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  • 09.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242526

    Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 09.04.2024 – 15 WF 23/24

    1. Eine Tätigkeit des für ein minderjähriges Kind bestellten anwaltlichen Ergänzungspflegers begründet einen nach dem RVG abrechenbaren Aufwendungsersatzanspruch nur dann, wenn professioneller Rechtsrat bei der Aufgabenwahrnehmung notwendig ist.

    2. Sofern der Ergänzungspfleger für die Genehmigung eines notariellen Grundstücksübertragungsvertrages keine anwaltsspezifischen Aufgaben wahrzunehmen, sondern nur einen Abgleich des Vertrags mit der testamentarischen Verfügung vorzunehmen hat, begründet dies in der Regel nur einen Vergütungs- oder Aufwendungsersatzanspruch nach dem VBVG.


    Oberlandesgericht Celle 

    Beschluss vom 09.04.2024


    In der Familiensache
    betreffend die elterliche Sorge für
    pp.
    weitere Beteiligte:
    pp.

    hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht .... und den Richter am Amtsgericht ... am 9. April 2024 beschlossen:

    Tenor:
    1. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 22. Januar 2024 wird aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht - Familiengericht - Holzminden zurückverwiesen.
    2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

    Gründe

    I.

    Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Beschwerde vom 1. Februar 2024 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 22. Januar 2024 mit dem die Vergütung des Ergänzungspflegers, Herrn Rechtsanwalt H. K., für seine Tätigkeit vom 8. September 2023 bis 11. Januar 2024 auf 1.435,76 EUR festgesetzt wurde. Das Amtsgericht hat der Vergütung die Gebührensätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zu Grunde gelegt. Daneben hat das Amtsgericht die dem Ergänzungspfleger zu erstattenden Auslagen für die notarielle Zustimmung auf 203,71 EUR festgesetzt. Für die Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss vom 22. Januar 2024 Bezug genommen.

    Die Beschwerdeführer sind die leiblichen Eltern der Kinder A. K., geboren am 7. November 2002, sowie M. K., geboren am 27. Mai 2006. Die Beschwerdeführerin hat neben ihrer Schwester Frau C. B. deren Tante Frau E. P. beerbt, die am 28. Juni 2022 verstorben ist. Aus dem Testament ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin und Frau C. B. zu je 1/2 Erbinnen geworden sind. Das Testament enthält aber zu Gunsten der Beschwerdeführer sowie der beiden Kinder der Beschwerdeführer ein Vermächtnis an dem im Wohnungsgrundbuch von H. Blatt 4667 eingetragenen Wohnungseigentum. Mit notarieller Urkunde des Notars G. K. in H., Urkundennummer 129/2023, vom 4. August 2023 erklärten die Beschwerdeführerin sowie die Schwester der Beschwerdeführerin die Auflassung und Übertragung des Miteigentumsanteils zu je 1/4, insbesondere auch auf das noch minderjährige Kind der Beschwerdeführer M. K.. Die Übertragung ist lastenfrei erfolgt. Der Wert des Wohnungseigentums haben die Beteiligten mit 71.321 EUR angegeben. Für die weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die notarielle Urkunde vom 4. August 2008 Bezug genommen.

    Der Notar wurde damit beauftragt, die familiengerichtliche Genehmigung des Vertrages einzuholen. Mit Beschluss vom 8. September 2023 ordnete das Amtsgericht eine Ergänzungspflegschaft für den Aufgabenbereich "Entscheidung über die Genehmigung des notariellen Vertrages vom 4. August 2023 (Notar G. K., UVZ-Nr. 129/2023) an. Zum Ergänzungspfleger wurde Herr Rechtsanwalt H.K. bestellt. Am 10. November 2023 erklärte der Ergänzungspfleger die Genehmigung vor dem Notar G. K., Urkundennummer 200/2023. Am 17. November 2023 teilte der Ergänzungspfleger dem Gericht mit, dass er seine Genehmigung erteilt habe, nachdem dieser die testamentarische Verfügung auf Übereinstimmung mit der erfolgten Auflassung überprüft habe. Zudem spreche die Lastenfreiheit für die Zustimmungsfähigkeit. Gleichzeitig hat der Ergänzungspfleger die Kostenfestsetzung wie vom Gericht im angefochtenen Beschluss festgesetzt, beantragt. Die Beschwerdeführer sind durch das Amtsgericht unter Bezugnahme auf § 24 Nr. 2 FamGKG i.V.m. § 5 der notariellen Urkunde zur Erstattung der Vergütung verpflichtet worden.

    Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde und sind hierbei der Ansicht, dass es in Anbetracht des einfach gelagerten Sachverhalts einer spezifischen anwaltlichen Tätigkeit durch den Ergänzungspfleger nicht bedurfte. Eine Abrechnung hätte vielmehr nach dem VBVG erfolgen müssen. Des Weiteren rügen sie einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör, weil das Anhörungsschreiben zu dem Kostenfestsetzungsantrag des Ergänzungspflegers an den Notar versendet wurde und sie durch diesen erst nach Erlass Kostenfestsetzungsbeschlusses davon in Kenntnis gesetzt worden seien.

    II.

    Die Beschwerde ist gemäß §§ 58, 61 Abs. 1 ff. FamFG zulässig. Insbesondere steht den Beschwerdeführern eine Beschwerdebefugnis gemäß § 59 Abs. 1 FamFG zu, weil diese durch den angefochtenen Beschluss ausdrücklich zur Erstattung der Vergütung der Ergänzungspfleger verpflichtet worden und sie daher durch den angefochtenen Beschluss unmittelbar in ihren Rechten beeinträchtigt sind.

    Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

    1.
    Der Beschluss des Amtsgerichts geht zunächst zutreffend davon aus, dass die Beschwerdeführer als Eltern des Kindes M. K. für die Erstattung der Vergütung des Ergänzungspflegers haften. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz oder Vergütung des Ergänzungspflegers besteht grundsätzlich gemäß §§ 1808 Abs. 2, § 1877 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 3 VBVG gegenüber dem Mündel. Folgerichtig hat der Ergänzungspfleger auch die Festsetzung der Vergütung gegenüber dem Kind gemäß §§ 168d, 292 Abs.1 Nr. 1, 3 FamFG beantragt. Jedoch ist anerkannt, dass in Fällen, in denen sich die Eltern bereits im notariellen Übertragungsvertrag verpflichtet haben, die durch die Urkunde ausgelösten Kosten zu übernehmen, auch die Aufwendungen und Vergütung des zur Vertretung des beteiligten Kindes bestellten Ergänzungspflegers gegen ihn als Übernahmeschuldner in entsprechender Anwendung des § 24 Nr. 2 FamGKG festsetzen kann (OLG Braunschweig, NJOZ 2016, 1713 Rdnr. 13, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. April 2010 - 3Wx 7/10, zitiert nach BeckRS 2011, 1698).

    2.
    Der berufsmäßig tätige Ergänzungspfleger hat dem Grunde nach einen Erstattungsanspruch gemäß §§ 1813 Abs. 1, 1808 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 3 VBVG.

    Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VBVG beträgt die Höhe der Vergütung des berufsmäßigen Ergänzungspflegers mit besonderen Kenntnissen je Stunde 39 EUR. Gemäß § 3 Abs. 3 VBVG kann das Gericht, soweit die besondere Schwierigkeit der Angelegenheiten dies ausnahmsweise rechtfertigt, einen höheren als den in Absatz 1 vorgesehenen Stundensatz der Vergütung bewilligen.

