13.01.2021 · IWW-Abrufnummer 219906
Landgericht Köln: Urteil vom 24.09.2020 – 120 Qs 60/20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Köln, 120 Qs 60/20
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde vom 14.07.2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 14.07.2020, Az. 617 Ls 88/19, aufgehoben.
Die aus der Landeskasse gemäß § 467 StPO zu erstattenden und nach erfolgter Abtretung dem Verteidiger als Zessionar auszuzahlenden notwendigen Auslagen werden auf 541,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2019 festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde kostenpflichtig verworfen.
Die Beschwerdegebühr wird um 32 % reduziert. Die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden zu 32 % der Staatskasse auferlegt, im Übrigen trägt er sie selbst.
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Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde vom 14.07.2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 14.07.2020, Az. 617 Ls 88/19, aufgehoben.
Die aus der Landeskasse gemäß § 467 StPO zu erstattenden und nach erfolgter Abtretung dem Verteidiger als Zessionar auszuzahlenden notwendigen Auslagen werden auf 541,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2019 festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde kostenpflichtig verworfen.
Die Beschwerdegebühr wird um 32 % reduziert. Die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden zu 32 % der Staatskasse auferlegt, im Übrigen trägt er sie selbst.
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Gründe:
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch in dem tenorierten Umfang begründet. Das Amtsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss zu Recht die Festsetzung der geltend gemachten Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG, der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV RVG, der Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Nr. 7002 VV RVG und der Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 VV RVG zurückgewiesen. Die Zurückweisung der ebenfalls geltend gemachten Verfahrensgebühren gemäß Nr. 4106 und Nr. 4141 VV RVG in Höhe von 290,00 EUR und 165,00 EUR erfolgte jedoch zu Unrecht, so dass sich zuzüglich der Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG der festgesetzte Betrag in Höhe von 541,54 EUR ergibt.
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Zunächst ist der Verteidiger aktivlegitimiert und berechtigt die Gebühren im eigenen Namen geltend zu machen. Der ehemals Angeschuldigte hat als Gläubiger der Kostenerstattungsansprüche gegenüber der Staatskasse diese mit Abtretungserklärung vom 30.05.2017 (Bl. 325 d. A.) wirksam gem. § 398 Satz 1 BGB an den Verteidiger abgetreten. Die in der Abtretungsvereinbarung gewählte Formulierung „eventuelle Erstattungsansprüche gegenüber Dritten“ entspricht dabei nach Auffassung der Kammer noch dem Bestimmtheitserfordernis.
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Die Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV RVG und die Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Nr. 7002 VV RVG waren dem Verteidiger jedoch nicht zu erstatten, da er ‒ trotz Aufforderung und mehrfacher Stellungnahme der Bezirksrevisorin ‒ anhand der Differenztheorie keine Gebührenbestimmung zu Gesamtverteidigervergütung und fiktivem Honorar vorgenommen hat. Die Erstattung nach der Differenzmethode erfordert, dass der Verteidiger sowohl die Auslagen insgesamt als auch den „fiktiven“ erstattungsfähigen Teil im Rahmen seiner Kompetenz nach § 14 RVG bestimmt. Unterbleibt trotz gerichtlicher Aufforderung eine solche Gebührenbestimmung durch den Verteidiger, ist die Kostenfestsetzung nach der Differenztheorie als undurchführbar abzulehnen (LG Koblenz, Beschluß vom 31.10.1997 - 10 Qs 20/97, NStZ-RR 1998, 256; Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464b Rz. 8). Vorliegend wurde der Verteidiger seitens der Bezirksrevisorin mehrmals auf die Anwendung der Differenztheorie hingewiesen und zu einer entsprechenden Gebührenbestimmung aufgefordert. Dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen. Er vertritt vielmehr die Ansicht, dass die Differenztheorie vorliegend keine Anwendung finde.
