25.06.2024 · IWW-Abrufnummer 242172
Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 23.05.2024 – 10 Wx 13/24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg
Beschluss vom 23.05.2024
Tenor:
- Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird die Kostenrechnung Kassenzeichen 62623186XXXX, 606231856XXXX und 60423163XXXX, Az. MU-6938-101, insoweit aufgehoben, als für die Eigentumsumschreibung eine Gebühr nach Nr. 14110 KV-GNotKG in Ansatz gebracht worden ist.
- Der Beschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen - Grundbuchamt - vom 14.03.2024 über die Zurückweisung der Erinnerung sowie der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen - Grundbuchamt - vom 26.04.2024 werden jeweils aufgehoben.
- Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beschwerde und die ihr vorangegangene Erinnerung wenden sich gegen den Kostenansatz für die Eintragung einer Eigentumsumschreibung an einem Grundstück im Grundbuch.
Am 12.05.2021 war ein Erbfall eingetreten, der unter anderem die Umschreibung des Eigentums des Erblassers an einem Grundstück erforderlich machte. Die Erbauseinandersetzung erfolgte durch notariell beurkundete Verträge vom 20.10.2021 sowie vom 02.01.2023, worauf sodann unter dem 12.01.2023 der Antrag auf Vollzug der vorgesehenen Umschreibung des Grundstücks beim Grundbuchamt eingegangen war.
Für den Vollzug unverzichtbare Unterlagen, eine baurechtlich erforderliche Genehmigung der Sanierungsbehörde (§ 144 BauGB) sowie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung konnten erst nachfolgend unter dem 17.05.2023 vorgelegt werden.
Mit den verfahrensgegenständlichen Kostenrechnungen wurde bei den Antragsstellerinnen, den Erben des verstorbenen Grundstückseigentümers, jeweils unter anderem ein Kostenansatz nach Nr. 14110 KV-GNotKG ausgebracht.
Die hiergegen erhobene Erinnerung wies das Erstgericht unter Berufung auf die insoweit maßgeblich erscheinenden Richtlinien der Bayerischen Bezirksrevisoren in der Fassung von 2022, konkret der Nr. 227 Buchst. e, zurück und half der nachfolgend eingelegten Beschwerde auch nicht ab.
Der Antrag auf Umschreibung selbst sei zwar noch innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall entsprechend der Anm. 1 Satz 1 zu Nr. 14110 KV-GNotKG gestellt worden. Allerdings führe dies wegen des anfänglichen Fehlens der für dessen Vollzug unverzichtbaren weiteren Nachweisen nicht mehr zu einer Gebührenprivilegierung, da diese erst wenige Tage nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist nach dem Erbfall nachgereicht und die erforderliche Vollzugsreife somit ebenfalls erst später als nach zwei Jahren nach dem Eintritt des Erbfalls erreicht worden sei.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 81 Abs. 2 Satz 1 GNotkG) und begründet.
Die für die Eintragung eines (Mit-)Eigentümers im Grundbuch nach Nr. 14110 KV-GNotKG anfallende Gebühr ist nach Abs. 1 Satz 1 der Anmerkungen nicht zu erheben für die den Inhalt des Grundbuchs berichtigende Eintragung der Erben, sofern der Eintragungsantrag in der festgesetzten Zwei-Jahresfrist gestellt wird. Hiervon ist vorgehend auszugehen.
Das Beschwerdegericht teilt die auch von anderen Obergerichten vertretene Auffassung, wonach es für die Gebührenprivilegierung nach Anm. 1 zu Nr. 14110 Abs. 1 KV-GNotKG jedenfalls im Grundsatz allein auf die Rechtzeitigkeit des Eingangs des Umschreibungsantrags beim zuständigen Grundbuchamt innerhalb der nicht verlängerbaren sondern sich allenfalls kraft Gesetzes (§ 16 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO; vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 20.12.2021 - 2 Wx 314/21 -, juris, Rn. 18) verlängernden, Zwei-Jahres-Frist, die eine Ausschlussfrist darstellt (vgl. OLG München, Bes. v. 12.12.2014 - 34 Wx 374/14 -, RPfleger 2015, 368; BayObLG, Bes. v. 01.12.1999 - 3Z BR 342/99 -, juris, Rn. 9 ff.; BayObLG, Bes. v. 06.07.1999 - 3Z BR 155/99 -, RPfleger 1999, 509; Wilsch, ZEV 2013, 428), ankommt.
Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut der Anm. 1 Satz 1 zu Nr. 14110 KV-GNotKG. Danach kommt es lediglich auf die rechtzeitige Einreichung des Eintragungsantrags bei dem Grundbuchamt an (vgl. Drempetic, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 23; Gutfried, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl. 2021, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 18; Hartmann, in: Hartmann, Kostengesetze online, 4. Lfg. Nov. 2022, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 15; Kawell, in: Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl. 2024, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 20; Uhl, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK-KostenR, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 25; Wilsch, in: Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl. 2022, Nr. 14110 KV-GNotKG, Rn. 45; jew. m. w. N.).
