08.12.2022 · IWW-Abrufnummer 232679
Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 18.01.2018 – 15 WF 258/17
1. Die Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG, nach deren Ablauf das Gericht daran gehindert ist, seine Wertfestsetzung zu ändern, beginnt nicht, solange keine Entscheidung über den Verfahrenswert getroffen worden ist.
2. Von einer Entscheidung über den Verfahrenswert ist nur dann auszugehen, wenn sie als Grundlage für die Berechnung wertabhängiger Gerichtsgebühren geeignet ist. Dies ist nur der Fall, wenn sich aus ihr zweifelsfrei der Wert für das gesamte Verfahren ermitteln lässt.
3. Beschränkt sich eine Entscheidung auf die Angabe verschiedener, nach Zeitabschnitten des Verfahrens gestaffelter Werte, ohne Angabe des Gesamtwertes und ohne einen Rückschluss darauf zuzulassen, in welchem Verhältnis diese Einzelwerte zu dem Gesamtwert stehen, entfaltet eine solche unbestimmte Wertfestsetzung keine Bindungswirkung i.S.v. § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Luckenwalde vom 14. August 2017 - 31 F 269/11 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die gem. § 59 FamGKG zulässige Beschwerde gegen die Wertfestsetzung für das Verfahren erster Instanz hat insofern Erfolg, als sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht führt.
Die Gründe tragen die Entscheidung nicht.
Das Amtsgericht hat allerdings im Ansatz zutreffend erkannt, dass sich der "Schlussendbeschluss" vom 31.03.2015 zum Wert des erstinstanzlichen Verfahrens verhält. Soweit das Amtsgericht weiter feststellt, dass sich jenes Verfahren auf Grund des im Beschwerdeverfahren vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht - 3 UF 57/15 - mit Beschluss vom 02.06.2016 festgestellten Vergleichs am 02.06.2016 erledigt hat, erscheint dies allerdings zweifelhaft. In dem Vergleich haben die Beteiligten explizit (vgl. Nr. 3. des Vergleichs) vereinbart, dass die Erledigung des Verfahrens nicht etwa mit dem Abschluss des Vergleichs, sondern mit der Erfüllung der darin genannten Zahlungsverpflichtungen eintreten sollte.
Letztlich kommt es jedoch nicht auf den Zeitpunkt der Verfahrenserledigung an, da auch dann, wenn das Verfahren seit mehr als sechs Monaten rechtskräftig abgeschlossen oder sonst erledigt wäre, der "Schlussendbeschluss" vom 31.03.2015 einer Wertfestsetzung nicht entgegensteht. Gemäß § 55 Abs. 3 S. 2 FamGKG ist es dem Gericht lediglich verwehrt, nach Ablauf von sechs Monaten, seitdem die Entscheidung wegen des Hauptgegenstandes Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eine bereits bestehende Entscheidung über den Verfahrenswert abzuändern. Von einer Entscheidung über den Verfahrenswert ist dann auszugehen, wenn sie als Grundlage für die Berechnung wertabhängiger Gerichtsgebühren geeignet ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn sich aus ihr zweifelsfrei der Wert für das gesamte Verfahren ermitteln lässt (Schneider/Volpert/Fölsch, gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., § 63 GKG, Rn. 64 und § 55 FamGKG, Rn. 29). Dieser Anforderung werden jedoch die nach Zeitabschnitten gestaffelten Wertangaben in dem "Schlussendbeschluss" vom 31.03.2015 nicht gerecht. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Verfahren kein Anlass für die Festsetzung gestaffelter Verfahrenswerte bestand (zur Unzulässigkeit der Festsetzung zeitlich gestaffelter Werte für die Berechnung einer einheitlichen Gerichtsgebühr: BGH, MDR, 2015, 51 [BGH 28.10.2014 - XI ZR 395/13]; OLG München, AGS 2017, 336 [OLG München 13.12.2016 - 15 U 2407/16]; Schneider, AGS 2011, IV; Schneider/Volpert/Fölsch, a.a.O., § 63 GKG, Rn. 64 ff.) ist ihr nicht zu entnehmen, in welchem Verhältnis die einzelnen Wertansätze zu dem Gesamtwert stehen. Der Ansicht des Amtsgerichts, wonach die Entscheidung nur den Schluss erlaube, dass die in dem "Schlussendbeschluss" nach Zeitabschnitten gesondert ausgewiesenen Einzelwerte zu addieren seien, ist nicht zu folgen. Da für das Verfahren erster Instanz nur eine einzige Gerichtsgebühr erhoben wird, wenn auch mit einem Gebührensatz von 3,0 (Nr. 1220 FamGKG-KV), konnte es für diese eine Gebühr auch nur einen einzigen Wert geben. Ändert sich der Wert im Verlauf des Verfahrens ist der jeweils höchste maßgebend. Mithin rechtfertigt die zeitliche Staffelung unterschiedlicher Wertangaben nicht den Rückschluss darauf, dass der Gesamtwert sich aus der Addition der Einzelwerte ergibt (zur vergleichbaren Problematik bei der Festsetzung von Einzelwerten von Klage und Widerklage: Schneider/Volpert/Fölsch, a.a.O., § 63, Rn. 73). Es ist vielmehr auch denkbar, dass der Wert des gesamten Verfahrens der des am höchsten bewerteten Teilabschnittes ist. Auch die im "Schlussendbeschluss" dargelegten Gründe geben keinen zweifelsfreien Aufschluss über das Verhältnis der darin festgesetzten Einzelwerte zum Gesamtwert, unabhängig davon, dass die Gründe sich lediglich auf zwei Verfahrensabschnitte beziehen, während die im Tenor erfolgte Staffelung drei Abschnitte erfasst.
Dann aber entfaltet die unbestimmte Wertfestsetzung in dem "Schlussendbeschluss" keine Bindungswirkung i.S.v. § 55 Abs. 3 S. 2 FamGKG. Dies hat zur Folge, dass das Amtsgericht bei der nunmehr erstmals vorzunehmenden Wertfestsetzung auch nicht an die in dem "Schlussendbeschluss" vorgenommene Bewertung einzelner Verfahrensabschnitte gebunden ist, sondern den Wert unabhängig davon und auch von den im Verlauf des Beschwerdeverfahrens geäußerten Vorstellungen der Beteiligten neu festzusetzen haben wird.
Im Hinblick auf die Hilfsausführungen in der angefochtenen Entscheidung erscheint es angebracht, das Amtsgericht darauf hinzuweisen, dass der im Falle eines Stufenantrages angekündigte Leistungsantrag nicht erst mit seiner Bezifferung, sondern bereits im Zeitpunkt der Einreichung des Stufenantrages anhängig wird (OLG Koblenz MDR 2017, 488; OLG Bremen FF 2015, 78; OLG Schleswig NZFam 2015, 931; BGH FamRZ 1995, 797; Schneider NZFam 2014, 591; 2015, 375). Mithin kommt es für die Frage, inwieweit es sich bei einem späteren Übergang zur Leistungsstufe um solche Unterhaltsbeträge handelt, die bei Antragseinreichung bereits fällig waren (§ 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG), nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung des Leistungsantrages, sondern auf den Zeitpunkt der Einreichung des Stufenantrages an (Schneider NZFam 2015, 955). Dann aber begegnet es Bedenken, jene mit der Bezifferung des Lei-stungsantrages geltend gemachten Unterhaltsbeträge, die bei Eingang des Stufenantrages noch nicht fällig waren, bei der Wertberechnung als "rückständigen Unterhalt" zu behandeln. Entsprechendes gilt bei späteren Antragserweiterungen (zum Meinungsstand hinsichtlich der Wertberechnung bei Antragserweiterungen in einem Unterhaltsverfahren: Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, 2. Aufl., § 51, Rn. 69 ff.; BeckOK KostR/Neumann, 20. Ed., § 51 FamGKG, Rn. 33, 45).