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  • 12.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235248

    Oberlandesgericht Zweibrücken: Beschluss vom 03.02.2023 – 4 W 4/23

    Die 6-Monatsfrist für die Änderung der Streitwertfestsetzung wird im selbstständigen Beweisverfahren nicht erst durch Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung im Hauptsachenprozess in Lauf gesetzt, sondern durch die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens.


    Oberlandesgericht Zweibrücken

    Beschluss vom 03.02.2023


    In dem selbständigen Beweisverfahren
    W. K.
    - Antragsgegner und Beschwerdeführer -
    Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte X
    gegen
    Dr. med. dent. N. M.
    - Antragsteller -
    Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Y

    hier: wegen nachträglicher Heraufsetzung des Kostenstreitwertes

    hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Landgericht xxx auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 23.11.2022 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 11.11.2022, mit dem die ursprüngliche Streitwertfestsetzung geändert worden ist, am 03.02.2023 beschlossen:

    Tenor:

    Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

    Gründe

    I.

    In dem zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner geführten selbständigen Beweisverfahren wegen Mängeln an einer Alarmanlage für ein Wohnhaus hat das Landgericht nach Begutachtung durch einen Sachverständigen und dem Ablauf den Parteien danach gesetzter Fristen zur abschließenden Stellungnahme mit Beschluss vom 09.05.2022 den Streitwert auf 9.116,91 € festgesetzt.

    Mit Schriftsatz vom 19.10.2022 haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unter Berufung auf ein in dem Hauptsacheverfahren ... LG Kaiserslautern zwischenzeitlich gegen den Antragsgegner als dortigen Beklagten ergangenes Versäumnisurteil den "Antrag" gestellt, den Streitwert für das selbständige Beweisverfahren nach § 63 Abs. 3 GKG auf 17.000,00 € heraufzusetzen.

    Dem hat die Zivilkammer mit dem angefochtenen Beschluss am 11.11.2022 entsprochen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

    II.

    Das nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Rechtsmittel gegen die - von den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers aus eigenem Recht (§ 32 Abs. 2 RVG) angeregte und von der Zivilkammer sodann im Verfahren nach § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen vorgenommene - nachträgliche Heraufsetzung des Kostenstreitwertes für das selbständige Beweisverfahren hat in der Sache Erfolg.

    Eine Heraufsetzung des Streitwertes für das selbständige Beweisverfahren kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG auf sechs Monate befristete Abänderungsbefugnis für das Gericht bei Erlass der angefochtenen Entscheidung bereits abgelaufen war.

    Da ein selbständiges Beweisverfahren nicht formell rechtskräftig abgeschlossen werden kann, kommt es im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG auf seine anderweitige Erledigung an. Diese Erledigung war vorliegend - ausgehend von der nach Ablauf der den Parteien gesetzten Fristen als letzte Verfahrenshandlung des Gerichts erfolgten ursprünglichen Streitwertfestsetzung - am 09.05.2022 eingetreten.

    Infolgedessen endete die sechs-Monats-Frist mit Ablauf des 09.11.2022 (§§ 222 ZPO, 188 Abs. 2 BGB) und war bei Erlass der angefochtenen Entscheidung verstrichen. Die von dem Landgericht am 11.11.2022 beschlossene Heraufsetzung des Streitwertes war deshalb nicht mehr zulässig.

    Allerdings ist die Frage, ob die Änderungsfrist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bei einem selbständigen Beweisverfahren auch dann mit dessen Abschluss beginnt, wenn sich - wie hier - ein Klageverfahren anschließt, in der Rechtsprechung und im Schrifttum durchaus umstritten (zum Meinungsstand vgl. etwa OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2018, 11 W 24/18, BeckRS 2018, 38342, Rn. 4; Jäckel in BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, 39. Edition, GKG § 63 Rn. 31 Stichwort "Selbstständiges Beweisverfahren").

    Unter Aufgabe der in einem Beschluss des Einzelrichters vom 09.11.2009 (...) vertretenen gegenteiligen Meinung schließt sich der erkennende Senat nunmehr der - inzwischen wohl überwiegenden (vgl. zuletzt OLG München, Beschluss vom 27.01.2021, 9 W 100/21, ZfBR 2021, 262) - Auffassung an, dass das selbständige Beweisverfahren mit Blick auf den Beginn der Abänderungssperrfrist isoliert zu betrachten ist.

    Denn für sie sprechen die besseren Argumente (dazu näher OLG München a.a.O.; OLG Köln NJW-RR 2013, 1178, 1179 [OLG Köln 04.03.2013 - 16 W 41/12]):

    Das selbständige Beweisverfahren ist ein eigenständiges Verfahren, selbst wenn § 493 Abs. 1 ZPO die erfolgte selbständige Beweiserhebung der Beweiserhebung im anschließenden Klageverfahren gleichstellt. Sinn und Zweck der zeitlich begrenzten Abänderungsbefugnis ist es, kurzfristig Rechtssicherheit über die Höhe des Streitwerts und damit das Kostenrisiko zu schaffen. Dem liefe es aber zuwider, wenn die Änderungsfrist (§ 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) erst nach rechtskräftigem Abschluss des nachfolgenden Hauptsacheprozesses eintreten würde. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit würde noch dadurch verstärkt, dass im Zeitpunkt der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens häufig noch gar nicht feststeht, ob und wann es überhaupt zu einem Hauptsacheverfahren kommen wird und ob dessen Streitgegenstand mit dem Gegenstand des Beweisverfahrens identisch ist.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

    RechtsgebieteStreitwert, selbstständiges BeweisverfahrenVorschriften§ 63 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GKG