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  • 09.11.2021 · IWW-Abrufnummer 225752

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 11.02.2021 – 22 W 5/21

    1.

    Reicht eine nicht anwaltlich vertretene Partei Klage beim Landgericht ein und nimmt sie später zurück, ist die Gerichtsgebühr entstanden.
    2.

    Unter den Voraussetzungen des § 21 GKG kann in diesem Fall von einer Erhebung abgesehen werden.



    Tenor:

    Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 9.9.2020 wird zurückgewiesen.

    Gemäß § 21 GKG werden die Gerichtskosten für die Klage vom 4.12.2018 in Form der Kostenrechnung vom 8.8.2019 nicht erhoben.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
    Gründe

    I.

    Der Kläger reichte unter dem 4.12.2018 ohne anwaltliche Vertretung vor dem Landgericht Darmstadt eine Klage über 15 Millionen € gegen die X AG ein. Nach Anforderung eines Vorschusses i.H.v. 167.208 € stellte er am 23.1.2018 Antrag auf Prozesskostenhilfe.

    Das Landgericht hat die Prozesskostenhilfe unter dem 3.4.2019 abgelehnt und auf den Einspruch des Klägers der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Senat hat unter dem 12.7.2019 (…/19) die Beschwerde zurückgewiesen.

    Daraufhin hat der Kläger unter dem 31.7.2019 (eingegangen am 6.8.2019) die Klage zurückgenommen. Er erhielt deshalb unter dem 8.8.2019 eine Kostenrechnung über 55.736 €, was einer Gerichtsgebühr aus einem Streitwert von 15 Millionen € entspricht.

    Gegen den Beschluss des Senats vom 12.7.2019 hat der Kläger weitere Rechtsbehelfe eingelegt, die sämtlich ohne Erfolg geblieben sind. Auch eine Verfassungsbeschwerde wurde unter dem 14.5.2020 zurückgewiesen.

    Zwischenzeitlich erfolgte eine Pfändung in das Vermögen des Klägers wegen der Gerichtskostenrechnung, gegen die er sich mit Schreiben vom 8.7.2020 (Bl. 151 der Akte), 9.12.2020 (Bl. 235 der Akte) und 7.1.2021 (Bl. 242 der Akte) wandte. Die zuständige Richterin am Landgericht vermerkte unter dem 16.7.2020, dass sich der Kläger gegen die Gerichtskostenrechnung wende (Bl. 153 der Akte). Daraufhin hat der Kostenbeamte unter dem 20.7.2020 der Erinnerung des Klägers gegen die Kostenrechnung IV nicht abgeholfen. Dies wurde bestätigt durch das Schreiben der Bezirksrevisorin vom 20.7.2020, wonach auch ein prozessual unwirksamer Antrag die Verfahrensgebühr auslöse.

    Unter dem 6.9.2020 stellte der Kläger einen neuen Antrag auf Prozesskostenhilfe, der unter dem 27.10.2020 durch das Landgericht zurückgewiesen wurde. Zuvor hatte das Landgericht mit Schreiben vom 9.9.2020 die Erinnerung des Klägers gegen die Gerichtskostenrechnung gemäß § 66 GKG zurückgewiesen (Bl. 165 der Akte).

    Gegen die erneute Ablehnung der Prozesskostenhilfe hat der Kläger wiederum Einspruch eingelegt, seine Beschwerde wurde durch den Senat unter dem 20.11.2020 zurückgewiesen, weitere Rechtsbehelfe dagegen ebenfalls (…/20).

    Der Kostenbeamte legte die Eingabe des Klägers vom 7.1.2021 dem Landgericht vor, mit der Bitte um Prüfung, ob diese als Beschwerde gegen den Beschluss vom 9.9.20 angesehen werden könnte. Das Landgericht hat unter dem 20.1.2021 die Akten dem Senat vorgelegt und zugleich mitgeteilt, einer eventuellen Beschwerde gegen den Beschluss vom 9.9.2020 werde nicht abgeholfen.

    II.

    Das Schreiben des Klägers vom 7.1.2021 (Bl. 242 der Akte) ist als statthafte Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 9.9.2020 (Bl. 165 der Akte) anzusehen (§ 66 Abs. 2 GKG), mit dem dieses das als Erinnerung gemäß § 66 GKG zu wertende Schreiben des Klägers vom 10.7.2020 gegen die Kostenrechnung vom 8.8.2019 zurückgewiesen hat.

    Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft (§ 66 Abs. 2 GKG), die formlos und auch ohne Beteiligung eines Rechtsanwalts eingelegt werden kann und auch keinen Fristen unterliegt.

    Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Senat hält allerdings die Anwendung des § 21 GKG für geboten und beschließt, die Gerichtskosten für die Klage nicht zu erheben.

    1. Kostenrechnung vom 8.8.2019

    Das Landgericht hat zutreffend die Erinnerung des Klägers gegen die Kostenrechnung zurückgewiesen.

    Durch die vom Kläger eingereichte Klage über eine Forderung von 15 Mio. € ist eine Verfahrensgebühr fällig geworden, die sich durch die Rücknahme der Klage gemäß Nr. 1211 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG auf die in Rechnung gestellte einfache Gerichtsgebühr ermäßigt hat.

    Daran ändert nichts, dass der Kläger selbst für ein Verfahren vor dem Landgericht ohne Beistand eines zugelassenen Rechtsanwalts überhaupt nicht postulationsfähig war, mithin gar keine Klage erheben konnte.

    Gem. § 6 Abs. 1 GKG wird die Verfahrensgebühr gem. Nr. 1210 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG mit der Einreichung der Klageschrift fällig. Klageschrift im vorgenannten Sinn ist jedes Schriftstück, in dem die Absicht der Klageerhebung zum Ausdruck kommt (vgl. Musielak/Foerste, ZPO, § 253 Rdz. 6). Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 GKG entsteht die Verfahrensgebühr mithin in dem Moment, in dem ein Schriftstück im vorgenannten Sinn bei Gericht eingeht. § 6 GKG setzt keine weitere Bearbeitung des Schriftstücks durch das Gericht voraus. Dem Wortlaut nach differenziert § 6 GKG auch nicht danach, ob die Klageschrift aus prozessualen Gründen wirksam oder unwirksam ist (Beschluss vom 16.12.2010 - Xa ZB 7/10 -; OLG Köln ZinsO 2009, 2411).

    Für eine Differenzierung nach wirksamen oder unwirksamen Klageerhebungen im Rahmen des § 6 GKG besteht im Übrigen auch kein Anlass. Soweit eine Klage nicht den Formerfordernissen des § 253 ZPO entspricht, ist diese unzulässig und ggf. eine Entscheidung durch Prozessurteil zu treffen.

    Reicht mithin eine Privatperson die Klage beim Landgericht ein, somit wegen Verstoßes gegen den Anwaltszwang unzulässig (§ 78 ZPO), ist trotzdem die Gebühr fällig geworden. Die Klage eines Geschäftsunfähigen dagegen löst keine Gebühr aus (Binz/Dörndorfer/Zimmermann Zimmermann, 4. Aufl. 2019, GKG § 6 Rn. 4, 5).

    2. Nichterhebung der Gerichtskosten gemäß § 21 GKG

    Dem Interesse des Rechtsschutzsuchenden wird aber in ausreichender Weise durch die Vorschrift des § 21 GKG Rechnung getragen (vgl. Zöller/Greger, ZPO § 253 Rdz. 22). Gem. § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG kann für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags von der Erhebung der Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

    Nach § 21 Abs. 1 S. 3 „kann“ das Gericht nach seinem Ermessen von der Kostenerhebung absehen. Vorausgesetzt wird, dass auf einen Antrag (Klage, PKH-Gesuch, Rechtsmittel; BGH NJW-RR 2005, 1230 [BGH 04.05.2005 - XII ZR 217/04]; OLG Koblenz NJW-RR 2012, 891) eine abweisende gerichtliche Entscheidung (Beschluss, Urteil) ergeht oder der Antrag vor Erlass einer Entscheidung zurückgenommen wird. Der Antrag muss ferner auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruhen. Davon kann in der Regel ausgegangen werden, wenn von prozessunfähigen Personen oder von Betreuten, für die zur Vertretung in gerichtlichen Verfahren ein Betreuer bestellt ist (vgl. § 53 ZPO), Klage erhoben oder ein Antrag eingereicht wird (OLG Koblenz NJW-RR 2012, 891 [OLG Koblenz 06.03.2012 - 14 W 124/12]; BeckOK KostR/Dörndorfer, GKG § 21 Rn. 8).

    Jedoch sollte man die Gebühr gemäß § 21 GKG auch dann nicht erheben, wenn eine Partei ohne postulationsfähigen Rechtsanwalt Klage erhebt (Binz/Dörnhofer/-Zimmermann Zimmermann, 4. Aufl. 2019, GKG § 6 Rn. 4, 5;).

