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  • 11.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230162

    Landgericht Köln: Beschluss vom 16.11.2021 – 111 Ks 6/21

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Der Antrag des Angeklagten vom 26.10.2021 auf Beiordnung von Rechtsanwältin X als weiterer Pflichtverteidigerin wird abgelehnt.
     
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    Gründe:
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    Der Antrag des Angeklagten vom 26.10.2021 auf Beiordnung von Rechtsanwältin X als weiterer Pflichtverteidigerin war abzulehnen. Gemäß § 144 Abs. 1 StPO kann dem Beschuldigten neben einem gemäß § 141 StPO bestellten Verteidiger ein weiterer Pflichtverteidiger zusätzlich bestellt werden, wenn dies zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens, insbesondere wegen dessen Umfang oder Schwierigkeit, erforderlich ist. Dabei kommt die Bestellung des Sicherungsverteidigers nur ausnahmsweise in Betracht (Vgl. KG, Beck RS 2018, 24184; 2013, 19711; so auch für die neue Rechtslage OLG Celle, BeckRS 2020, 8474 Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
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    Das Verfahren betrifft fünf Angeklagte, von denen sich derzeit noch einer in Untersuchungshaft befindet, die übrigen Angeklagten sind vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft derzeit verschont. An dem Verfahren beteiligt sich ein Nebenkläger. Die Anklageschrift listet als Beweismittel 20 Zeugen (außer Polizeibeamten), 28 Polizeibeamte als Zeugen - die erfahrungsgemäß nicht alle zu vernehmen sein werden - zwei sachverständige Zeugen und vier Sachverständige auf, hierunter drei Sachverständige aus dem Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln, wobei es ausreichend sein wird, einen der drei benannten rechtsmedizinischen Sachverständigen zu vernehmen. Ein psychiatrischer Sachverständiger wird zusätzlich zu hören sein. Die Einlassungen der Angeklagten - sofern beabsichtigt - und das zuvor aufgezeigte Beweisprogramm wird sich in den derzeit anberaumten 19 Verhandlungstagen abarbeiten lassen. Für den Fall, dass diese Anzahl von Verhandlungstagen - wider Erwarten - nicht ausreichen sollte, ist angekündigt worden, an welchen Tagen erforderlichenfalls weiter terminiert werden wird, damit alle Verfahrensbeteiligten sich hierauf rechtzeitig einstellen können. Die terminierten Verhandlungstage sind mit den Verfahrensbeteiligten abgesprochen worden, so dass sie nach eigenen Angaben zu diesen zur Verfügung stehen, auf eventuell weiter erforderliche Verhandlungstage können sie sich frühzeitig einstellen, so dass zur Abarbeitung des Verhandlungsprogramms kein zweiter Pflichtverteidiger erforderlich erscheint.
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    Der Anklagevorwurf mit u. a. dem Tatvorwurf eines gemeinschaftlich begangenen versuchten Tötungsdelikts ist schwerwiegend, erfordert aber nicht allein aus diesem Grund die Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers, da sonst nie ein Schwurgerichtsverfahren ohne zweiten Pflichtverteidiger verhandelt werden könnte.
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    Die Akten sind im vorliegenden Verfahren zwar umfangreich - sie umfassen derzeit ca. 2950 Blatt Hauptakten, zwei Bände Beweismittelhefter, einen Sonderband Handyauswertung und zwei Bände Sonderheft TKÜ. Insoweit ist die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers nicht hilfreich, da jeder Verteidiger selbst über die erforderliche Aktenkenntnis verfügen muss, um sachgerecht verteidigen zu können. Rechtsanwalt C ist am 12.03.2021 beigeordnet worden, so dass er ausreichend Zeit hatte, sich in das Verfahren einzuarbeiten. Im Übrigen hält sich der Aktenumfang im Rahmen dessen, was bei Schwurgerichtsverfahren immer mal wieder anzutreffen ist.
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    Die Schwierigkeit des Verfahrens hängt von der Beweislage ab, von der man sich in der Hauptverhandlung ein Bild wird machen müssen. Dass insofern ein zweiter Pflichtverteidiger zur zügigen Durchführung des Verfahrens hilfreich oder gar erforderlich wäre, ist nicht ersichtlich. Es genügt insoweit weder die bloße Möglichkeit, dass der Verteidiger während einer längeren Verhandlung erkranken könnte (vgl. OLG Celle, BeckRS 2020, 8474 Rn. 12 (17), OLG Hamm, BeckRS 2020, 9773), noch die Ermöglichung der Vertretung der Verteidiger untereinander (OLG Hamburg, BeckRS 2020, 538; KG, BeckRS 2018, 24184; OLG Hamm, NStZ 2011, 235, OLG Frankfurt a. M., StV 1995, 68), um einen zweiten Pflichtverteidiger zu bestellen.
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    Bei Abwägung der vorgenannten Umstände ist die Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers zur zügigen Durchführung des Verfahrens auch angesichts seines Umfangs und seiner Schwierigkeit nicht erforderlich.
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    Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft. Diese ist binnen einer Woche ab förmlicher Zustellung des Beschlusses an den Verteidiger/die Verteidigerin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Köln einzulegen.
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    Köln, 16.11.2021 Landgericht

    RechtsgebieteStrafprozessrecht, Pflichtverteidigung, EntpflichtungVorschriften§ 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO