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  • 11.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231711

    Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 27.06.2022 – 2 WF 79/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Bamberg

    Beschluss vom 27.06.2022


    Tenor:

    1. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gemünden a. Main vom 24.03.2022, Az. 003 F 567/19, wird zurückgewiesen.
    2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt

    Gründe

    I.

    1. In einem Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung gemäß §§ 1666, 1666a BGB wurde die Sachverständige Dipl. Psych. X durch Beschluss des Amtsgerichts vom 18.10.2021 mit der Erstattung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Gegenstand der Begutachtung waren Fragen der Erziehungsfähigkeit der Kindseltern sowie einer Rückführung der Kinder in den Haushalt der Kindsmutter. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen (Bl. 252 d.A.). Gemäß Ziffer 3 des Beschlusses sollte das Gutachten längstens binnen 6 Monaten erstattet werden.

    Mit Schreiben vom 22.10.2021 (Bl. 260 d.A.) wies die Sachverständige darauf hin, dass aufgrund der bestehenden Arbeitsbelastung mit einer Bearbeitungszeit von 6 bis 9 Monaten zu rechnen sei. Im Folgenden nahm die Begutachtung zunächst ihren Fortgang. Mit Verfügung vom 27.12.2021 teilte das Amtsgericht der Sachverständigen auf entsprechende Anfrage mit, dass um Erstellung des Gutachtens auch ohne weitere Kontaktaufnahme mit dem Kindsvater gebeten werde, nachdem sich dieser bei der Sachverständigen nicht gemeldet hatte.

    Mit Schreiben vom 13.01.2022 teilte die Sachverständige sodann mit, dass sie längerfristig erkrankt und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar sei. Aus diesem Grund bat sie um Entscheidung, ob die Begutachtung bis auf Weiteres ausgesetzt werden oder eine Entpflichtung von der Erstellung des Gutachtens erfolgen solle. Weiterhin übersandte sie mit Schreiben vom gleichen Tag eine Abrechnung der bisher für ihre Tätigkeit angefallen Kosten über 1.393,31 €. Auf die Kostennote vom 12.01.2022 (Bl. 272 d.A.) wird Bezug genommen.

    Die Bezirksrevisorin beim Landgericht xxx wandte sich mit Schreiben vom 25.01.2022 gegen eine Entschädigung der Sachverständigen und beantragte die gerichtliche Festsetzung der Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG. Es liege eine Teilleistung vor, die für das Gericht oder einen weiteren Sachverständigen nicht verwertbar sei. Nachdem die Gründe für die Nichterbringung der vollständigen Leistung in der Person der beauftragten Sachverständigen selbst lägen, sei eine Vergütung daher zu versagen.

    Mit Beschluss vom 11.02.2022 entband das Amtsgericht die Sachverständige X. von der Erstellung des Gutachtens und beauftragte einen neuen Sachverständigen mit der Erstattung des Gutachtens entsprechend dem Beweisbeschluss vom 18.10.2021.

    2. Mit weiterem Beschluss vom 24.03.2022 hat das Gericht die an die Sachverständige X. zu zahlende Vergütung entsprechend der Rechnung vom 12.01.2022 auf 1.393,21 € festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich aus den Bestimmungen zum Verlust des Entschädigungsanspruchs gemäß § 8a JVEG ergebe, dass eine Vergütung für erbrachte Teilleistungen dann zu gewähren sei, wenn der Sachverständige die Nichtfertigstellung des Gutachtens nicht zu vertreten habe. Auf den Vergütungsanspruch sei weder Dienst- noch Werkvertragsrecht anwendbar, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Beziehung handele. Daher sei eine entsprechende Anwendung von Vorschriften, die einen Verlust des Vergütungsanspruchs vorsehen, nicht zulässig, zumal der Sachverständige bei einer Erkrankung die Nichtfertigstellung des Gutachtens nicht beeinflussen könne.