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Entgegen der Ansicht des Verteidigers kommt die Differenztheorie im vorliegenden Fall bzgl. der zuvor genannten Gebühren zur Anwendung. Die Differenztheorie (oder eine Quotelung, dies steht im pflichtgemäßen Ermessen des Rechtspflegers) kommt immer dann zum Tragen, wenn unterschiedliche Entscheidungen innerhalb eines Verfahrens unterschiedliche Kostenträger nach sich ziehen. Hauptanwendungsfall ist der Teilfreispruch. In der Rechtsprechung anerkannt ist jedoch auch, dass die Differenztheorie auch dann gilt, wenn weitere Tatvorwürfe vor Erhebung der Anklage nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden. Denn in diesem Fall fehlt es an einer Vorschrift, die der Staatskasse die Auslagen des Beschuldigten aufbürdet, gegen den letztlich erfolglos ein Ermittlungsverfahren geführt wurde. In einem solchen Fall besteht in begrenztem Umfang und losgelöst von dem Kostenfestsetzungsverfahren eine Erstattungsmöglichkeit lediglich in der Form eines Schadensersatzanspruchs nach den Vorschriften des StrEG. Nichts anderes kann gelten, wenn ‒ wie hier ‒ vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft einzelne Tatvorwürfe gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt wurden. Auch in diesem Fall gilt, dass die Kostentragungspflicht dem Beschuldigten obliegt (Schmitt in Meyer-Goßner, 63. Aufl. 2020, § 467a Rz. 2). Die im vorliegenden Fall getroffene Kostengrundentscheidung des Amtsgerichts Köln im Nichteröffnungsbeschluss vom 18.10.2019 (Bl. 296 ff. d. A.) bezieht sich nur auf die angeklagten Tatvorwürfe, da das Gericht mit den weiteren, eingestellten Tatvorwürfen nicht befasst war.
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Auch die Festsetzung der geltend gemachten Dokumentenpauschale ist zu Recht unterblieben. Ein Verteidiger kann die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG ‒ auch gegenüber der Staatskasse ‒ nur in Rechnung stellen, soweit die Herstellung der jeweiligen Dokumente ‒ hier die Herstellung der dem Antrag zugrunde gelegten 2.456 Fotokopien ‒ zur sachgemäßen Fallbearbeitung durch ihn geboten war. Der ihm insoweit obliegenden Darlegungs- und Beweislast (vgl. KG, Beschluss vom 28.08.2015, 1 Ws 59/15, Rdnr. 10 m. w. N.) ist der Verteidiger nicht nachgekommen. Auf den zutreffenden Hinweis der Bezirksrevisorin vom 18.05.2020, dass die in Ansatz gebrachten Kopien ohne jegliche Aufschlüsselung nicht nachvollziehbar seien, hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 05.06.2020 zwar ergänzend vorgetragen. Die dort aufgelisteten kopierten Seiten ergeben jedoch nur eine Anzahl von 1.800 Blatt, so dass die Aufschlüsselung nicht nachvollziehbar ist. Auch hierauf, sowie auf den zutreffenden Umstand, dass die angeblich mit 346 Blatt kopierte Hauptakte zum Zeitpunkt der Akteneinsicht des Verteidigers nur 162 Blatt (einschließlich nicht berücksichtigungsfähiger eigener Schriftsätze) umfasste, hat die Bezirksrevisorin in ihrer weiteren Stellungnahme vom 19.08.2020 hingewiesen. Hierzu hat der Verteidiger trotz Gewährung einer weiteren Stellungnahmefrist durch die Kammer nicht weiter vorgetragen.
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Die geltend gemachten Verfahrensgebühren gemäß Nr. 4106 und Nr. 4141 VV RVG waren jedoch in der beantragten Höhe von 290,00 EUR und 165,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer festzusetzen. Insbesondere hält sich die Gebühr gemäß Nr. 4106 VV RVG in der beantragen Höhe ‒ obwohl die Festsetzung des Höchstbetrags beantragt wurde ‒ angesichts des Umfangs der Anklage vor dem Schöffengericht mit 21 Betrugstaten und der Beweisführung durch Indizienbeweise noch im Rahmen des dem Verteidiger zustehenden Ermessens zur Bestimmung der Höhe der Rahmengebühr gemäß § 14 RVG. Da die Gebühr nicht unbillig hoch bestimmt wurde, ist die Bestimmung gegenüber der Staatskasse verbindlich.
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Bei der Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG handelt es sich um eine Festgebühr, die sich anhand der jeweiligen Mittelgebühr bemisst (Burhoff in Gerold/Schmidt, 24. Aufl. 2019, RVG VV 4141 Rz. 50), so dass diese vom Verteidiger zutreffend in Höhe von 165,00 EUR angesetzt wurde. Der Verteidiger hat auch entsprechend Nr. 4141 VV RVG an der Nichteröffnung des Hauptverfahrens mitgewirkt, indem er unter dem 03.06.2019 eine schriftliche Einlassung für den ehemals Angeschuldigten abgegeben hat (Bl. 269f. d. A.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 Satz 1 StPO.
RechtsgebietStrafprozessrechtVorschriften§ 154 Abs. 1; § 170 Abs. 2 StPO