09.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242525
Oberverwaltungsgericht Lüneburg: Beschluss vom 28.05.2024 – 14 OA 79/24
1. Es besteht gemäß der vorrangigen Regelung in § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG kein Anwaltszwang nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO für die Beschwerde gegen die Erinnerung gegen den Ansatz der Gerichtskosten.
2. In dem Beschwerdeverfahren kann nur die Verletzung der zu beachtenden Kostengesetze geltend gemacht werden.
Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschluss vom 28.05.2024
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Berichterstatterin der 4. Kammer - vom 28. Juli 2023 wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich gegen eine Kostenrechnung des Verwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2022 über Gerichtskosten in Höhe von 266,00 Euro.
In dem zugrundeliegenden Klageverfahren () stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Dezember 2022 das Verfahren nach Rücknahmeerklärung der Klägerin mit Schreiben vom 1. Dezember 2022 gemäß 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ein und legte der Klägerin gemäß § 155 Abs. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens auf. Den Streitwert setzte das Verwaltungsgericht auf 10.000 Euro fest. Hiergegen wandte sich die Klägerin nicht.
Mit Kostenrechnung vom 13. Dezember 2022 (Kassenzeichen: ...) zog die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle die Klägerin zu einer Verfahrensgebühr in Höhe von 266,00 Euro heran. Hiergegen wandte sie sich mit Schreiben vom 2. März 2023 und verwies auf § 91a ZPO. Mit Beschluss vom 28. Juli 2023 wies das Verwaltungsgericht die Erinnerung der Klägerin gegen die Kostenrechnung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zurück.
Mit Schreiben vom 8. August 2023 hat die Klägerin gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und führt zur Begründung aus: Die Sache selbst sei nach heutigem Stand rechtlich unwirksam und verfassungswidrig. Die Kostenentscheidung sei nach § 69b GKG gemäß § 1 Abs. 1 der "Verordnung für eine Gebührenermäßigung" zu treffen. Sie gehe von einem vollständigen Wegfall der Gerichtsgebühren aus.
II. Über die Beschwerde entscheidet gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 zweiter Halbs. GKG die Berichterstatterin des Senats als Einzelrichterin, da der Beschluss vom 28. Juli 2023 über die Erinnerung von der Berichterstatterin der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig als Einzelrichterin im Sinne des gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 erster Halbs. GKG getroffen worden ist (Laube, in: BeckOK KostR, Stand: 1.4.2024, § 66 GKG, Rn. 258).
Die Beschwerde ist zwar zulässig (unter 1.), aber unbegründet (unter 2.).
1. Die nicht fristgebundene und gemäß § 66 Abs. 5 Satz 1 u. 3 GKG formgerecht beim Verwaltungsgericht schriftlich eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28. Juli 2023, mit dem die Erinnerung der Klägerin gegen den Ansatz der Gerichtskosten zurückgewiesen worden ist, ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. Die Klägerin wendet sich gegen den Ansatz der Gerichtskosten in Höhe von 266,00 Euro.
Die Klägerin ist postulationsfähig; sie durfte die Beschwerde selbst einlegen. Die Beschwerde nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG unterliegt nach § 66 Abs. 5 Satz 1 erster Halbs. GKG nicht dem Vertretungszwang. Danach können Anträge und Erklärungen ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. Diese Regelung ist gemäß § 1 Abs. 5 GKG gegenüber § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO, wonach sich vor dem Oberverwaltungsgericht die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen, vorrangig (OVG Saarl., Beschl. v. 25.5.2021 - 2 E 68/21 -, juris Rn. 5 m.w.N.; NdsOVG, Beschl. v. 23.11.2018 - 13 OA 494/18 -, juris Rn. 2; HambOVG, Beschl. v. 4.10.2011 - 4 So 82/11 -, juris Rn. 6; zum Vertretungszwang im Erinnerungsverfahren: BVerwG, Beschl. v. 3.5.2022 - 5 KSt 1/22 -, juris Rn. 3 u. v. 4.1.2019 - 1 KSt 1.19 -, juris Rn. 3; NdsOVG, Beschl. v. 18.4.2020 - 8 OA 13/20 -, juris Rn. 2; SächsOVG, Beschl. v. 2.2.2024 - 6 A 257/22 -, juris Rn. 2; BFH, Beschl. v. 10.11.2022 - XI E 1/22 -, juris Rn. 7; offen lassend: zuletzt BVerwG, Beschl. v. 16.2.2024 - 6 Kst 2/24, juris Rn. 1).
2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. Juli 2023 die Erinnerung der Klägerin, die sich gegen den Ansatz der Gerichtskosten vom 13. Dezember 2022 (Kostenrechnung mit dem Kassenzeichen ...) in Höhe von 266,00 Euro richtete, zu Recht zurückgewiesen.