    3. Gegen die ihr am 11.04.2022 zugestellte Entscheidung hat sich die Bezirksrevisorin beim Landgericht xxx mit ihrer am 19.04.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde vom 13.04.2022 gewendet, mit der sie beantragt hat, das Honorar der Sachverständigen X. auf 0,00 € festzusetzen. Wenn die Gründe für die Nichtfertigstellung des Gutachtens wie vorliegend in der Person des Sachverständigen liegen, sei eine Vergütung regelmäßig zu versagen, wenn die erbrachte Teilleistung für die weiteren Beteiligten sowie das Gericht nicht verwertbar sei. Dies folge auch aus § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG, der eine Vergütung bei mangelhafter und nicht bestimmungsgemäß verwertbarer Leistungserbringung ausschließe. Vorliegend müsse sich der neue Sachverständige einen eigenen Eindruck von den zu begutachtenden Personen verschaffen und könne nicht auf die Vorarbeiten der vormaligen Sachverständigen zurückgreifen. Zudem sei es unbillig, wenn Beteiligte nach Verfahrensabschluss die Kostentragungspflicht auch hinsichtlich der nicht verwertbaren Begutachtung treffe. Auch im Verhältnis zur Staatskasse trage der beauftragte Sachverständige das Risiko eines aus seiner Sphäre stammenden Verhinderungsgrundes wie einer unverschuldeten Erkrankung.

    Mit Beschluss vom 19.04.2022 hat das Amtsgericht der Beschwerde unter Bezugnahme auf die Gründe des Beschlusses vom 24.03.2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    Die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG statthafte Beschwerde der Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse ist auch im Übrigen gemäß § 4 Abs. 3, Abs. 4 JVEG zulässig. In der Sache bleibt sie erfolglos. Bei Nichtfertigstellung des Gutachtens aufgrund unverschuldeter Erkrankung des Sachverständigen bleibt dessen Teilvergütungsanspruch gemäß §§ 413 ZPO, 8 JVEG auch bei Nichtverwertbarkeit der erbrachten Teilleistungen für das weitere Verfahren erhalten.

    1. Auf die Fälle einer nicht vollständigen oder nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung des Sachverständigen sind die bürgerlich-rechtlicher Bestimmungen des Dienst- oder Werkvertrages nicht anwendbar. Die Leistungen des Sachverständigen werden in Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Verpflichtung und nicht aufgrund vertraglicher Übernahme erbracht (vgl. BGH, Beschluss v. 15.12.1975, Az. X ZR 52/73; LSG NRW, Beschluss v. 13.09.2018, Az. L 15 R 357/18).

    Bereits aus der Verpflichtung zur Übernahme des Gutachtensauftrags gemäß § 407 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass die vom Sachverständigen in Erfüllung des Auftrags getätigten Aufwendungen regelmäßig zu erstatten sind. Ausnahmetatbestände sind grundsätzlich eng auszulegen.

    2. Ein Fall des Wegfalls oder der Beschränkung des Vergütungsanspruchs gemäß § 8a JVEG ist vorliegend nicht gegeben. Insbesondere kann die nur teilweise Leistungserbringung nicht mit einer mangelhaften Leistung gemäß § 8a Abs. 2 Nr. 2 JVEG gleichgesetzt werden. Zwar stellt § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG nicht darauf ab, dass die mangelhafte Leistung auf einem pflichtwidrigen oder grob fahrlässigen Verhalten des Sachverständigen beruht. Daher wird vertreten, dass bei krankheitsbedingt nicht erfolgter Nachbesserung eines mangelhaften Gutachtens eine Vergütung der mangelhaften Teilleistung nicht erfolgen kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 25.08.2020, Az. III-4 Ws 75/20; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 24.05.2018, Az.: 10 W 34/18 jeweils für Fälle des krankheitsbedingten Nichterscheinens des Sachverständigen in einem Termin zur Erläuterung des mangelhaften Gutachtens). Grundlage des Verzichts auf ein gesondertes Verschuldenserfordernis ist jedoch die § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG immanente gesetzliche Vermutung, dass die mangelhafte Leistung auf einem verschuldeten Verstoß des Sachverständigen gegen seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Erstellung des Gutachtens beruht (vgl. auch BT-Drs. 19/23484, S. 66 zu Nr. 7, § 8a JVEG). Die fehlende Möglichkeit der Fortführung des Gutachtensauftrags aufgrund einer Erkrankung des Sachverständigen begründet hingegen keine Verschuldensvermutung, sondern stellt sich typischerweise als nicht zu vertretendes Leistungshindernis dar.

    3. Die Nichtfortführung des Gutachtensauftrags aufgrund einer Erkrankung ist vielmehr nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 JVEG zu beurteilen. Danach erhält der Berechtigte eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er.trotz Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes seine Leistung nicht vollständig erbracht hat. Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 411 Abs. 2 ZPO ist jedoch entsprechend § 381 ZPO, dass der Sachverständige die Säumnis verschuldet hat (vgl. MüKo-ZPO/Zimmermann, 6. Aufl., § 411 Rn. 7). Im Gegenschluss erhält der Sachverständige eine Vergütung für eine nicht bestimmungsgemäß verwertbare Leistung auch dann, wenn die Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes aufgrund des fehlenden Vertretenmüssens der Fristversäumnis nicht erfolgen kann.