Die, soweit erkennbar, zur früheren Bestimmung des § 60 Abs. 4 KostO a. F. eher nur vereinzelt vertretene Auffassung, wonach neben dem rein formal zu beurteilenden rechtzeitig eingegangenen Antrag weitergehend auch auf dessen uneingeschränkte Vollzugsreife, namentlich durch die rechtzeitige Vorlage aller erforderlichen Berichtigungsnachweise, ankommen soll (OLG Karlsruhe, Bes. v. 12.02.1987 - 4 W 87/86 -, RPfleger 1988, 19 <20>; LG Koblenz, Bes. v. 29.08.1994 - 2 T 586/94 -, FamRZ 1996, 1563; ausdrücklich offengelassen von OLG Karlsruhe, Bes. v. 22.12.2023 - 19 W 95/22 -, juris, Rn. 17), vermag demgegenüber nicht zu überzeugen.
Der Gesetzgeber beabsichtigte durch die Fortschreibung der Gebührenprivilegierung des § 60 Abs. 4 KostO a. F. in Anm. 1 Nr. 14110 KV-GNotkG (vgl. hierzu OLG München, Beschl. v. 15.12.2015 - 34 Wx 334/51 Kost -, RPfleger 2016, 376 <377>, m. w. N.) gerade, Erben zu einer möglichst zügigen Veranlassung der Berichtigung des Grundbuchs, dessen Richtigkeit im öffentlichen Interesse liegt, anzuhalten (vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 166, 206; vgl. auch OLG Köln, Bes. v. 08.08.1988 - 2 Wx 31/88 -, RPfleger 1988, 549; OLG Zweibrücken, Bes. v. 13.01.1997 - 3 W 176/96 -, RPfleger 1997, 277).
Für den oder die Erben eines Grundstückseigentümers steht zuvorderst aber allein die Antragstellung beim Grundbuchamt selbst in der eigenen Entscheidungsfreiheit. Alle damit naturgemäß in Zusammenhang stehenden Fragen der (rechtzeitigen) Erlangung von erforderlichen Nachweisen, sei es für die Erbenstellung oder, wie der vorliegende Sachverhalt exemplarisch belegt, notwendige Zustimmungen von Behörden oder Dritten, namentlich im Zuge einer etwaigen Aufteilung des Grundstücks im Zuge einer ebenfalls gebührenprivilegierten Erbauseinandersetzung (Anm. 1 Satz 2 Nr. 14110 KV-GNotKG) entziehen sich demgegenüber einer hinreichenden "Beherrschbarkeit" durch den Antragsteller.
Die angesichts des Ausnahmetatbestands gebotene enge Auslegung (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Bes. v. 29.06.2023 - 19 W 79/21 -, RPfleger 2023, 616 <618 f.>) vermag hieran nichts zu ändern. Der Gesetzeswortlaut ist hinreichend eindeutig (vgl. etwa OLG Köln, Bes. v. 28.08.2018 - 2 Wx 305/18 -, RPfleger 2019, 109 <110>; zu § 60 Abs. 4 KostO a. F. noch OLG Köln, Bes. v. 04.11.1998 - 2 Wx 48/98 -, NJW-RR 1999, 1230 <1231>).
Die Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit streiten ebenfalls für diese rein formale Auslegung, die spiegelbildlich dazu führt, dass es auf die Gründe oder auch die Frage eines fehlenden Verschuldens eines Erben, rechtzeitig einen, wenn auch absehbar noch nicht vollzugsfähigen, Umschreibungsantrag innerhalb der Zwei-Jahres-Frist zu stellen, nicht ankommt (vgl. u. a. BayObLG, Bes. v. 01.12.1999 - 3Z BR 342/99 -, juris, Rn. 12). Dementsprechend wäre bei einem, hier allerdings nicht vorliegenden, Eingang eines vollzugsfähigen Antrags erst nach Ablauf der Ausschlussfrist auch dann keine Gebührenprivilegierung (mehr) angezeigt, selbst wenn dem Antragsteller, nachweisbar oder sogar amts- und gerichtsbekannt (vgl. Zur pandemisch bedingten Verzögerungen OLG Karlsruhe, Bes. v. 22.12.2023 - 19 W 95/22 -, ErbR 2024, 295 <296>), keine Verantwortlichkeit hierfür träfe.
Der rein formalen, mithin allein auf den rechtzeitigen Eingang des Umschreibungsantrags beim zuständigen Grundbuchamt rekurrierenden, Auslegung kann auch keine Missbrauchsanfälligkeit entgegengehalten werden.
Einer solchen ließe sich absehbar insbesondere durch eine mittels einer Zwischenverfügung setzbaren Beibringungsfrist und, nach deren erfolglosem Verstreichen, Ablehnung des Umschreibungsantrags begegnen (§ 18 Abs. 1 GBO), um etwa einem beliebigen Hinauszögern der gegebenenfalls notwendigen Beibringung eines Erbfolgenachweises nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO, der oftmals nur durch kostenpflichtige Beschaffung eines Erbscheins möglich sein dürfte, wirksam zu begegnen (so i. E. wohl auch Uhl, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn Beck, BeckOK-KostenR, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 25: "Flucht in die Zwischenverfügung").
III.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (§ 81 Abs. 8 Satz 1 GNotKG); eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 81 Abs. 8 Satz 2 GNotKG).
RechtsgebietKV-GNotKGVorschriftenNr. 14110 KV-GNotKG