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  • 10.08.2021 · IWW-Abrufnummer 223994

    Landgericht Lübeck: Beschluss vom 22.06.2021 – 7 T 280/21

    Wird ein ehemaliger Rechtsanwalt zum Abwickler seiner eigenen Kanzlei bestellt und wird dieser ehemalige Rechtsanwalt in einem Rechtsstreit durch den Abwickler vertreten, fällt keine anwaltliche Vergütung an, die der Prozessgegner im Unterliegensfall zu erstatten hätte. Insbesondere kommt eine Vergütung über § 5 RVG, berechnet nach dem RVG, nicht in Betracht.


    LG Lübeck

    Beschluss vom 22.06.2021


    In pp.

    Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 18.05.2021 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Eutin vom 27.04.2021 abgeändert und, wie folgt, neu gefasst:

    Die von dem Beklagten an den Kläger nach dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Eutin vom 26.03.2021 zu erstattenden Kosten werden auf EUR 294,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2021 festgesetzt. Im übrigen wird der Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 14.04.2021 zurückgewiesen.
    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
    Die Beschwerdegebühr wird auf EUR 33,- ermäßigt.

    Gründe

    I.

    Der Beklagte wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde vom 18.05.2021 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 27.04.2021.

    Der Kläger war Rechtsanwalt. In dieser Eigenschaft vertrat den Beklagten in einer mietrechtlichen Streitigkeit vor dem Amtsgericht (Az.: 23 C 140/17). Unter dem 27.03.2019 erteilte der Kläger seine Vergütungsrechnung für die anwaltliche Vertretung in dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht (Az.: 23 C 140/17). Die Vergütungsrechnung wies den Kläger aber nicht mehr als Rechtsanwalt aus, sondern „als bestellten eigenen Abwickler“. Die Vergütungsrechnung des Klägers beglich der Beklagte nicht. Im anschließenden Vergütungsfestsetzungsverfahren erhob der Beklagte nichtgebührenrechtliche Einwendungen, so dass es nicht zu einer Festsetzung kam.

    Der Kläger leitete ein gerichtliches Mahnverfahren wegen der anwaltlichen Vergütung ein. Nach Widerspruch begründete der Kläger mit Schriftsatz vom 02.03.2021 seinen Anspruch. Auch in diesem sowie in folgenden Schriftsätzen wies sich der Kläger als „als bestellter eigener Abwickler“ aus. Sodann erging ein Versäumnisurteil, welches in Rechtskraft erwuchs. Mit Schriftsatz vom 14.04.2021 hat der Kläger die Erstattung verauslagter Gerichtskosten über EUR 294,- sowie die Erstattung einer anwaltlichen Verfahrensgebühr, einer anwaltlichen Terminsgebühr sowie der Auslagenlagenpauschale (Nr. 3100, 3015, 7002 VV RVG) geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 22.04.2021 hat der Beklagte moniert, dass der Kläger kein Rechtsanwalt mehr sei. Das Amtsgericht hat die Erstattung antragsgemäß durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.05.2021 festgesetzt. Auf die Beanstandung des Beklagten ist das Amtsgericht nicht näher eingegangen.

    Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 18.05.2021. Zur Begründung führt der Beklagte an, dass der Kläger nicht mehr als Anwalt tätig sei und nicht mehr berechtigt sei, nach der anwaltlichen Gebührenordnung abzurechnen.

    Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des Landgerichts Lübeck vorgelegt.

    II.

    1. Die sofortige Beschwerde ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 569 ZPO). Mit der Beschwerde wird eine Beschwer in eigenen Rechten geltend gemacht. Zudem übersteigt die Beschwerde den Wert des Beschwerdegegenstands von EUR 200,- (vgl. § 567 Abs. 2 ZPO).

    2. Die Beschwerdekammer ist aufgrund der Begründung der sofortigen Beschwerde davon ausgegangen, dass sich der Beklagte lediglich gegen die Festsetzung der Vergütung für den Kläger als Abwickler in Höhe von EUR 290,- wendet und nicht auch gegen die von dem Kläger verauslagten und von dem Beklagten zu erstattenden Gerichtskosten über EUR 294,-.

    In diesem Umfange ist die sofortige Beschwerde begründet.

    Eine Erstattung der nach dem RVG berechneten Vergütung in Höhe von EUR 290,- steht dem Kläger nicht zu.

    Nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO gehören die Gebühren und Auslagen eines beauftragten Rechtsanwalts im allgemeinen zu den notwendigen Prozesskosten im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, ohne dass es weiterer Darlegungen bedürfte. Eine Notwendigkeitsprüfung hinsichtlich der Beauftragung des Rechtsanwalts und der von ihm veranlassten Maßnahmen ist insoweit entbehrlich (BGH NJW 2021, 459). Dies gilt auch im Falle einer Selbstvertretung des Rechtsanwalts (vgl. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO). Der persönliche Anwendungsbereich des § 91 Abs. 2 S. 1 bzw. S. 3 ZPO ist in diesem Rechtsstreit jedoch nicht eröffnet. Der Kläger ist in diesem Vergütungsprozess von Anfang an nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten worden. Insbesondere hat er sich selbst nicht als Rechtsanwalt vertreten. Denn er ist bei Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens am 08.01.2021 kein Rechtsanwalt mehr gewesen, sondern lediglich Abwickler seiner ehemaligen Rechtsanwaltskanzlei. Für einen Abwickler einer Rechtsanwaltskanzlei, der nicht selbst Rechtsanwalt ist, gilt § 91 Abs. 2 S. 1 bzw. S. 3 ZPO jedoch nicht.

