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  • 30.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242941

    Oberlandesgericht München: Urteil vom 19.01.2024 – 25 W 1378/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht München 

    Beschluss vom 19.01.2024


    In Sachen
    ...
    - Klägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    Streithelferin:
    ...
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    gegen
    ...
    - Beklagte-
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    - Beschwerdeführerin -

    wegen Forderung
    hier: Beschwerde

    erlässt das Oberlandesgericht München - 25. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... am 19.01.2024 folgenden

    Beschluss

    Tenor:
    1. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen Ziffer 1 des Beschlusses des Landgerichts München I vom 24.08.2023, Az. 12 O 15149/20, wird zurückgewiesen.
    2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
    Gründe

    I.

    Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten begehrt mit ihrer mit Schriftsatz vom 13.10.2023 eingelegten Beschwerde die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts von 656.047,24 €.

    Die Klägerin hat mit ihrer Klage gegen die Beklagte Ansprüche aus abgetretenem Recht aus einer Gebäudeversicherung aufgrund eines Brandschadens an einer Gaststätte geltend gemacht. Die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach war zwischen den Parteien unstreitig. Streitig war jedoch, ob ein Anspruch nicht nur auf den Zeitwert, sondern auch auf den Neuwert bestand. Ferner war zwischen den Parteien die Höhe der erforderlichen Wiederherstellungskosten streitig. Insoweit lagen voneinander abweichende vorgerichtliche Sachverständigengutachten vor. Mit ihren zuletzt unter Ziffer I gestellten Anträgen hat die Klägerin bezifferte Leistungsanträge, beruhend auf den Darlegungen im von der Beklagten beauftragen Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der Neuwertentschädigung gestellt. Mit den unter Ziffer II gestellten Feststellungsanträgen hat die Klagepartei unter Ziffer II.1. die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, den weiteren Versicherungsschaden, soweit er über die in Ziffer I beantragten Zahlbeträge hinausgehe, zu erstatten und unter Ziffer II.2., dass die Beklagte verpflichtet sei, den Schaden zu erstatten, der durch die Verzögerung der Regulierung entstanden sei. Mit Beschluss vom 17.07.2023 hat das Landgericht festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Vergleich zustande gekommen ist. Die vergleichsweise Einigung sah die Zahlung von weiteren (neben bereits vorgerichtlich und während des Prozesses erfolgten Zahlungen) 388.736,27 € seitens der Beklagten gegen Abgeltung sämtlicher Forderungen aus dem streitgegenständlichen Schadensereignis vor.

    Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24.08.2023 (Bl. 362/363 d.A. LG) den Streitwert des Verfahrens - insoweit unangefochten - auf 2.299.857,60 € festgesetzt. Der Streitwert setzt sich zusammen aus den bezifferten Anträgen in Ziffer I. in Höhe von insgesamt 759.080,75 € und den Feststellungsanträgen in Ziffer II. Dabei hat das Landgericht den Streitwert für den Antrag II.1. (mit 1.516.776,85 €) auf Basis der Wiederherstellungskosten unter Berücksichtigung des Neuwerts bestimmt, die sich aus dem von der Klagepartei erholten Sachverständigengutachten ergaben, und - nach Abzug des bereits in Ziffer I.1. bezifferten Teils - noch einen Abschlag von 30 % vorgenommen. Hinsichtlich des Abschlags hat es ausgeführt, dass sich auch nach einem entsprechenden Urteil über die Höhe der zur Wiederherstellung des Gebäudes erforderlichen Kosten streiten ließe. Den Verzögerungsschaden unter II.2. hat das Landgericht auf 24.000,- € geschätzt und den Streitwert insoweit auf diesen Betrag festgesetzt. Ferner hat das Landgericht entschieden, dass ein überschießender Vergleichswert nicht bestehe.

    Gegen die Feststellung, dass ein überschießender Vergleichswert nicht bestehe, richtet sich die Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit ihrer Beschwerde vom 13.10.2023 (Bl. 364/366 d.A. LG). Sie ist der Auffassung, dass der geschlossene Vergleich "mehr wert" sei als die Klageanträge, da sich die Parteien auf eine Zahlungspflicht geeinigt hätten, während die Klageanträge in Ziffer II nur auf Feststellung gerichtet gewesen seien. Der Vergleichsmehrwert bestehe in dem Abschlag von 30 %, der bei der Festsetzung des Streitwerts des Feststellungsantrags II.1. vorgenommen worden sei (= 650.047,32 €). Ferner geht die Beschwerdeführerin davon aus, dass auch bei der Festsetzung des Streitwerts unter II.2. ein Abschlag von 20 % vorgenommen worden sei. Der vom Landgericht gedachte Zahlungsanspruch hätte 30.000,- € betragen. Auch dieser Abschlag von 6.000. € sei als Vergleichsmehrwert zu berücksichtigen.

    Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 09.11.2023 (Bl. 1/2 d.A. OLG) nicht abgeholfen. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 30.11.2023 (Bl. 6/7 d.A.) zum Nichtabhilfe-Beschluss des Landgerichts Stellung genommen und insbesondere darauf verwiesen, dass durch den Vergleich auch die Gefahr künftiger Streitigkeiten darüber, was zur Wiederherstellung erforderlich wäre, beseitigt sei.

    II.