    Der Aufwendungsersatz wiederum richtet sich nach § 4 Abs. 2 VBVG. Für solche Dienste, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, kann der Berufsvormund anstelle der Vergütung nach § 1 Abs. 3 VBVG Aufwendungsersatz in entsprechender Anwendung des § 1877 Abs. 3 BGB verlangen. Gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 RVG, kann ein zum Vormund oder Pfleger bestellter Rechtsanwalt nicht bereits wegen seiner allgemeinen Amtsführung als Pfleger nach dem RVG abrechnen (BT-Drs. 13/7158, 37). Die Ausnahme hiervon regelt § 1 Abs. 2 S. 3 RVG durch den Verweis auf § 1877 Abs. 3 BGB und § 4 Abs. 2 VBVG. Nur in den Fällen, in denen der anwaltliche Vormund oder Pfleger im Rahmen seiner Aufgabenkreise Tätigkeiten erbringt, wegen deren Bedeutung und/oder Schwierigkeit professioneller Rechtsrat eingeholt werden muss und ein berufsmäßiger Pfleger/Vormund ohne Ausbildung zum Volljuristen deshalb einen Rechtsanwalt beiziehen würde, kann nach dem RVG abgerechnet werden (BGH, NJW-RR 2021, 321 [BGH 16.12.2020 - XII ZB 410/20] Rdnr. 17; BGH, NJW 2014, 3036 [BGH 23.07.2014 - XII ZB 111/14] Rdnr. 10). Die Tätigkeit muss sich als spezifische Tätigkeit eines Rechtsanwalts darstellen (BGH, NJW 2014, 865 [BGH 04.12.2013 - XII ZB 57/13] Rdnr. 11). Nicht jede Tätigkeit des anwaltlichen Ergänzungspflegers, die er im Rahmen seiner Pflegschaft erbringt, begründet einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 1877 Abs. 3 BGB und § 4 Abs. 2 VBVG. Maßstab ist hier, ob ein nichtanwaltlicher Ergänzungspfleger diese Tätigkeit ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erbracht hätte.

    3.
    Die angefochtene Entscheidung verhält sich zu diesen besonderen Anforderungen nicht.

    Das Amtsgericht hat nicht geprüft, ob der hier bestellte Ergänzungspfleger eine solche Tätigkeit erbracht hat. Vielmehr beschränkt sich das Amtsgericht auf den Verweis der Berufsmäßigkeit und die allgemeine Qualifikation als Rechtsanwalt. Die erforderliche Einzelfallprüfung hat das Amtsgericht nicht vorgenommen. Bereits deswegen war der Beschluss aufzuheben und zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Bei der weiteren Sachbehandlung wird das Amtsgericht zu berücksichtigen haben, dass derzeit durch den Ergänzungspfleger nicht hinreichend dargetan wurde, dass seine Tätigkeit als Rechtsanwalt erforderlich gewesen ist und ein nichtanwaltlicher Ergänzungspfleger zur weiteren Prüfung einen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Dies liegt vorliegend in Anbetracht des einfach gelagerten Sachverhalts eher fern. Es handelt sich bei der Frage der Genehmigung des Übertragungsvertrags nach den hier vorliegenden Umständen um keine schwierige Sach- und Rechtslage, die einen nichtanwaltlichen Pfleger dazu veranlasst hätten, einen Rechtsanwalt mit einer eingehenden Vertragsprüfung zu beauftragten. Allein der Abgleich des Übertragungsvertrags mit der testamentarischen Verfügung stellt keine Prüfung dar, die einer anwaltlichen Beauftragung bedurfte. Eine weitere Prüfung des Übertragungsvertrages hat der Ergänzungspfleger auch nach seinem Festsetzungsantrag nicht vorgenommen.

