16.01.2023 · IWW-Abrufnummer 233258
Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 14.10.2022 – 12 W 491/22
1. Wird vom Gläubiger vorgerichtlich zunächst ein Inkassounternehmen beauftragt, obwohl der Schuldner der Forderung zuvor entgegengetreten ist, und werden dann im nachfolgenden Gerichtsverfahren Inkassokosten in Höhe einer anwaltlichen Geschäftsgebühr tituliert, steht im Kostenfestsetzungsverfahren einer Festsetzung der Hälfte der Verfahrensgebühr gegen den Schuldner § 13f Satz 1 und 2 RDG entgegen.
2. Wenn im Kostenfestsetzungsverfahren streitig ist, ob der Schuldner der Forderung vor Beauftragung des Inkassounternehmens widersprochen hat, trägt der Gläubiger die Glaubhaftmachungslast. Dies folgt aus der Ausgestaltung des § 13f Satz 3 RDG durch den Gesetzgeber.
Oberlandesgericht Dresden
In Sachen
B...... Fahrräder GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer ..., ...
- Klägerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B......, ...
gegen
A...... L......, ...
- Beklagter und Beschwerdegegner -
wegen Forderung
hier: Kostenfestsetzungsbeschwerde
ohne mündliche Verhandlung am 14.10.2022 beschlossen:
I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dresden vom 16.08.2022, 6 O 2714/21, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem das Landgericht die Festsetzung eines Teils der Verfahrensgebühr im Umfang von 0,65 gegen den Beklagten mit Verweis darauf versagt hat, dass in dem der Kostenfestsetzung zu Grunde liegenden Versäumnisurteil Inkassokosten in rechnerischen Umfang einer vollen Geschäftsgebühr gegen den Beklagten tituliert worden sind.
Vorgerichtlich verlangte die Klägerin von dem gewerblich tätigen Beklagten die Begleichung von Forderungen im Umfang von 20.371,41 € auf Grund von Warenlieferungen. Sie mahnte den Beklagten im Juni 2021 mehrfach. Am 17.08.2021 fand ein Telefonat zwischen einem Mitarbeiter der Klägerin und dem Beklagten statt. Mit Email vom 18.08.2021 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie nunmehr ein Inkassobüro mit der Beitreibung ihrer Forderung beauftragt habe. Ein Inkassobüro wurde für die Klägerin ab dem 19.08.2021 - weitgehend erfolglos - tätig, wodurch der Klägerin Kosten entstanden. Der Beklagte zahlte am 06.09.2021 lediglich einen Betrag in Höhe von 206,63 €, wodurch ein Teil des Anspruchs auf bislang aufgelaufenen Verzugszins erfüllt wurde.
Nachdem sie nach dem 05.10.2021 einen Rechtsanwalt beauftragt hatte, erhob dieser für sie unter dem 14.12.2021 Klage auf Zahlung von 20.371,41 € nebst Zinsen und Mahnkosten sowie Inkassokosten in Höhe von 1.088,60 € (entspricht einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale nach RVG). Am 22.03.2022 erging ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten, welches rechtskräftig wurde.
Im Kostenfestsetzungsverfahren begehrte die Klägerin die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr, eine 0,5 Terminsgebühr sowie die Post- und Telekommunikationspauschale und die verauslagten Gerichtskosten, insgesamt 2.645,60 €.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16.08.2022 einen Betrag in Höhe von 2.111,30 € zugunsten der Klägerin festgesetzt. Es war der Ansicht, dass die im Versäumnisurteil zugunsten der Klagepartei titulierten vorgerichtlichen Inkassokosten im Umfang eines 0,65-Gebührenanteils nach § 15a Abs. 2 RVG i.V.m. § 13e Abs. 1 RDG auf die Verfahrensgebühr anzurechnen seien.
