rn. 11, BauR 2013, 2053). Diese Voraussetzungen lagen vor. Es bestand Parteiidentität und der Kläger hat mit der Klage hinsichtlich des von ihm behaupteten Mangels an der Pumpe auf die Feststellungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren Bezug genommen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein Beschwerderecht gegeben ist, wenn in einem Klageverfahren ohne zumindest teilweise Identität der Streitgegenstände über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens entschieden wird.
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c) Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung ist nicht gegeben.
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aa) Soweit die Rechtsbeschwerde vorträgt, dass Kostenentscheidungen im Rahmen der Sonderfälle von § 99 Abs. 2, § 91a Abs. 2 und § 269 Abs. 5 ZPO anfechtbar seien und diese Vorschriften im vorliegenden Fall entsprechend angewendet werden müssten, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Ein Fall des Anerkenntnisses, der Erledigung oder der Klagerücknahme liegt nicht vor. Eine erweiternde Anwendung dieser Vorschriften ist angesichts von Sinn und Zweck des § 99 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen.
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bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird eine isolierte Anfechtbarkeit einer Kostenentscheidung für den Fall in Betracht gezogen, dass die Kostenentscheidung eine eigenständige von der Entscheidung in der Hauptsache unabhängige Beschwer enthält (BGH, Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 164/09 Rn. 6 f., MDR 2010, 1209; Beschluss vom 26. März 2015 - III ZB 80/13 Rn. 8, MDR 2015, 668). Die Voraussetzungen für eine solche Beschwerde liegen jedoch nicht vor, da die Entscheidung des Landgerichts über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens keine eigenständige, über den Nachteil der Kostentragung hinausgehende Beschwer der Beklagten enthält.
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cc) Schließlich besteht kein außerordentliches Rechtsmittel wegen der nach Auffassung der Rechtsbeschwerde gegebenen greifbaren Gesetzeswidrigkeit der Kostenentscheidung zum selbständigen Beweisverfahren. Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001 S. 1887, 1902 ff.) kann der Bundesgerichtshof gegen Beschlüsse der Beschwerdegerichte ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angerufen werden. Ein außerordentliches Rechtsmittel ist auch dann nicht statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen greifbar gesetzwidrig ist (BGH, Beschluss vom 7. März 2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133, juris Rn. 6 ff.; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - I ZA 18/10 Rn. 1), so dass es auf sich beruhen kann, ob diese Voraussetzungen hier gegeben wären.
III.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Pamp
Halfmeier
Jurgeleit
Graßnack
Brenneisen