    Die Situation ist mit der einer prozessunfähigen Partei vergleichbar, da - unabhängig von einem Antrag auf Prozesskostenhilfe - die nicht anwaltliche vertretene Partei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine wirksame Klage erheben kann und deshalb von Seiten des Gerichts auch kein besonderer Aufwand erforderlich ist und insbesondere die Unzulässigkeit der Rechtshandlung auf der Hand liegt. Ist die Klage durch einen nicht Postulationsfähigen unterschrieben, gibt der Vorsitzende zunächst Gelegenheit zur Klarstellung bzw. Behebung des Mangels (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 253 ZPO, Rn. 22). Dies ist vorliegend zwar nicht erfolgt, jedoch ist bereits nach der bloßen Anforderung des Gerichtskostenvorschusses der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt worden, so dass sich die Frage der Postulationsfähigkeit zunächst erledigt hatte, weil die Stellung des Prozesskostenhilfeantrags durch den Kläger selbst erfolgen konnte.

    Zudem löst nach einer von der Bezirksrevisorin zitierten Kommentierung (Oestreich/Winter/Hellstab, KV 1210 Rdz. 54 f.) ein prozessual unwirksamer Antrag die allgemeine Verfahrensgebühr nur dann aus, wenn er sachlich behandelt wird. Eine solche sachliche Behandlung ist vorliegend aber, wie dargelegt, nicht gegeben, weil die Einzelrichterin die Zulässigkeit der Klage mangels Vorschusses nicht geprüft und auch keine Hinweise an den Kläger erteilt hat (vgl. zu allem OLG Celle Beschl. v. 23.12.2008 - 2 W 283/08 -).

    Die Notwendigkeit der Beteiligung eines Rechtsanwalts zeigt außerdem gerade, dass der Gesetzgeber bei höheren Streitwerten oder besonderen Verfahrensarten eine Beratung und Vertretung der in der Regel rechtsunkundigen Partei verlangt, um zum einen geordneten Parteivortrag zu ermöglichen, zum anderen aber auch durch vorherige rechtliche Beratung die Erhebung unsinniger und - durch die Kostenerhebung - möglicherweise existenzgefährdender Klagen zu verhindern.

    Eine Existenzgefährdung mag vorliegend noch nicht der Fall sein, wäre allerdings bei einem um ein Vielfaches höheren Betrag, der ebenso wie die vom Kläger verlangten 15 Mio. € ohne realen Anknüpfungspunkt gewesen wäre, jederzeit denkbar. Dass dem Kläger der notwendige Aufwand an Vorschuss für die Gerichtsgebühren nicht bekannt war, zeigt sich unzweifelhaft bereits daran, dass er unmittelbar nach der Anforderung des Vorschusses einen - unbegründeten - Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt hat. Es erscheint mithin unbillig, dem Kläger hohe Gerichtskosten nur deshalb aufzubürden, weil er den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gleichzeitig mit der Klageerhebung gestellt hat.

    Dass der Kläger im Ergebnis durch zahlreiche unbegründete PKH-Anträge und Rechtsmittel erheblichen Arbeitsaufwand verursacht hat, ist dafür allerdings unerheblich, weil der Gesetzgeber die unbegründete Stellung von PKH-Anträgen nicht gebührenrechtlich sanktioniert und die Gebühren für unbegründete Rechtsmittel insoweit ebenfalls streitwertunabhängig sind.

    Der Kläger wird vorsorglich allerdings darauf hingewiesen, dass sich aus der Ermessensentscheidung, die Gerichtskosten nicht zu erheben, keine Schadensersatzansprüche irgendwelcher Art ergeben. Soweit hinsichtlich der Zurückweisung der Beschwerden in den Prozesskostenhilfeverfahren Gebühren angefallen sind, bleiben diese bestehen.

    3. Zuständigkeit

    Der Senat ist für die Entscheidung nach § 21 GKG zuständig, weil das Rechtsmittelverfahren bei ihm anhängig ist. Das Gericht einer höheren Instanz ist zuständig, soweit und solange es mit der Sache befasst ist oder war (OLG Brandenburg FamRZ 2004, 1662; KG JurBüro 1997, 654; BeckOK KostR/Dörndorfer, 31. Ed. 1.9.2020, GKG § 21 Rn. 9).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.
    Hinweis:

    Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

    RechtsgebietKostenrechtVorschriften§ 21 Abs. 1 S. 3 GKG