Gegen diesen ihr am 19.08.2022 zugestellten Beschluss richtet sich Beschwerde der Klägerin vom 22.08.2022, mit der sie unter anderem geltend macht, dass § 13e Abs. 1 RDG die Höhe der erstattungsfähigen Kosten für die Tätigkeit eines Inkassodienstleisters regele, nicht aber zu einer Begründung einer Verrechnung herangezogen werden könne. Soweit § 13f RDG eine Deckelung der außergerichtlich zu erstattenden Kosten für die Beauftragung eines Inkassodienstleisters enthalte, entfalle diese Begrenzung, wenn - wie hier - der Schuldner die Forderung erst nach der Erteilung des Inkassoauftrages erstmals bestreite und dieses Bestreiten dann Anlass für die Beauftragung eines Rechtsanwalts gebe. So habe der Sachverhalt hier gelegen, da die Klägerin am 19.08.2021 den Inkassodienstleister beauftragt habe, ohne dass der Schuldner zuvor die Forderung bestritten habe.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Auf einen Hinweis des Senats im Beschwerdeverfahren, dass es bislang an einem hinreichend konkreten Vortrag zu einem Bestreiten der Forderung durch den Beklagten nach Beauftragung des Inkassounternehmens fehle, legt die Klägerin dar, dass der Beklagte erstmals mit einer an das Inkassounternehmen gerichteten Email vom 05.10.2021 außergerichtlich geltend gemacht habe, dass die Forderungsaufstellung der Klägerin nicht zutreffe und dass erst dies zur Beauftragung eines Rechtsanwalts sowie zur Klageerhebung geführt habe. Der Beklagte macht demgegenüber mit Schreiben vom 23.09.2022 unter Bezugnahme auf die zum Beleg beigefügte Email der Klägerin vom 18.08.2021 geltend, dass er der Gesamtforderung der Klägerin bereits in dem Telefonat vom 17.08.2022 widersprochen habe. Dies wiederum wird von der Klägerin in Abrede gestellt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Klägerin ist es aufgrund des § 13f Satz 1 und 2 RDG verwehrt, nach Titulierung von Inkassokosten im Umfang einer 1,3 Geschäftsgebühr eine Verfahrensgebühr von mehr als 0,65 gegen den Beklagten festsetzen zu lassen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausnahmetatbestands des § 13f Satz 3 RDG hat die Klägerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
1. Der zum 01.10.2021 in Kraft getretene § 13f RDG kommt für den hier vorliegenden Sachverhalt zur Anwendung, da jedenfalls die Verfahrensgebühr, deren vollständige Erstattung die Klägerin anstrebt, nach deren Vortrag erst nach dem 01.10.2021 entstanden ist. Die Klägerin hat vorgetragen, dass erst nach der Email des Beklagten vom 05.10.2021 der Auftrag an den späteren Prozessbevollmächtigten erteilt worden ist.
2. § 13f Satz 1 und 2 RDG sollen eine schuldnerschädigende Kostendopplung durch Inanspruchnahme sowohl eines Inkassodienstleisters als auch eines Rechtsanwalts verhindern. Auf Grund dieser Vorschriften ist der Gläubiger grundsätzlich nicht berechtigt, die Erstattung von mehr Kosten zu verlangen als ihm bei Beauftragung lediglich des Rechtsanwaltes entstanden wären (Toussaint/Toussaint, 2. Aufl., RDG, § 13f Rdnr. 1; Salten, MDR 2022, 69, 70). Es wird nunmehr gesetzlich klargestellt, dass eine Doppelbeauftragung von Inkassodienstleister und Rechtsanwalt im außergerichtlichen und gerichtlichen Bereich im Normalfall nicht zu einer doppelten Kostenbelastung des Schuldners führen kann, wenn der Schuldner die Forderung entweder von Anfang an bestritten hat oder insgesamt nicht bestritten hat (BeckOnline-Kommentar RDG/Günther, 22. Edition 01.07.2022, § 13 f Rdnr. 3; Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften, Bt-Drs. 19/20348, Seite 28). Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 13f RDG, der zunächst vom Bundestag nach Umformulierung im Gesetzgebungsverfahren (vgl. hierzu Bt-Drs 19/24735, Seite 13) als § 13c RDG erlassen und dann mit dem Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt ohne inhaltliche Änderungen in § 13f RDG umbenannt worden ist, ausdrücklich der sogenannten "zweiten Ernte" (Bt-Drs. 19/20348, Seite 52) entgegentreten, die dadurch "eingefahren" wurde, dass in derartigen Fallkonstellationen erhöhte Kosten geschaffen wurden, indem zunächst ein Inkassodienstleister und anschließend ein Rechtsanwalt beauftragt wurde. Wenn ein Gläubiger aufgrund eines Bestreitens seines Schuldners damit rechnen muss, dass er die Forderung durch ein Klageverfahren durchsetzen kann, ist es ihm zuzumuten, von vornherein einen Rechtsanwalt zu beauftragen (Bt-Drs. 19/20348, aaO). Wenn in einer derartigen Fallkonstellation die Inkassokosten vollständig tituliert werden, stehen nunmehr § 13f Satz 1 und Satz 2 RDG im Regelfall ausdrücklich einer Erstattungsfähigkeit der Hälfte der im gerichtlichen Verfahren entstandenen Geschäftsgebühr entgegen. Ein erheblicher Teil der Rechtsprechung war im Übrigen in der Vergangenheit bereits vor der gesetzlichen Neureglung über § 254 BGB zu dem wirtschaftlich identischen Ergebnis gelangt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2019, 27 U 36/17, Rn. 34 bei juris; OLG München, Urteil vom 22.06.2016, 20 U 171/16, Rn. 18 bei juris; OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2016, 24 U 48/15, Rn. 28 bei juris; OLG Bamberg, Urteil vom 05.12.2011, 4 U 72/11 Rn. 97 f. bei juris; Senat, Beschluss vom 03.11.2021, 12 W 554/21, unveröffentlicht; s.a. BeckOK RDG/Günther, 23. Ed. 01.10.2022, § 13f Rn. 2).
3. Anderes gilt allerdings gemäß § 13f Satz 3 RDG dann, wenn der Schuldner die Forderung erstmals nach Beauftragung des Inkassounternehmens bestreitet und dieses Bestreiten Anlass für die Beauftragung eines Rechtsanwalts gibt. In diesem Fall muss der Schuldner die hierdurch entstehenden höheren Kosten tragen. Dabei hat der Gesetzgeber betont, dass dies beispielsweise noch nicht der Fall ist, wenn nur die geltend gemachten Kosten bestritten werden oder wenn es nur um rechtlich einfache Fragen zur Forderung selbst, wie beispielsweise zum Eintritt des Verzugs oder zur Berechtigung einer Zinsforderung, geht, da Inkassodienstleister bei Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit stehen, selbst rechtsberatend tätig werden dürfen und auch entsprechend qualifiziert seien (Bt-Drs. 19/20348, Seite 53; s.a. BeckOK RDG/Günther, aaO, § 13f Rn. 7). Vor allem werden allerdings Sachverhalte erfasst, in denen der Schuldner die gegen ihn erhobene Forderung bis zur Beauftragung des Inkassounternehmens nicht in Abrede gestellt hat, der Gläubiger deshalb nicht mit der Notwendigkeit rechnen musste, nachfolgend das Gericht anrufen und deshalb einen Rechtsanwalt beauftragen zu müssen (Bt-Drs.19/20348, Seite 52), und der Schuldner erst nach Beauftragung des Inkassodienstleisters das Bestehen der Forderung bestreitet.
Da es sich aufgrund der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Vorschrift bei dieser Norm um eine Ausnahmeregelung handelt, trägt der Gläubiger die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für das Vorliegen dieser Konstellation, wenn der Ablauf der Ereignisse - wie hier - streitig wird.