    Weiterhin erscheint mindestens zweifelhaft, ob die bislang durch den Ergänzungspfleger geleistete Tätigkeit auch unter der Annahme einer anwaltlichen Tätigkeit der Gebührentatbestand des VV 2300 RVG erfüllt ist. Die Geschäftsgebühr des VV 2300 RVG fällt zwar auch für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags an (VV Vorb. 2.3 Abs. 3 RVG) an. Von einer Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags ist jedoch nur dann auszugehen, wenn der Rechtsanwalt den Vertrag komplett erarbeitet, dieser einzelne Klauseln eines Vertragsentwurfs, der von einem Dritten gefertigt worden ist, neu formuliert oder den Vertragsentwurf wegen weiterer Regelungen ergänzt oder wenn der Rechtsanwalt einen von einem Dritten gefertigten Vertragsentwurf - vor Abschluss des Vertrags - im Auftrage des Mandanten prüft. Anders ist dies jedoch, wenn der Rechtsanwalt beauftragt ist, einen bereits abgeschlossenen Vertrag durchzugehen. Dann wird der Auftrag aber nicht sein, den Vertrag mitzuteilen, sondern der Mandant wird den Rechtsanwalt dahingehend mandatieren, zu prüfen, ob bestimmte Rechtsfolgen aus dem Vertrag hergeleitet werden können oder ob etwa eine vorzeitige Kündigung des Vertrags möglich ist. Wird der Rechtsanwalt nur mit der Prüfung solcher Fragen beauftragt, liegt eine Beratung vor. Es gilt § 34 RVG (vgl. Enders, RVG, 21. Auflage 2023, Rdnr. 124). Für die "Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags" genügt demnach nicht die bloße Überprüfung eines Vertrags, ohne das Unterbreiten von Änderungsvorschlägen oder einen Kontakt zum Gegner oder im Falle eines notariell zu beurkundenden Vertrags zum Notar (LG München I, Urteil vom 16.02.2023 - 4 O 14404/22, zitiert nach BeckRS 15871, Rdnr. 24). Auch das Genehmigungserfordernis des § 107 BGB durch den anwaltlichen Ergänzungspfleger führt zu keiner anderen Bewertung und erfüllt nicht die Voraussetzung für die Auslösung der Geschäftsgebühr nach VV 2300 RVG. Ein "Mitwirken" setzt aber auch bei einem Auftreten nach außen stets voraus, dass das Handeln des Rechtsanwalts relevant wird für die Frage des späteren Abschlusses eines Vertrags (LG München I, aaO). Die bloße Zustimmung zu einem bereits abgeschlossenen Vertrag reicht hierfür zur Überzeugung des Senats nicht aus, weil auf den konkreten Vertragsinhalt kein Einfluss genommen wird.

    Die Frage, ob die Beschwerdeführer zur Vergütungsfestsetzung ordnungsgemäß angehört worden sind, kann nach alledem dahingestellt bleiben.

    4.
    Dem Senat ist eine eigene Sachentscheidung nicht möglich, weil für die Vergütungsfestsetzung unter Berücksichtigung der oben betonten Maßstäbe weitere Ermittlungen durch das erstinstanzliche Gericht zu dem Tätigkeitsumfang des Ergänzungspflegers erforderlich sind, die bislang unterblieben sind. Daher war die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung unter Berücksichtigung der Auffassung des Senats an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Nach den vorstehenden Ausführungen erscheint eine Vergütung eher nach dem VBVG geboten, wofür das Amtsgericht vor seiner erneuten Entscheidung den zeitlichen Umfang der Tätigkeit des Ergänzungspflegers ermitteln müsste.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 20 FamGKG. Im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung erfolgt die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zwar regelmäßig durch das Gericht, an das zurückverwiesen worden ist. Das Beschwerdegericht kann aber bereits in seiner Aufhebungsentscheidung über diese Kosten entscheiden und etwa die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren niederschlagen, wenn die Voraussetzungen des § 20 FamGKG - wie hier - gegeben sind.

    RechtsgebietErgänzungspflegschaftVorschriften§ 3 VBVG; § 4 VBVG; § 1877 Abs. 3 BGB; § 1 Abs. 2 RVG