04.06.2024 · IWW-Abrufnummer 241814
Oberlandesgericht Hamburg: Beschluss vom 20.02.2024 – 4 W 21/24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss vom 20.02.2024
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 3) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 24.05.2023, Az. 303 O 13/20, wird auf Kosten des Beklagten zu 3) nach einem Gegenstandswert von 215,62 € zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Landgericht den Antrag des Beklagten zu 3), eine ihm zu erstattende Zusatzgebühr nach VV RVG Nr. 1010 festzusetzen, abgelehnt, weil nur in zwei von insgesamt vier gerichtlichen Terminen Sachverständige oder Zeugen vernommen wurden.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Beklagte zu 3) weiterhin die Festsetzung einer Zusatzgebühr nach VV RVG Nr. 1010. Es reiche aus, dass die Beweisaufnahme besonders umfangreich gewesen sei. Jedenfalls sei VV RVG Nr. 1010 entsprechend anzuwenden.
II.
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige Beschwerde des Beklagten zu 3) hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht keine Zusatzgebühr nach VV RVG Nr. 1010 festgesetzt. Denn durch die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) ist keine Zusatzgebühr entstanden.
1. VV RVG Nr. 1010 setzt nach seinem insoweit klaren Wortlaut voraus, dass in mindestens drei gerichtlichen Terminen Sachverständige oder Zeugen vernommen wurden. Daran fehlt es. Vorliegend fand nur in zwei gerichtlichen Terminen eine Beweisaufnahme statt. Dann entsteht keine Zusatzgebühr (OLG München, Beschluss vom 26. Juni 2020 - 11 W 674/20 -, Rn. 10, juris; Toussaint/Uhl, 53. Aufl., Kostenrecht, VV RVG 1010 Rn. 4; Gerold/Schmidt/Mayer, 26. Aufl., RVG VV 1010 Rn. 1; HK-RVG/Erik Kießling, 8. Aufl., RVG VV 1010 Rn. 3; Schneider/Volpert/Fölsch, 3. Aufl., Gesamtes Kostenrecht, VV RVG Nr.1010 Rn. 10).
2. Die Gebührenvorschrift des VV RVG Nr. 1010 ist auch nicht auf andere Fälle einer umfangreichen Beweisaufnahme entsprechend anwendbar.
a) Denn es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn der Gesetzgeber hat mit dem Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zwar einen Regelungsbedarf für den besonderen Aufwand bei sehr umfangreichen Beweisaufnahmen erkannt, die Zusatzgebühr aber zur Vermeidung von Fehlanreizen bewusst an die "Hürde bis zu einem dritten Beweistermin" geknüpft (BT-Drucksache 17/11471, S. 272). Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Gebührenvorschrift auf andere langwierige oder umfangreiche Verfahren obläge daher dem Gesetzgeber (so auch OLG München, Beschluss vom 26. Juni 2020 - 11 W 674/20 -, Rn. 10 ff., juris).
b) Weiter lässt sich der Senat von der Erwägung leiten, dass der Gesetzgeber Anwaltsgebühren überwiegend als Pauschalgebühren ausgestaltet hat, die teilweise - was auch vorliegend der Fall sein mag - nicht kostendeckend sein können, aber die Notwendigkeit von Billigkeitserwägungen ausschließen. Soweit der Gesetzgeber Betragsrahmengebühren normiert hat, ist der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit stets nur für die Gebührenhöhe relevant. Damit berücksichtigt der Gesetzgeber auch sonst den Aufwand eines Rechtsanwalts allenfalls bei der Höhe einer Gebühr, niemals aber bereits bei der Frage, ob überhaupt eine Gebühr entsteht (vgl. Senat, Beschluss vom 4. November 2022 - 4 W 96/22 -, juris).
c) Schließlich ist bei Kostenvorschriften stets eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten, weil das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und infolgedessen dem Rechtspfleger übertragen ist. Die Klärung komplizierter rechtlicher Fragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich. Nur dies führt in den formalisierten, auf vereinfachte Prüfung zugeschnittenen Masseverfahren zu einer praktikablen Handhabung und verlässlichen Ergebnissen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2021 - VII ZB 21/20 -, Rn. 12 f., juris; Senat, Beschluss vom 16. Februar 2024 - 4 W 17/24 -, juris; Senat, Beschluss vom 4. November 2022 - 4 W 96/22 -, juris). Mit der Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Prüfung des Umfangs der Beweisaufnahme durch einen Rechtspfleger, der im Rahmen der Kostenfestsetzung erstmals mit dem Verfahren befasst ist, würde das Kostenfestsetzungsverfahren erheblich und sachfremd belastet (so bereits Senat, Beschluss vom 4. November 2022 - 4 W 96/22 -, juris). Dies ist abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
RechtsgebietKostenrechtVorschriftenNr. 1010 VV RVG