4. Der Beklagte hat im Beschwerdeverfahren vorgetragen, die Forderung nicht erstmals in der von der Klägerin vorgelegten E-Mail vom 05.10.2021, sondern bereits am 17.08.2021 telefonisch gegenüber einem Mitarbeiter der Klägerin jedenfalls in der Höhe teilweise bestritten zu haben. Er hat diese Behauptung durch Vorlage einer E-Mail der Klägerin vom 18.08.2021, der jedenfalls zu entnehmen ist, dass an dem von dem Beklagten angegebenen Tag ein Telefonat zwischen dem Beklagten und einem Mitarbeiter der Klägerin stattgefunden hat, hinreichend substantiiert. Es ist unstreitig, dass erst nach diesem Telefonat der Inkassoauftrag erteilt worden ist.
5. In dieser Situation obliegt es der Klägerin, mit den Mitteln des § 294 ZPO glaubhaft zu machen, dass entgegen der Angaben des Beklagten dieser in dem unstreitig erfolgten Telefonat nicht die Forderung in Abrede gestellt hat. Eine derartige Glaubhaftmachung - beispielsweise durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des aus dem E-Mail-Verkehr namentlich bekannten Mitarbeiters der Klägerin - ist nicht erfolgt. Aus der Email vom 18.08.2021 ergibt sich nicht hinreichend sicher, dass die Darstellung des Beklagten unzutreffend ist. Zwar wird darin betont, dass in dem Gespräch von Seiten der Klägerin eine letzte Frist ("bis 14.00 Uhr") zur Zahlung gesetzt worden ist, die Email lässt jedoch nicht erkennen, was von dem Beklagten in dem Gespräch geäußert wurde. Der Umstand, dass die der Klägerin gegenüber dem Beklagten am Folgetag ankündigte, nunmehr ein Inkassounternehmen zu beauftragen, deutet indiziell einerseits zu Gunsten des Beklagten darauf hin, dass das Gespräch nicht einvernehmlich endete. Andererseits deutet aber der Umstand, dass sich die Klägerin im Anschluss an einen Inkassodienstleister und nicht an einen Rechtsanwalt wandte, indiziell zu Gunsten der Klägerin eher darauf hin, dass der Beklagte telefonisch keine materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die Forderungen erhoben hat. Auch die Email des Beklagten vom 05.10.2021, mit der er vorgebrachte, dass die Forderungsaufstellung der Klägerin nicht zutreffend sei, lässt nicht erkennen, ob es sich um einen erstmaligen Einwand oder die Wiederholung eines bereits früher telefonisch erhobenen Einwandes handelte und ob der Beklagte bereits früher zum Ausdruck gebracht hat, ohne gerichtliches Klageverfahren nicht zahlungswillig zu sein. Indiziell gegen die Klägerin spricht, dass sie schriftsätzlich zunächst den telefonischen Kontakt mit dem Beklagten verschwiegen hat, bis dieser von dem Beklagten durch Vorlage der Email vom 18.08.2021 belegt wurde. Noch im Schriftsatz vom 13.09.2022 hat die Klägerin den telefonischen Kontakt nicht dargestellt, sondern vielmehr - wie im Hauptsacheverfahren - für den außenstehenden Leser den Eindruck erweckt, dass der Beklagte bis zum 05.10.2021 nie auf Mahnungen reagiert habe. In diesem Zusammenhang fällt - im Ergebnis zu Lasten der Glaubhaftigkeit des Klägervortrags wirkend - auf, dass die Klägerin in der Klageschrift angegeben hat, auf Mahnungen vom 03.6.2021, 15.06.2021 und 29.06.2021 keine Zahlung erhalten zu haben, während sie in ihrer vom Beklagten vorgelegten Email benennt, aufgrund einer schriftsätzlich nicht erwähnten Zahlungsvereinbarung vom 13.07.2021 im Hauptsacheverfahren gleichfalls nicht erwähnte Zahlungseingänge über 286,30 € und 1.081,40 € erhalten zu haben.