Der Kostenansatz verletzt keine zu beachtenden Kostengesetze. Dies allein ist im Rahmen der Beschwerde - wie bei der Erinnerung - zu prüfen (NdsOVG, Beschl. v. 23.11.2018 - 13 OA 494/18 -, juris Rn. 4; zum Prüfungsumfang der Erinnerung: Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl. 2024, GKG § 66 Rn. 31 m.w.N.). Denn Gegenstand der Beschwerde ist die Entscheidung über die Erinnerung (Laube, in: BeckOK KostR, Stand: 1.4.2024, § 66 GKG, Rn. 231). Aus diesem Grund geht der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts nicht über den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichts, das über die Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG zu entscheiden hat, hinaus (BayVGH, Beschl. v. 9.3.2017 - 20 C 16.2572 -, juris Rn. 11).
Die Beschwerde der Klägerin enthält keinerlei Gesichtspunkte, die die Berechnung der Gerichtsgebühren durchgreifend in Zweifel ziehen.
a. Die Klägerin ist gemäß § 29 Nr. 1 GKG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 GKG Kostenschuldnerin, weil ihr die Berichterstatterin der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig im Einstellungsbeschluss vom 12. Dezember 2022 die Kosten des Klageverfahrens auferlegt hat. Diese Entscheidung ist nach § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar und wirksam. Ohne dass dies hier zu prüfen wäre, ist festzuhalten, dass die Kostengrundentscheidung auch im Einklang mit § 155 Abs. 2 VwGO steht, wonach derjenige die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, der - wie hier die Klägerin mit Schreiben vom 1. Dezember 2022 - eine Klage im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO zurücknimmt. Entgegen der Auffassung der Klägerin in ihrem Erinnerungsschreiben vom 2. März 2023 ist § 91a ZPO nicht anwendbar. Eine Erledigungserklärung liegt - ungeachtet des Umstandes, dass in diesem Fall eine Entscheidung nach 161 VwGO ergehen müsste - nicht vor.
b. Der Ansatz der durch die Rücknahme reduzierten (1,0-)Verfahrensgebühr von 266,00 Euro (Nr. 5111 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG - Kostenverzeichnis - i.V.m. der Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG - Gebührentabelle -), die dem Grunde nach bereits mit Einreichung der Klage durch die Klägerin am 7. April 2021 entstanden war (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG) und die gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 1 GKG auch fällig ist, durch die zuständige Kostenbeamtin vom 13. Dezember 2022 beruht auf der rechtskräftig gewordenen Streitwertfestsetzung aus dem genannten Einstellungsbeschluss vom 12. Dezember 2022 auf 10.000 EUR und lässt der Höhe nach Rechtsfehler nicht erkennen. Solche hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.
c. Die Klägerin kann sich nicht auf die auf Grundlage des § 69b GKG erlassene Verordnung über den Entfall von Gerichtsgebühren bei außergerichtlicher Konfliktbeilegung (AGKBGGebEV) vom 12. Juni 2019 (Nds. GVBl. S. 148) berufen. Nach § 1 Abs. 1 AGKBGGebEV entfallen die u.a. von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Niedersachsen nach dem Gerichtskostengesetz zu erhebenden Verfahrensgebühren nach den Nummern 5110, 5112, 5210, 5220, 6110, 6210, 7110, 7112 und 8210, wenn 1. die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung nach den Nummern 5111, 5113, 5211, 5221, 6111, 6211, 7111, 7113 und 8211 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes) gegeben sind, 2. das gesamte Verfahren nach einer Mediation oder nach einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung durch Zurücknahme der Klage oder des Antrags beendet wird und 3. in der Klage- oder Antragsschrift mitgeteilt worden ist, dass eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung unternommen wird oder beabsichtigt ist, oder das Gericht den Parteien die Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorgeschlagen hat. Zwar liegt hier aufgrund der Klagerücknahme ein Fall der Nummer 5111 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes) vor, allerdings mangelt es offensichtlich an den Voraussetzungen der Nummern 2 und 3 dieser Vorschrift. Es hat weder eine Mediation noch eine außergerichtliche Konfliktbeilegung stattgefunden. Vielmehr hat die Klägerin ihre Klage nach dem gerichtlichen Hinweis vom 7. November 2022 insgesamt zurückgenommen.
d. Soweit die Klägerin noch ausführt, die Sache selbst sei nach heutigem Stand rechtlich unwirksam und verfassungswidrig gewesen, handelt es sich nicht um kostenrechtliche Einwendungen, die im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen wären. Denn Gründe, die den Kostenansatz nicht betreffen, sind im Rahmen der Erhebung der Gerichtskosten und im Erinnerungsverfahren von vorneherein unerheblich und nicht zu berücksichtigen. Ebenso wie das Erinnerungsverfahren dient das Beschwerdeverfahren nicht dazu, eine vorangegangene Entscheidung im Hauptsacheverfahren oder (eine nach Rücknahme nur noch zu treffende) Kostenentscheidung auf ihre Recht- oder Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.11.2020 - 5 KSt 1.20 -, juris Rn. 3; Laube, in: BeckOK KostR, Stand: 1.4.2024, § 66 GKG, Rn. 78 mit umfassenden Nachweisen).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).