    Vorliegend erfolgte eine Entbindung der Sachverständigen von der Verpflichtung zur Gutachtenserstattung nach der angezeigten Erkrankung mit Beschluss vom 11.02.2022 noch innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist von 6 Monaten zur Fertigstellung des Gutachtens. Die Voraussetzungen einer Ordnungsgeldfestsetzung gemäß § 411 Abs. 2 ZPO lagen in Ermangelung eines Verschuldens der Sachverständigen hinsichtlich der drohenden Fristversäumung nicht vor. Hätte das Amtsgericht mit der Erstattung des Gutachtens zugewartet, wären die Voraussetzungen einer Beschränkung oder eines Wegfalls des Vergütungsanspruchs wegen verspäteter Leistungserbringung gemäß § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 JVEG dementsprechend nicht gegeben und auch nicht zu schaffen gewesen. Wenn das Gericht zur insbesondere in Kindschaftssachen gebotenen Beschleunigung stattdessen von der Möglichkeit einer Entpflichtung der Sachverständigen Gebrauch macht, kann nichts anderes gelten.

    4. Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung ergibt sich aus dem Wesen der Teilleistung nichts anderes. Soweit teilweise vertreten wird, dass eine Differenzierung danach erfolgen könne, ob die Gründe für die unterbliebene Fertigstellung in der Person des beauftragten Sachverständigen selbst oder außerhalb seiner Sphäre liegen und bei in der Person des Sachverständigen liegenden Gründen ein Anspruch auf Vergütung nicht verwertbarer Teilleistungen entfalle (so Schneider, JVEG, 4. Aufl., § 8 Rn. 9), widerspricht dieses wie zuvor dargelegt bereits grundlegend der gesetzlichen Regelung in § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 JVEG. Auch aus der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Teilleistungen gemäß § 266 BGB lässt sich nicht anderes herleiten, da die Regelungen des vertraglichen Leistungsstörungsrechts aufgrund des öffentlich-rechtlichen Charakters der Leistungsverpflichtung des Sachverständigen nicht anwendbar sind.

    Bei Nichterstattung des Gutachtens ist der Sachverständige hinsichtlich seiner Auslagen und seines Zeitaufwandes somit zu vergüten, wenn er die Nichtfertigstellung nicht zu vertreten hat, insbesondere auch bei unverschuldet krankheitsbedingter Unmöglichkeit der Fortführung der Begutachtung. Auf die Verwertbarkeit einer Teilleistung kommt es hierbei nicht an (so auch MüKo/ZPO-Zimmermann, 6. Aufl., § 413 Rn. 4; Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl., § 413 Rn. 3).

    5. Auch die von der Beschwerde angeführten Billigkeitserwägungen gegen eine Tragung der Kosten des Sachverständigen durch die Beteiligten oder die Staatskasse führen zu keinem anderen Ergebnis. Hiergegen spricht bereits, dass die Verfahrensbeteiligten und somit auch der Kostenschuldner im Verfahren nach §?4 JVEG nicht beteiligt sind, so dass die Entscheidung über die Entschädigung nicht zulasten des Kostenschuldners wirkt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 15.05.2020, Az. 7 WF 32/20; Schneider/Volpert/Fölsch-Simon/Pannen, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage, § 4 JVEG Rn. 18). Zudem sind nach allgemeinen Grundsätzen auch Kosten zu tragen, die zwar für die Entscheidungsfindung nicht erforderlich waren, jedoch nicht auf einer unrichtigen Sachbehandlung beruhen, wie sich aus der Möglichkeit der Nichterhebung derartiger Kosten gemäß § 20 FamGKG ergibt. Insoweit sind die beispielsweise bei krankheitsbedingtem Wechsel des zuständigen Richters entstehenden Kosten einer erforderlichen Wiederholung einer Beweisaufnahme mit den zusätzlichen Kosten vergleichbar, die wie vorliegend durch die krankheitsbedingte Entpflichtung eines Sachverständigen veranlasst werden.

    6. Gegen die Höhe der festgesetzten Vergütung von 1.393,31 € entsprechend der Kostennote vom 12.01.2022 werden mit der Beschwerde keine Einwände erhoben. Sie ist sachlich nicht zu beanstanden.

    7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

    RechtsgebietGutachterVorschriften§ 407 Abs. 1 ZPO, § 8a Abs. 2 Nr. 2 JVEG