Wenn daher letztlich auch unter Berücksichtigung, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Kostentatbestandes im Kostenfestsetzungsverfahren nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen (BGH, Beschluss vom 04.04.2007, III ZB 79/06, Rn. 9; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 104 Rn. 8), offen bleiben muss, welche der Darstellungen zum Geschehensablauf zutrifft, führt dies dazu, dass die Klägerin mit den Tatbestandsvoraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 13f Satz 3 RDG beweisfällig geblieben ist. Die Beschwerde hat deshalb keinen Erfolg.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf 97 Abs. 1 ZPO.
Beschluss vom 14.10.2022
In Sachen
B...... Fahrräder GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer ..., ...
- Klägerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B......, ...
gegen
A...... L......, ...
- Beklagter und Beschwerdegegner -
wegen Forderung
hier: Kostenfestsetzungsbeschwerde
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht D...... als Einzelrichterohne mündliche Verhandlung am 14.10.2022 beschlossen:
Tenor:
I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dresden vom 16.08.2022, 6 O 2714/21, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem das Landgericht die Festsetzung eines Teils der Verfahrensgebühr im Umfang von 0,65 gegen den Beklagten mit Verweis darauf versagt hat, dass in dem der Kostenfestsetzung zu Grunde liegenden Versäumnisurteil Inkassokosten in rechnerischen Umfang einer vollen Geschäftsgebühr gegen den Beklagten tituliert worden sind.
Vorgerichtlich verlangte die Klägerin von dem gewerblich tätigen Beklagten die Begleichung von Forderungen im Umfang von 20.371,41 € auf Grund von Warenlieferungen. Sie mahnte den Beklagten im Juni 2021 mehrfach. Am 17.08.2021 fand ein Telefonat zwischen einem Mitarbeiter der Klägerin und dem Beklagten statt. Mit Email vom 18.08.2021 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie nunmehr ein Inkassobüro mit der Beitreibung ihrer Forderung beauftragt habe. Ein Inkassobüro wurde für die Klägerin ab dem 19.08.2021 - weitgehend erfolglos - tätig, wodurch der Klägerin Kosten entstanden. Der Beklagte zahlte am 06.09.2021 lediglich einen Betrag in Höhe von 206,63 €, wodurch ein Teil des Anspruchs auf bislang aufgelaufenen Verzugszins erfüllt wurde.
Nachdem sie nach dem 05.10.2021 einen Rechtsanwalt beauftragt hatte, erhob dieser für sie unter dem 14.12.2021 Klage auf Zahlung von 20.371,41 € nebst Zinsen und Mahnkosten sowie Inkassokosten in Höhe von 1.088,60 € (entspricht einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale nach RVG). Am 22.03.2022 erging ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten, welches rechtskräftig wurde.
Im Kostenfestsetzungsverfahren begehrte die Klägerin die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr, eine 0,5 Terminsgebühr sowie die Post- und Telekommunikationspauschale und die verauslagten Gerichtskosten, insgesamt 2.645,60 €.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16.08.2022 einen Betrag in Höhe von 2.111,30 € zugunsten der Klägerin festgesetzt. Es war der Ansicht, dass die im Versäumnisurteil zugunsten der Klagepartei titulierten vorgerichtlichen Inkassokosten im Umfang eines 0,65-Gebührenanteils nach § 15a Abs. 2 RVG i.V.m. § 13e Abs. 1 RDG auf die Verfahrensgebühr anzurechnen seien.