    1. Die Beschwerde ist gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben.

    2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass ein überschießender Vergleichswert nicht besteht.

    a) Die Festsetzung des Streitwerts gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG dient der Bemessung der Gerichtsgebühren (OLG München, Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 15 U 2407/16, NJW-RR 2017, 700 Rn. 16; OLG Dresden, JurBüro 2022, 474 unter 3). In diesem Zusammenhang ist ein Vergleichsmehrwert festzusetzen, soweit eine Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs anfällt, was gemäß Nr. 1900 KV GKG nur der Fall ist, soweit ein Vergleich über nicht gerichtlich anhängige Gegenstände geschlossen wird.

    b) Im vorliegenden Fall wurden durch den Vergleich keine Ansprüche abgefunden, die nicht bereits Gegenstand des Rechtsstreits waren. Insbesondere war gerade auch die Höhe der Wiederherstellungskosten, die von den Sachverständigen der beiden Parteien unterschiedlich angegeben worden war, bereits Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Mit den Anträgen in Ziffer II.1. und II.2. wollte die Klägerin die Feststellung erreichen, dass ihr über die vom Sachverständigen der Beklagten (zunächst) ermittelten und von ihr zur Grundlage ihrer Leistungsanträge gemachten Wiederherstellungskosten noch höhere Wiederherstellungskosten zustehen würden. (Die Fragen, ob die Entschädigung auf Neuwertbasis zu erfolgen hatte und ob die Anspruchsvoraussetzungen für eine Neuwertentschädigung vorlagen, wären schon im Rahmen der Leistungsanträge in Ziffer I zu entscheiden gewesen.) Die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Versicherungsleistung war mithin Gegenstand der Feststellungsansprüche. Soweit mit dem geschlossenen Vergleich auch die genaue Höhe der Wiederherstellungskosten dem Streit zwischen den Parteien entzogen wurde, geht der Vergleich daher nicht über die gerichtlich anhängigen Gegenstände hinaus. Zur Ermittlung der tatsächlich geschuldeten Wiederherstellungskosten wäre im Prozess die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens erforderlich geworden.

    Mit der vom Landgericht vorgenommenen Wertfestsetzung hinsichtlich der Feststellungsanträge ist darüber hinaus auch der mit dem Vergleich abgegoltene Anspruch zutreffend festgesetzt. Die Klagepartei hat die beiden Anträge in Ziffer II.1. und II.2. ersichtlich deshalb als Feststellungsanträge und nicht als bezifferte Leistungsanträge gestellt, weil sie deren genaue Höhe aufgrund bestehender Unsicherheiten noch nicht beziffern wollte bzw. konnte. Das Landgericht hat sich für die Festsetzung des Streitwerts für den Antrag II.1. an der Differenz der von den beiden Sachverständigen ermittelten Wiederherstellungskosten orientiert und dann einen Abschlag von hier 30 % vorgenommen. Dieser Abschlag rechtfertigt sich auch daraus, dass sich die Klagepartei bewusst nicht eines Anspruchs in einer bestimmten Höhe berühmt hatte, sondern lediglich geltend gemacht hatte, dass die Wiederherstellungskosten über die vom Sachverständigen der Beklagten ermittelten hinausgingen, wobei sie die genaue Höhe offen gelassen hatte. Hinsichtlich des Klageantrags II.2. hat das Landgericht den Streitwert schlicht geschätzt.

    c) Soweit die Beschwerdeführerin meint, ein Mehrwert bestehe, weil sich die Parteien auf mehr als die begehrte Feststellung, nämlich auf eine Zahlung geeinigt hätten, bezieht sie in unzulässiger Weise die vergleichsweise vereinbarte Leistung (Zahlung) in die Bestimmung der durch Vergleich abgefundenen Ansprüche mit ein.

    Der Wert des Vergleichs richtet sich nach den rechtshängigen und gegebenenfalls nicht rechtshängigen Ansprüchen, die durch den Vergleich erledigt werden. Beim Abfindungsvergleich kommt es daher auf den Wert der abgefundenen Ansprüche an (Zöller, Herget, ZPO, 34. Auflage, § 3 Rz. 16.179; Toussaint, Uhl, Kostenrecht, 53. Auflage, 2023, RVG, VV1000, Rn 42). Nicht maßgeblich ist dagegen, welchen Wert die Forderungen haben, die durch den Vergleich begründet wurden (OLG Hamm, Beschluss vom 22.05.2018, I-7 W 9/18, Rz. 18, juris, m.w.N.).

    Ein Mehrwert des Vergleichs ergibt sich daher nicht schon deshalb, weil mit dem Vergleich eine Zahlungspflicht vereinbart wurde, während streitgegenständlich auch Feststellungsanträge waren, bei deren Wertfestsetzung -- jedenfalls hinsichtlich des Feststellungsantrags in Ziffer II.1. -- aufgrund bestehender Unsicherheiten ein Abschlag von 30 % auf die Differenz der Wiederherstellungskosten gemacht wurde, die sich aus den von den Parteien jeweils beauftragten Sachverständigengutachten ergeben hatte. Dass im Vergleich eine Zahlungspflicht festgelegt wird, während das angestrebte Urteil nur auf Feststellung gelautet hätte, vermag einen Mehrwert des Vergleichs per se nicht zu begründen, da -- wie oben dargelegt -- nicht maßgeblich ist, welche Leistung durch den Vergleich begründet wird, sondern welche Ansprüche durch den Vergleich erledigt werden (ebenso OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.04.2012 - 8 W 390/12, r+s 2014, 207, Leitsatz 3.; OLG Hamm, a.a.O. Rz. 21; wohl a.A. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 01.03.2021 - 3 U 19/20 - juris - Rz. 11 f.).

    3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG erfolgt keine Erstattung der außergerichtlichen Kosten. Wegen § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG bedarf es auch keiner Wertfestsetzung.

    4. Diese Entscheidung ist gem. § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG nicht anfechtbar (BGH, Beschluss vom 06.04.2006, VI ZB 88/08, ZIP 2009, 2172).

    RechtsgebieteStreitwert, ProzessvergleichVorschriften§ 63 Abs. 2 S. 1 GKG; Nr. 1900 KV-GKG