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  • 30.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242942

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 18.12.2023 – 6 WF 170/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Frankfurt 6. Senat für Familiensachen

    18.12.2023


    Tenor

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Der Beschwerdeführerin beanstandet den von dem Amtsgericht festgesetzten Verfahrenswert in einem Verfahren auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft.

    Die Beteiligten sind getrennt lebende Ehegatten. Das Scheidungsverfahren ist unter dem Aktenzeichen … beim Amtsgericht - Familiengericht - Dieburg rechtshängig. Im Scheidungsverbund werden Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt geltend gemacht.

    Nach vorgerichtlichem Schriftwechsel beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 25.05.2023 die vorzeitige Aufhebung der zwischen den Beteiligten bestehenden Zugewinngemeinschaft. In seinem Antrag gab er einen vorläufigen Verfahrenswert von 10.000,00 Euro an.

    Im schriftlichen Vorverfahren erkannte die Antragsgegnerin den Antrag unter Verwahrung gegen die Kostenlast an. Darüber hinaus beanstandete sie den von dem Antragsteller angegebenen Verfahrenswert. Mangels substantiierter Anhaltpunkte könnte allenfalls auf den Regelwert mit 5.000,00 Euro zurückgegriffen werden.

    Der Antragsteller beantragte den Erlass eines Anerkenntnisbeschlusses und die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach vorläufiger Berechnung stehe ihm ein Zugewinnausgleichsanspruch gegen die Antragsgegnerin in Höhe von 23.453,00 Euro zu, der sich allerdings nach Ermittlung der latenten Steuerlast, die von seinem Endvermögen abzuziehen sei, noch erhöhen werde. Hierfür habe er einen angemessenen Aufschlag auf 40.000,00 Euro vorgenommen. Der Verfahrenswert richte sich nach 25 % des erwarteten Zugewinnausgleichs. Er sei deshalb mit 10.000,00 Euro angegeben worden.

    Mit dem angefochtenen Beschluss, der der Antragsgegnerin am 02.08.2023 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht im Wege einer Entscheidung aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochen, dass die zwischen den Beteiligten bestehende Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufgehoben wird. Die Kosten des Verfahrens hat es der Antragsgegnerin auferlegt und den Verfahrenswert auf 10.000,00 Euro festgesetzt. Den Beschluss hat das Amtsgericht nicht begründet.

    Mit ihrer am 15.08.2023 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen den festgesetzten Verfahrenswert und gegen die Kostenentscheidung. Hinsichtlich der Beschwerde über die Kostenentscheidung ist ein gesondertes Verfahren unter dem Aktenzeichen … anhängig.

    Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Antragsgegnerin ausgeführt, der Verfahrenswert sei nach dem Interesse des Antragstellers in dem konkreten Fall zu beurteilen. Das Interesse am vorzeitigen Zugewinnausgleich sei nicht ersichtlich. Die Möglichkeit der Ehescheidung zu einem früheren Zeitpunkt sei allenfalls mit einem geringen Bruchteil des Interesses des Antragstellers hinsichtlich des Zugewinnausgleichs, beispielsweise 1/10, anzusetzen. Auch der errechnete Zugewinnausgleichsanspruch von 40.000,- Euro sei vor dem Hintergrund des deutlich höheren Anfangsvermögens der Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar.

    Der Antragsteller hat die angefochtene Entscheidung verteidigt. Er habe den Zugewinnausgleichsanspruch auf 40.000,00 Euro beziffert. In der Rechtsprechung seien Quoten des zu erwartenden Zugewinnausgleichs von 1/4 bis 1/5 herangezogen werden. Zudem habe er ein Interesse an der Verwertung der gemeinschaftlichen Immobilie.

    Mit Verfügung vom 28.08.2023 hat das Amtsgericht die Vorlage an das Oberlandesgericht mit der Bitte um Entscheidung über die Beschwerde verfügt, ohne eine Abhilfeentscheidung zu treffen. Mit Beschluss vom 05.09.2023 hat die Einzelrichterin die Vorlageverfügung aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über die Abhilfe an das Amtsgericht zurückverwiesen.