Gegen diesen ihr am 19.08.2022 zugestellten Beschluss richtet sich Beschwerde der Klägerin vom 22.08.2022, mit der sie unter anderem geltend macht, dass § 13e Abs. 1 RDG die Höhe der erstattungsfähigen Kosten für die Tätigkeit eines Inkassodienstleisters regele, nicht aber zu einer Begründung einer Verrechnung herangezogen werden könne. Soweit § 13f RDG eine Deckelung der außergerichtlich zu erstattenden Kosten für die Beauftragung eines Inkassodienstleisters enthalte, entfalle diese Begrenzung, wenn - wie hier - der Schuldner die Forderung erst nach der Erteilung des Inkassoauftrages erstmals bestreite und dieses Bestreiten dann Anlass für die Beauftragung eines Rechtsanwalts gebe. So habe der Sachverhalt hier gelegen, da die Klägerin am 19.08.2021 den Inkassodienstleister beauftragt habe, ohne dass der Schuldner zuvor die Forderung bestritten habe.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Auf einen Hinweis des Senats im Beschwerdeverfahren, dass es bislang an einem hinreichend konkreten Vortrag zu einem Bestreiten der Forderung durch den Beklagten nach Beauftragung des Inkassounternehmens fehle, legt die Klägerin dar, dass der Beklagte erstmals mit einer an das Inkassounternehmen gerichteten Email vom 05.10.2021 außergerichtlich geltend gemacht habe, dass die Forderungsaufstellung der Klägerin nicht zutreffe und dass erst dies zur Beauftragung eines Rechtsanwalts sowie zur Klageerhebung geführt habe. Der Beklagte macht demgegenüber mit Schreiben vom 23.09.2022 unter Bezugnahme auf die zum Beleg beigefügte Email der Klägerin vom 18.08.2021 geltend, dass er der Gesamtforderung der Klägerin bereits in dem Telefonat vom 17.08.2022 widersprochen habe. Dies wiederum wird von der Klägerin in Abrede gestellt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Klägerin ist es aufgrund des § 13f Satz 1 und 2 RDG verwehrt, nach Titulierung von Inkassokosten im Umfang einer 1,3 Geschäftsgebühr eine Verfahrensgebühr von mehr als 0,65 gegen den Beklagten festsetzen zu lassen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausnahmetatbestands des § 13f Satz 3 RDG hat die Klägerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
1. Der zum 01.10.2021 in Kraft getretene § 13f RDG kommt für den hier vorliegenden Sachverhalt zur Anwendung, da jedenfalls die Verfahrensgebühr, deren vollständige Erstattung die Klägerin anstrebt, nach deren Vortrag erst nach dem 01.10.2021 entstanden ist. Die Klägerin hat vorgetragen, dass erst nach der Email des Beklagten vom 05.10.2021 der Auftrag an den späteren Prozessbevollmächtigten erteilt worden ist.
2. § 13f Satz 1 und 2 RDG sollen eine schuldnerschädigende Kostendopplung durch Inanspruchnahme sowohl eines Inkassodienstleisters als auch eines Rechtsanwalts verhindern. Auf Grund dieser Vorschriften ist der Gläubiger grundsätzlich nicht berechtigt, die Erstattung von mehr Kosten zu verlangen als ihm bei Beauftragung lediglich des Rechtsanwaltes entstanden wären (Toussaint/Toussaint, 2. Aufl., RDG, § 13f Rdnr. 1; Salten, MDR 2022, 69, 70). Es wird nunmehr gesetzlich klargestellt, dass eine Doppelbeauftragung von Inkassodienstleister und Rechtsanwalt im außergerichtlichen und gerichtlichen Bereich im Normalfall nicht zu einer doppelten Kostenbelastung des Schuldners führen kann, wenn der Schuldner die Forderung entweder von Anfang an bestritten hat oder insgesamt nicht bestritten hat (BeckOnline-Kommentar RDG/Günther, 22. Edition 01.07.2022, § 13 f Rdnr. 3; Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften, Bt-Drs. 19/20348, Seite 28). Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 13f RDG, der zunächst vom Bundestag nach Umformulierung im Gesetzgebungsverfahren (vgl. hierzu Bt-Drs 19/24735, Seite 13) als § 13c RDG erlassen und dann mit dem Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt ohne inhaltliche Änderungen in § 13f RDG umbenannt worden ist, ausdrücklich der sogenannten "zweiten Ernte" (Bt-Drs. 19/20348, Seite 52) entgegentreten, die dadurch "eingefahren" wurde, dass in derartigen Fallkonstellationen erhöhte Kosten geschaffen wurden, indem zunächst ein Inkassodienstleister und anschließend ein Rechtsanwalt beauftragt wurde. Wenn ein Gläubiger aufgrund eines Bestreitens seines Schuldners damit rechnen muss, dass er die Forderung durch ein Klageverfahren durchsetzen kann, ist es ihm zuzumuten, von vornherein einen Rechtsanwalt zu beauftragen (Bt-Drs. 19/20348, aaO). Wenn in einer derartigen Fallkonstellation die Inkassokosten vollständig tituliert werden, stehen nunmehr § 13f Satz 1 und Satz 2 RDG im Regelfall ausdrücklich einer Erstattungsfähigkeit der Hälfte der im gerichtlichen Verfahren entstandenen Geschäftsgebühr entgegen. Ein erheblicher Teil der Rechtsprechung war im Übrigen in der Vergangenheit bereits vor der gesetzlichen Neureglung über § 254 BGB zu dem wirtschaftlich identischen Ergebnis gelangt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2019, 27 U 36/17, Rn. 34 bei juris; OLG München, Urteil vom 22.06.2016, 20 U 171/16, Rn. 18 bei juris; OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2016, 24 U 48/15, Rn. 28 bei juris; OLG Bamberg, Urteil vom 05.12.2011, 4 U 72/11 Rn. 97 f. bei juris; Senat, Beschluss vom 03.11.2021, 12 W 554/21, unveröffentlicht; s.a. BeckOK RDG/Günther, 23. Ed. 01.10.2022, § 13f Rn. 2).
3. Anderes gilt allerdings gemäß § 13f Satz 3 RDG dann, wenn der Schuldner die Forderung erstmals nach Beauftragung des Inkassounternehmens bestreitet und dieses Bestreiten Anlass für die Beauftragung eines Rechtsanwalts gibt. In diesem Fall muss der Schuldner die hierdurch entstehenden höheren Kosten tragen. Dabei hat der Gesetzgeber betont, dass dies beispielsweise noch nicht der Fall ist, wenn nur die geltend gemachten Kosten bestritten werden oder wenn es nur um rechtlich einfache Fragen zur Forderung selbst, wie beispielsweise zum Eintritt des Verzugs oder zur Berechtigung einer Zinsforderung, geht, da Inkassodienstleister bei Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit stehen, selbst rechtsberatend tätig werden dürfen und auch entsprechend qualifiziert seien (Bt-Drs. 19/20348, Seite 53; s.a. BeckOK RDG/Günther, aaO, § 13f Rn. 7). Vor allem werden allerdings Sachverhalte erfasst, in denen der Schuldner die gegen ihn erhobene Forderung bis zur Beauftragung des Inkassounternehmens nicht in Abrede gestellt hat, der Gläubiger deshalb nicht mit der Notwendigkeit rechnen musste, nachfolgend das Gericht anrufen und deshalb einen Rechtsanwalt beauftragen zu müssen (Bt-Drs.19/20348, Seite 52), und der Schuldner erst nach Beauftragung des Inkassodienstleisters das Bestehen der Forderung bestreitet.
Da es sich aufgrund der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Vorschrift bei dieser Norm um eine Ausnahmeregelung handelt, trägt der Gläubiger die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für das Vorliegen dieser Konstellation, wenn der Ablauf der Ereignisse - wie hier - streitig wird.
4. Der Beklagte hat im Beschwerdeverfahren vorgetragen, die Forderung nicht erstmals in der von der Klägerin vorgelegten E-Mail vom 05.10.2021, sondern bereits am 17.08.2021 telefonisch gegenüber einem Mitarbeiter der Klägerin jedenfalls in der Höhe teilweise bestritten zu haben. Er hat diese Behauptung durch Vorlage einer E-Mail der Klägerin vom 18.08.2021, der jedenfalls zu entnehmen ist, dass an dem von dem Beklagten angegebenen Tag ein Telefonat zwischen dem Beklagten und einem Mitarbeiter der Klägerin stattgefunden hat, hinreichend substantiiert. Es ist unstreitig, dass erst nach diesem Telefonat der Inkassoauftrag erteilt worden ist.
5. In dieser Situation obliegt es der Klägerin, mit den Mitteln des § 294 ZPO glaubhaft zu machen, dass entgegen der Angaben des Beklagten dieser in dem unstreitig erfolgten Telefonat nicht die Forderung in Abrede gestellt hat. Eine derartige Glaubhaftmachung - beispielsweise durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des aus dem E-Mail-Verkehr namentlich bekannten Mitarbeiters der Klägerin - ist nicht erfolgt. Aus der Email vom 18.08.2021 ergibt sich nicht hinreichend sicher, dass die Darstellung des Beklagten unzutreffend ist. Zwar wird darin betont, dass in dem Gespräch von Seiten der Klägerin eine letzte Frist ("bis 14.00 Uhr") zur Zahlung gesetzt worden ist, die Email lässt jedoch nicht erkennen, was von dem Beklagten in dem Gespräch geäußert wurde. Der Umstand, dass die der Klägerin gegenüber dem Beklagten am Folgetag ankündigte, nunmehr ein Inkassounternehmen zu beauftragen, deutet indiziell einerseits zu Gunsten des Beklagten darauf hin, dass das Gespräch nicht einvernehmlich endete. Andererseits deutet aber der Umstand, dass sich die Klägerin im Anschluss an einen Inkassodienstleister und nicht an einen Rechtsanwalt wandte, indiziell zu Gunsten der Klägerin eher darauf hin, dass der Beklagte telefonisch keine materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die Forderungen erhoben hat. Auch die Email des Beklagten vom 05.10.2021, mit der er vorgebrachte, dass die Forderungsaufstellung der Klägerin nicht zutreffend sei, lässt nicht erkennen, ob es sich um einen erstmaligen Einwand oder die Wiederholung eines bereits früher telefonisch erhobenen Einwandes handelte und ob der Beklagte bereits früher zum Ausdruck gebracht hat, ohne gerichtliches Klageverfahren nicht zahlungswillig zu sein. Indiziell gegen die Klägerin spricht, dass sie schriftsätzlich zunächst den telefonischen Kontakt mit dem Beklagten verschwiegen hat, bis dieser von dem Beklagten durch Vorlage der Email vom 18.08.2021 belegt wurde. Noch im Schriftsatz vom 13.09.2022 hat die Klägerin den telefonischen Kontakt nicht dargestellt, sondern vielmehr - wie im Hauptsacheverfahren - für den außenstehenden Leser den Eindruck erweckt, dass der Beklagte bis zum 05.10.2021 nie auf Mahnungen reagiert habe. In diesem Zusammenhang fällt - im Ergebnis zu Lasten der Glaubhaftigkeit des Klägervortrags wirkend - auf, dass die Klägerin in der Klageschrift angegeben hat, auf Mahnungen vom 03.6.2021, 15.06.2021 und 29.06.2021 keine Zahlung erhalten zu haben, während sie in ihrer vom Beklagten vorgelegten Email benennt, aufgrund einer schriftsätzlich nicht erwähnten Zahlungsvereinbarung vom 13.07.2021 im Hauptsacheverfahren gleichfalls nicht erwähnte Zahlungseingänge über 286,30 € und 1.081,40 € erhalten zu haben.
Wenn daher letztlich auch unter Berücksichtigung, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Kostentatbestandes im Kostenfestsetzungsverfahren nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen (BGH, Beschluss vom 04.04.2007, III ZB 79/06, Rn. 9; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 104 Rn. 8), offen bleiben muss, welche der Darstellungen zum Geschehensablauf zutrifft, führt dies dazu, dass die Klägerin mit den Tatbestandsvoraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 13f Satz 3 RDG beweisfällig geblieben ist. Die Beschwerde hat deshalb keinen Erfolg.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf 97 Abs. 1 ZPO.
RechtsgebieteInkassorecht, KostenfestsetzungVorschriften§ 13f S. 1 und 2 RDG