    Ist der persönliche Anwendungsbereich des § 91 Abs. 2 S. 1 bzw. S. 3 ZPO nicht eröffnet, besagt dies zwar nicht, dass die Erstattung von Kosten eines Abwicklers einer Rechtsanwaltskanzlei überhaupt ausscheidet. Soweit der Kläger jedoch die Kosten des Abwicklers nach dem RVG berechnet, kommt eine Erstattung der so berechneten Kosten nicht in Betracht. Die Vergütung nach dem RVG steht nur Rechtsanwälten (vgl. § 1 RVG). Der Kläger persönlich bzw. in seiner Eigenschaft als Abwickler ist jedoch von Anhängigkeit des Vergütungsprozesses kein Rechtsanwalt mehr gewesen.

    Ebenso über § 5 RVG kommt eine Vergütung, berechnet nach dem RVG nicht in Betracht. Nach dieser Regelung wird die Vergütung auch dann nach dem RVG bemessen, wenn der Rechtsanwalt gemäß § 5 RVG durch einen Rechtsanwalt, den allgemeinen Vertreter, einen Assessor bei einem Rechtsanwalt oder einen zur Ausbildung zugewiesenen Referendar vertreten wird. Liegen die Voraussetzungen des § 5 RVG vor, so erhält der Anwalt die volle Vergütung, die er auch erhalten würde, wenn er die entsprechende Tätigkeit selbst ausgeführt hätte (Mayer in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl. (2019), § 5 RVG, Rn. 8). Bei Vertretung durch andere als die in § 5 RVG genannten Personen kann der RA kraft Gesetzes keine Vergütung nach dem RVG berechnen, auch nicht, wenn der Vertreter die Befähigung zum Richteramt hat (Mayer in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl. (2019), § 5 RVG, Rn. 10). Die Regelung kann für den Kläger schon deshalb nicht mehr herangezogen, weil er - als der Vertretene - vor Beginn der Anhängigkeit dieses Vergütungsprozesses kein Rechtsanwalt mehr ist gewesen und die Tätigkeit des Vertreters deshalb nicht mehr über § 5 RVG nach dem RVG berechnen darf.

    Darüber hinaus ist der Abwickler einer Kanzlei eines früheren Rechtsanwalts (§ 55 Abs. 5 BRAO) in § 5 RVG nicht aufgeführt. Er ist auch nicht der allgemeine Vertreter im Sinne von § 53 BRAO des früheren Anwalts. Dies beruht auf folgendem: Der gemäß § 55 Abs. 1 oder 5 BRAO für die Kanzlei eines verstorbenen oder früheren Rechtsanwalts bestellte Abwickler steht in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zu der ihn bestellenden Rechtsanwaltskammer (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20). Er übt seine öffentlich-rechtliche Berufspflicht fremdnützig wie ein verwaltender Treuhänder aus, ohne dass er bei der Amtsausübung gegenüber Dritten schuldrechtlichen Bindungen unterliegt (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20). Hinsichtlich der anwaltlichen Rechte und Pflichten tritt der Abwickler an die Stelle des früheren Rechtsanwalts und übernimmt dessen anwaltliche Aufgaben und Befugnisse sowohl gegenüber den Mandanten als auch gegenüber den Gerichten und Behörden (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20). Der Abwickler hat die laufenden Mandate eigenverantwortlich fortzuführen und gilt für die schwebenden Angelegenheiten als vom Mandanten bevollmächtigt (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20). Insofern besteht ein grundlegender Unterschied zum Vertreter gemäß § 53 BRAO, der lediglich Erfüllungsgehilfe des Vertretenen ist und nicht in die Mandatsverhältnisse eintritt (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20).

    Eine Erstattung kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass es sich bei der nach dem RVG berechneten Vergütung um eine Abwicklervergütung in Anwendung von § 55 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 10 BRAO handeln könnte. Nach § 55 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 10 BRAO erhält ein Abwickler eine sogenannte „angemessene Vergütung“. Dass eine Abwicklervergütung auch dann angemessen ist, wenn die Vergütung nach auch dem RVG je gebührenrechtlicher Angelegenheiten berechnet wird, ist weder dargelegt noch sonstwie ersichtlich. Das gilt umso mehr, wenn es um die Fallkonstellation geht, dass der ehemalige Rechtsanwalt zum Abwickler seiner eigenen Kanzlei bestellt worden ist und der Abwickler für den ehemaligen Rechtsanwalt die ihm zustehende anwaltliche Vergütungsforderung gerichtlich geltend macht.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Ermäßigung der Gerichtsgebühr ergibt sich aus der Anmerkung zu Nr. 1812 KV GKG.

    RechtsgebietGebührenrechtVorschriften§ 1, § 5 RVG; Nrn. 3100, 3015, 7002 VV RVG; § 91 Abs. 2 S. 1 bzw. S. 3 ZPO