    Daraufhin hat das Amtsgericht am 15.11.2023 einen mit „Entscheidung aufgrund eines Anerkenntnisses“ überschriebenen Beschluss mit demselben Tenor wie die angefochtene Entscheidung erlassen. Im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht den Beschluss begründet. Die Wertfestsetzung folge aus § 42 Abs. 1 FamGKG. Der Antrag auf vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft sei nach der Rechtsprechung des BGH mit 25 % des zu erwartenden Zugewinns zu bewerten. Maßgebend seien die Wertvorstellungen des Antragstellers bei Antragstellung. Er habe den Zugewinnausgleichsanspruch auf 40.000,00 Euro beziffert. Der Beschluss ist dem Antragsteller am 27.11.2023 und der Antragsgegnerin am 16.11.2023 zugestellt worden.

    Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin am 24.11 2023 vorsorglich erneut Beschwerde bezüglich der Kostenentscheidung und der Wertfestsetzung eingelegt. Das Oberlandesgericht habe die Angelegenheit an das Amtsgericht mit der Maßgabe zurückgegeben, eine Abhilfeentscheidung zu treffen. Der vom Familiengericht zitierte Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt zur Wertfestsetzung betreffe eine andere Fallkonstellation. Die Wertfestsetzung richte sich nach dem Interesse des Antragstellers an der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft. Dieses könne allenfalls darin bestehen, das Scheidungsverfahren zu beschleunigen. Zu dem entsprechenden Wert sei nichts vorgetragen. Deshalb sei vom Regelwert auszugehen.

    Durch Beschluss vom 15.12.2023 hat das Amtsgericht den „sofortigen Beschwerden“ gegen die Beschlüsse vom 25.07.2023 und 15.11.2023 aus den Gründen des Beschlusses vom 15.11.2023 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht erneut zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    Die gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG statthafte Beschwerde gegen die Festsetzung des Werts des Verfahrens in dem Beschluss des Amtsgerichts vom 25.07.2023 ist zulässig. Der Rechtsbehelf wurde rechtzeitig angebracht (§ 59 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG). Der Beschwerdewert von 200,- € ist erreicht.

    In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Wert des Verfahrens auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zu Recht und mit zutreffender Begründung auf 10.000,00 Euro festgesetzt. Da eine besondere Wertvorschrift für das Verfahren auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft im FamGKG nicht vorgesehen ist und es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt, bestimmt sich der Wert nach § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen. Maßgeblich ist dabei das Interesse des Antragstellers an der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft.

    Anträge auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft sind unstreitig nicht mit dem vollen Wert des zu erwartenden Zugewinnausgleichs anzusetzen, sondern mit einem Bruchteil, der nach § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (N. Schneider, NZFam 2016, 258). Es entspricht in der Regel billigem Ermessen, den Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft mit 25 % des zu erwartenden Zugewinnausgleichs zu bewerten (vgl. BGH, NJW 1973, 50 und 369; OLG Schleswig, BeckRS 2020, 55073; OLG Frankfurt NZFam 2021, 734, 739). Denn das Interesse an der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft besteht darin, sich die Möglichkeit zu verschaffen, seine Zugewinnausgleichsforderung zu realisieren (BGH, a. a. O.). Mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens tritt gemäß § 1388 BGB Gütertrennung ein, so dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte den Zugewinnausgleichsanspruch bereits vor Rechtskraft der Scheidung geltend machen und auch zugesprochen bekommen kann. Unter Berücksichtigung der Nachteile für den ausgleichsberechtigten Ehegatten (keine Teilnahme am künftigen Zugewinn, Verlust der erbrechtlichen Bevorzugung nach § 1371 BGB) und der entsprechenden Vorteile für den ausgleichspflichtigen Ehegatten, ist die Bemessung des Werts in der Regel mit einem Bruchteil von einem Viertel gerechtfertigt (BGH, a. a. O.).

    Wie beim Stufenverfahren, in dem es nach erteilter Auskunft zu keiner Bezifferung kommt (BeckOK Streitwert/ Dürbeck Familienrecht Stufenanträge, 45. Edition, Stand: 01.10.2023, Rn. 5, 5a), sind auch bei dem vorliegenden Gestaltungsantrag nach § 1386 BGB, der Voraussetzung für die vorzeitige Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs nach § 1385 BGB ist, die bei Eingang des Antrags von dem Antragsteller geäußerten subjektiven Vorstellungen zum Wert seines Begehrens zugrunde zu legen (§ 34 FamGkG). Der Antragsteller hat die zu erwartende Zugewinnausgleichsforderung mit 40.000,00 Euro angegeben. Substantiierte Einwände hiergegen hat die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass der Antragsteller realitätsferne Vorstellungen zur Höhe des vermeintlichen Anspruchs geäußert habe. Nur in einem solchen Ausnahmefall könnten seine Vorstellungen nicht berücksichtigt werden (vgl. hierzu OLG Schleswig, BeckRS 2015, 14034).

    Vorliegend ist der Wert - wie im Regelfall - mit einem Viertel der von dem Antragsteller erwarteten Zugewinnausgleichsforderung zu bemessen, also mit 10.000,00 Euro. Es sind keine Gründe ersichtlich, die einen geringeren Bruchteil rechtfertigen könnten. Der Antragsteller hat sogar weniger Nachteile durch die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft als der Ausgleichsberechtigte in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall. So bleibt es etwa bei dem Berechnungszeitpunkt des Zugewinns, weil dass Scheidungsverfahren der Beteiligten bereits rechtshängig war und auch für den vorzeitigen Zugewinnausgleich hinsichtlich des Endvermögens der Stichtag des § 1384 BGB, also der frühere Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags gilt (MüKoBGB/Koch, 9. Auflage 2022, § 1387 BGB Rn. 3). Ein geringerer Bruchteil kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil das Scheidungsverfahren bereits anhängig war, die Ehe ohnehin bald geschieden wird und dadurch der Güterstand der Zugewinngemeinschaft endet (zu diesem Ausnahmefall BGH, NJW 1973, 369). Denn ein Ende des Scheidungsverfahrens ist vorliegend nicht absehbar, da neben der Folgesache Güterrecht auch noch die Folgesache Unterhalt rechtshängig ist. Auch der Umstand, dass der von dem Amtsgericht zitierte Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt eine andere Fallkonstellation als der vorliegende Fall betrifft, wie die Beschwerde zutreffend ausführt, führt nicht zu einer Abweichung von der vorgenommenen Wertbemessung. Denn die andere Fallkonstellation schließt nicht aus, dass es auch in vorliegendem Fall billigem Ermessen entspricht, den Wert auf einen Bruchteil von einem Viertel der zu erwartenden Zugewinnausgleichsforderung festzusetzen.

    Auf den Auffangwert des § 42 Abs. 3 FamGKG (so OLG Brandenburg, BeckRS 2021, 14858 ohne Begründung; OLG Köln, BeckRS 2014, 17389) ist nur dann abzustellen, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Höhe der zu erwartenden Forderung bestehen (BeckOK Streitwert/Dürbeck Familienrecht Güterrechtsverfahren, 45. Edition, Stand: 01.10.2023, Rn. 8), was vorliegend nicht der Fall ist. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann das Interesse des Antragstellers auch nicht danach bemessen werden, dass die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zu einer Beschleunigung des Scheidungsverfahrens führen kann. Denn im Rahmen des § 42 Abs. 1 FamGKG können nur vermögensrechtliche Umstände bei der Ausübung des Ermessens herangezogen werden. Insoweit moniert die Antragsgegnerin zu Unrecht, der Antragsteller habe zu seinem Interesse an der Beschleunigung des Scheidungsverfahrens nicht hinreichend vorgetragen, so dass § 42 Abs. 3 FamGKG anzuwenden sei.

    Das Wertinteresse in der Vorverlegung der Fälligkeit der Forderungen zu sehen und auf die Verzinsung des Forderungsbetrags abzustellen (so OLG Stuttgart, BeckRS 2009, 25406) ist schließlich auch kein geeigneter Maßstab, weil sich Zinshöhe und Zinsdauer schwer prognostizieren lassen (BeckOK Streitwert/Dürbeck, a. a. O., Rn. 8).

    Da der Beschluss des Amtsgerichts vom 15.11.2023 lediglich die Begründung des Beschlusses vom 25.07.2023 nachholt und im Übrigen den identischen Tenor enthält, hat er keine eigenständige Bedeutung und ist gegenstandslos. Einer gesonderten Entscheidung über die hiergegen vorsorglich eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin bedarf es nicht.

    Der deklaratorische Ausspruch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 59 Abs. 3 FamGKG.

    RechtsgebieteStreitwert, Zugewinngemeinschaft, vorzeitige AufhebungVorschriften§ 42 Abs. 1 FamGKG; § 1386 BGB; § 1385 BGB