07.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238179
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 08.03.2023 – 6 WF 47/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OLG Frankfurt 6. Senat für Familiensachen
Tenor
Die Vorlageverfügung vom 21.03.2023 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Mit ihrer Beschwerde wendet die Staatskasse sich gegen die Festsetzung der Vergütung der in einer Kindschaftssache tätigen Sachverständigen.
Mit Beschluss vom 27.01.2021 hat das Amtsgericht die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern eines am XX.XX.2018 geborenen Kindes angeordnet. Im Rahmen des Gutachtens sollten auch Vorschläge zur Regelung des Umgangs gemacht werden. Die Sachverständige hat das Gutachten am 31.12.2021 erstattet und am 25.02.2022 14.973,92 Euro in Rechnung gestellt. Auf die Rechnung vom 25.02.2022 (Bl. 171 d. A.) wird Bezug genommen. Für die Teilnahme an der Sitzung hat sie mit Rechnung vom 25.05.2022 weitere 446,39 Euro berechnet. Auf die entsprechende Rechnung wird Bezug genommen (Bl. 237 d. A.). Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 27.06.2022 festgestellt, dass das Verfahren beendet ist, weil die Kindeseltern sich im Rahmen eines familiengerichtlich gebilligten Umgangsvergleichs auf ein Wechselmodell geeinigt hatten.
Bezüglich der am 25.02.2022 in Rechnung gestellten Sachverständigenvergütung hat die Staatskasse am 21.12.2022 einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Vergütung auf 9.520,00 Euro mit der Begründung gestellt, die Sachverständigenvergütung dürfe maximal das Zweifache des Regelwerts in Kindschaftssachen zzgl. Mehrwertsteuer betragen. Der Vergütungsantrag übersteige den Betrag um mehr als 50 %. Die Sachverständige habe nicht darauf hingewiesen, dass die zu erwartenden Kosten voraussichtlich erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstands stünden.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.01.2023 hat das Amtsgericht die Vergütung der Sachverständigen gemäß Rechnung vom 25.02.2022 auf 14.973,92 Euro und gemäß Rechnung vom 25.05.2022 auf weitere 446,39 Euro festgesetzt.
Mit der am 17.3.2023 eingelegten Beschwerde verfolgt die Staatskasse ihr Begehren weiter. Das Amtsgericht hat die Sache daraufhin mit Verfügung vom 21.03.2023 dem Oberlandesgericht (Familiensenat) zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlageverfügung war aufzuheben, weil nicht das Oberlandesgericht, sondern das Landgericht für die Beschwerde der Staatskasse gegen die Festsetzung der Vergütung der Sachverständigen sachlich zuständig ist.
Gegen die Entscheidung über die Festsetzung der Vergütung von Sachverständigen nach § 4 Abs. 1 JVEG findet gemäß § 4 Abs. 3 JVEG die Beschwerde statt, über die gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 JVEG „das nächsthöhere Gericht“ zu entscheiden hat. Nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung (OLG Brandenburg, FamRZ 2020, 707; OLG Nürnberg, FamRZ 2017, 470; OLG Frankfurt a. M., BeckRS 2015, 7907; OLG Celle, NJW-RR 2013, 961; OLG Schleswig BeckRS 2011, 13742; OLG München, MDR 2010, 1484; KG BeckRS 2007, 17905; a. A. nur OLG Koblenz, BeckRS 2014, 4016) und Literatur (Schneider JVEG, 4. Auflage 2021, § 4 JVEG Rn. 68; Dürbeck, NZFam 2022, 8; Zöller/Lückemann, ZPO, 34. Auflage 2022, § 119 GVG Rn. 8; a. A. Toussaint/Weber JVEG § 4 JVEG Rn. 50) handelt es sich dabei unabhängig vom Instanzenzug in der Hauptsache um das allgemein dem erkennenden Gericht übergeordnete Gericht. Das ist für das Amtsgericht nach der Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit das für seinen Bezirk zuständige Landgericht. Entgegen § 119 Abs. 1 Nr. 1a und b GVG gilt das auch, wenn das Amtsgericht als Familiengericht entschieden hat.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Denn § 4 Abs. 4 JVEG enthält zum einen keine Ausnahmeregelung für Familiensachen, wie das etwa bei § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG und § 57 Abs. 3 FamGKG der Fall ist. Nach § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG ist für die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung Beschwerdegericht das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG bezeichneten Art (Familiensachen) jedoch das Oberlandesgericht. Bereits diese Formulierung zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass das nächsthöhere Gericht das Landgericht ist, wenn es keine Ausnahmeregelung gibt. Hierfür spricht auch der Vergleich des § 66 Abs. 3 GKG mit § 57 Abs. 3 FamGKG. Für die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenansatz in Zivilsachen nach § 66 Abs. 3 GKG verwendet der Gesetzgeber die Formulierung, dass das Beschwerdegericht das nächsthöhere Gericht ist, während er für das entsprechende Verfahren in Familiensachen in § 57 Abs. 3 FamGKG ausdrücklich das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht bezeichnet. Zum anderen bestätigt auch die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts zu § 4 JVEG (BT-Drucksache 15/1971, S. 180), dass der Gesetzgeber kein Bedürfnis für eine Ausnahmeregelung gesehen hat. Vielmehr hat er ausdrücklich festgestellt, dass in § 4 Abs. 4 JVEG eine Bestimmung fehlt, wonach in Familiensachen das Oberlandesgericht auch dann als Beschwerdegericht entscheiden soll, wenn das Amtsgericht die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Dies wird aber damit gerechtfertigt, dass die im Bereich des JVEG zu treffenden Beschwerdeentscheidungen jedenfalls nicht in gleichem Maße besondere Kenntnisse des Familienrechts voraussetzten, wie dies für den Bereich des GKG - insbesondere im Zusammenhang mit der Wertfestsetzung - anzunehmen sei.
Nur im Falle einer weiteren Beschwerde nach § 4 Abs. 5 JVEG ist das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die amtsgerichtliche Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen nach dem JVEG als das nach der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nächsthöhere Gericht sachlich zuständig (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.06.2021 - 18 W 86/21 -, NZFam 2022, 30).
Das Amtsgericht wird die Sache nach alldem nach Durchführung des Abhilfeverfahrens gemäß § 4 Satz 1 JVEG zur Entscheidung über die Beschwerde der Staatskasse dem sachlich zuständigen Landgericht Darmstadt vorzulegen haben.
Tenor
Die Vorlageverfügung vom 21.03.2023 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Mit ihrer Beschwerde wendet die Staatskasse sich gegen die Festsetzung der Vergütung der in einer Kindschaftssache tätigen Sachverständigen.
Mit Beschluss vom 27.01.2021 hat das Amtsgericht die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern eines am XX.XX.2018 geborenen Kindes angeordnet. Im Rahmen des Gutachtens sollten auch Vorschläge zur Regelung des Umgangs gemacht werden. Die Sachverständige hat das Gutachten am 31.12.2021 erstattet und am 25.02.2022 14.973,92 Euro in Rechnung gestellt. Auf die Rechnung vom 25.02.2022 (Bl. 171 d. A.) wird Bezug genommen. Für die Teilnahme an der Sitzung hat sie mit Rechnung vom 25.05.2022 weitere 446,39 Euro berechnet. Auf die entsprechende Rechnung wird Bezug genommen (Bl. 237 d. A.). Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 27.06.2022 festgestellt, dass das Verfahren beendet ist, weil die Kindeseltern sich im Rahmen eines familiengerichtlich gebilligten Umgangsvergleichs auf ein Wechselmodell geeinigt hatten.
Bezüglich der am 25.02.2022 in Rechnung gestellten Sachverständigenvergütung hat die Staatskasse am 21.12.2022 einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Vergütung auf 9.520,00 Euro mit der Begründung gestellt, die Sachverständigenvergütung dürfe maximal das Zweifache des Regelwerts in Kindschaftssachen zzgl. Mehrwertsteuer betragen. Der Vergütungsantrag übersteige den Betrag um mehr als 50 %. Die Sachverständige habe nicht darauf hingewiesen, dass die zu erwartenden Kosten voraussichtlich erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstands stünden.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.01.2023 hat das Amtsgericht die Vergütung der Sachverständigen gemäß Rechnung vom 25.02.2022 auf 14.973,92 Euro und gemäß Rechnung vom 25.05.2022 auf weitere 446,39 Euro festgesetzt.
Mit der am 17.3.2023 eingelegten Beschwerde verfolgt die Staatskasse ihr Begehren weiter. Das Amtsgericht hat die Sache daraufhin mit Verfügung vom 21.03.2023 dem Oberlandesgericht (Familiensenat) zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlageverfügung war aufzuheben, weil nicht das Oberlandesgericht, sondern das Landgericht für die Beschwerde der Staatskasse gegen die Festsetzung der Vergütung der Sachverständigen sachlich zuständig ist.
Gegen die Entscheidung über die Festsetzung der Vergütung von Sachverständigen nach § 4 Abs. 1 JVEG findet gemäß § 4 Abs. 3 JVEG die Beschwerde statt, über die gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 JVEG „das nächsthöhere Gericht“ zu entscheiden hat. Nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung (OLG Brandenburg, FamRZ 2020, 707; OLG Nürnberg, FamRZ 2017, 470; OLG Frankfurt a. M., BeckRS 2015, 7907; OLG Celle, NJW-RR 2013, 961; OLG Schleswig BeckRS 2011, 13742; OLG München, MDR 2010, 1484; KG BeckRS 2007, 17905; a. A. nur OLG Koblenz, BeckRS 2014, 4016) und Literatur (Schneider JVEG, 4. Auflage 2021, § 4 JVEG Rn. 68; Dürbeck, NZFam 2022, 8; Zöller/Lückemann, ZPO, 34. Auflage 2022, § 119 GVG Rn. 8; a. A. Toussaint/Weber JVEG § 4 JVEG Rn. 50) handelt es sich dabei unabhängig vom Instanzenzug in der Hauptsache um das allgemein dem erkennenden Gericht übergeordnete Gericht. Das ist für das Amtsgericht nach der Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit das für seinen Bezirk zuständige Landgericht. Entgegen § 119 Abs. 1 Nr. 1a und b GVG gilt das auch, wenn das Amtsgericht als Familiengericht entschieden hat.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Denn § 4 Abs. 4 JVEG enthält zum einen keine Ausnahmeregelung für Familiensachen, wie das etwa bei § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG und § 57 Abs. 3 FamGKG der Fall ist. Nach § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG ist für die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung Beschwerdegericht das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG bezeichneten Art (Familiensachen) jedoch das Oberlandesgericht. Bereits diese Formulierung zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass das nächsthöhere Gericht das Landgericht ist, wenn es keine Ausnahmeregelung gibt. Hierfür spricht auch der Vergleich des § 66 Abs. 3 GKG mit § 57 Abs. 3 FamGKG. Für die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenansatz in Zivilsachen nach § 66 Abs. 3 GKG verwendet der Gesetzgeber die Formulierung, dass das Beschwerdegericht das nächsthöhere Gericht ist, während er für das entsprechende Verfahren in Familiensachen in § 57 Abs. 3 FamGKG ausdrücklich das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht bezeichnet. Zum anderen bestätigt auch die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts zu § 4 JVEG (BT-Drucksache 15/1971, S. 180), dass der Gesetzgeber kein Bedürfnis für eine Ausnahmeregelung gesehen hat. Vielmehr hat er ausdrücklich festgestellt, dass in § 4 Abs. 4 JVEG eine Bestimmung fehlt, wonach in Familiensachen das Oberlandesgericht auch dann als Beschwerdegericht entscheiden soll, wenn das Amtsgericht die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Dies wird aber damit gerechtfertigt, dass die im Bereich des JVEG zu treffenden Beschwerdeentscheidungen jedenfalls nicht in gleichem Maße besondere Kenntnisse des Familienrechts voraussetzten, wie dies für den Bereich des GKG - insbesondere im Zusammenhang mit der Wertfestsetzung - anzunehmen sei.
Nur im Falle einer weiteren Beschwerde nach § 4 Abs. 5 JVEG ist das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die amtsgerichtliche Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen nach dem JVEG als das nach der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nächsthöhere Gericht sachlich zuständig (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.06.2021 - 18 W 86/21 -, NZFam 2022, 30).
Das Amtsgericht wird die Sache nach alldem nach Durchführung des Abhilfeverfahrens gemäß § 4 Satz 1 JVEG zur Entscheidung über die Beschwerde der Staatskasse dem sachlich zuständigen Landgericht Darmstadt vorzulegen haben.