Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 30.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242948

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 02.02.2024 – 6 W 111/23

    Für die Nachahmung einer hochpreisigen Uhr ist im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Streitwert von 200.000 € nicht zu hoch.


    OLG Frankfurt 6. Zivilsenat

    02.02.2024


    Tenor

    Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss (einstweilige Verfügung) der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.05.2023 (Az. 3-10 O 36/23) wird zurückgewiesen.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Die Antragstellerin ist Teil der A-Gruppe. Sie stellt (u.a.) sog. Pilotenuhren her, die sie unter der Marke „IWC“ vertreibt, darunter die C (…) wie auf Seite 5 des Eilantrags abgebildet.

    Die Antragsgegnerin vertreibt Uhren und Schmuck in ihrem Geschäftslokal sowie über ihre Internetseite www.(...).de. Dort bot sie am 28.03.2023 die Uhr „Festina Modell1“ für 1.200 Euro bzw. - bei Verwendung eines Gutscheincodes - 1.083 Euro an (vgl. S. 46 des Eilantrags, GA 48). Zulieferin ist die X GmbH, einer für den Vertrieb in Deutschland zuständigen Tochtergesellschaft der spanischen Herstellerin der FESTINA-Uhren X Lotus S.A.

    Die Antragstellerin ließ die Antragstellerin mit anwaltlicher E-Mail vom 29.03.2023 („2022“ ist ein Schreibversehen) unter Fristsetzung bis zum 12.04.2023 (u.a.) wegen vermeidbarer Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 Buchst. a UWG) zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern. Nach ihrer Auffassung ist die von der Antragsgegnerin angebotene FESTINA-Uhr eine nahezu identische Nachahmung ihrer Uhr/en. Ihrer Forderung nach Anwaltskostenersatz legte die Antragstellerin insofern einen Gegenstandswert von 500.000 Euro zugrunde.

    Die Antragsgegnerin sprach mit Anwaltsschreiben vom 06.04.2023 eine „Gegenabmahnung“ aus mit dem Hinweis, der von der Antragstellerin angesetzte Streitwert sei für die Angelegenheit deutlich überhöht. Sie legte 50.000 Euro zugrunde.

    Mit Beschluss - einstweiliger Verfügung - vom 24.05.2023 hat das Landgericht der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel wegen Verstoßes gegen § 4 Nr. 3 b) UWG antragsgemäß untersagt, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs die konkret abgebildete(n) Uhr(en) des Herstellers „FESTINA“ (unabhängig von der farblichen Gestaltung) anzubieten und/oder zu bewerben und/oder zu vertreiben. Den Streitwert hat es gemäß der Angabe in der Antragsschrift auf 200.000 Euro festgesetzt (vgl. GA 203 ff.).

    Die Antragsgegnerin hat die einstweilige Verfügung (jedenfalls ihrer Angabe nach) als endgültige Regelung anerkannt.

    Mit ihrer Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung vom 20.06.2023 beantragt sie, den Streitwert auf höchstens 10.000 Euro herabzusetzen.

    Die Antragsgegnerin behauptet, sie habe als kleines, familiengeführtes Unternehmen, das ihr Geschäftsführer gemeinsam mit seiner Ehefrau betreibe, im Jahr 2019 weniger als 12.900 Euro Gewinn erzielt und unter 80.000 Euro an Gehältern gezahlt (vgl. die eidesstattliche Versicherung ihres Steuerberaters in Anlage A66, GA 324). Es sei nur eine Uhr der streitgegenständlichen Art bestellt und diese Bestellung widerrufen worden, weshalb sie letztlich keine Uhr dauerhaft in Verkehr gebracht habe. Die Angelegenheit habe für sie keine bzw. nur äußerst geringe wirtschaftliche Bedeutung.

    Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Streitwert sei daher nach § 51 Abs. 3 GKG auf 1.000 Euro festzusetzen. Das Vorgehen gegen sie und die parallelen Abmahnungen wegen der gleichen Uhr der Q GmbH & Co. KG (gleichlautend und vom selben Tag, vgl. Anlage AG 65) und der X Uhren GmbH sowie die gegenüber der X Lotus S.A. und der Y erwirkten einstweiligen Verfügungen seien nach § 15 Abs. 2 RVG gebührenrechtlich eine Angelegenheit. Der Abmahnende müsse die Anzahl der abgemahnten Rechtsverletzungen, den Gegenstandswert und den auf den jeweiligen Abgemahnten entfallenden Bruchteil nennen (Büscher, GRUR 2021, 162, 167). Ein fehlender Hinweis hierauf indiziere einen Rechtsmissbrauch.

    Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Streitwertfestsetzung. Sie ist der Ansicht, die (von ihr weitgehend mit Nichtwissen bestrittenen) Behauptungen der Antragsgegnerin nach Erlass der einstweiligen Verfügungen sollten nur deren Kostenlast reduzieren. § 15 Abs. 2 RVG sei erst im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen. Ihre Streitwertangabe in der Antragsschrift entspreche unter Berücksichtigung der von ihr dargelegten Verkaufs- und Umsatzzahlen der billigem Ermessen (§ 51 Abs. 2 und. 4 GKG). § 51 Abs. 3 GKG sei nicht einschlägig. Die Antragsgegnerin habe mit ihrer Rechtsverteidigung, u.a. der Mandatierung einer renommierten Sozietät, der Anzeige der Mitwirkung eines Patentanwalts, der Bezugnahme auf ein Verkehrsgutachten und dem in ihrer Gegenabmahnung angegebenen Wert von 50.000 Euro, deutlich gemacht, dass die Sache für sie überragende Bedeutung habe.

    Das Landgericht hat der Streitwertbeschwerde mit ausführlich begründetem Beschluss nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt. Es hat angenommen, Maßstab der Streitwertfestsetzung sei bei einem Vorgehen gegen einen Mitbewerber allein das Interesse der klagenden Partei. Der Angriffsfaktor sei anhand des drohenden Schadens zu bestimmen, der von den Umständen abhänge. Insbesondere bei hochwertigen und hochpreisigen Produkten wie den streitgegenständlichen Uhren habe der Hersteller ein erhebliches Interesse an der Unterbindung des Vertriebs einer Produktnachahmung, die die erhebliche Gefahr von Umsatzeinbußen und eines Marktverwirrungs- und Rufschadens begründe. Auch unter Berücksichtigung einer geringen Unternehmensgröße der Antragsgegnerin und des Ausmaßes der Verletzungshandlung habe die Antragstellerin überragendes Interesse am Nachahmungsschutz, das den festgesetzten Streitwert rechtfertige, zumal die Streitwertangabe zu Verfahrensbeginn regelmäßig ein Indiz für den Wert des Interesses darstelle. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 RVG sei für die Streitwertfestsetzung unerheblich. Da die Antragstellerin den Hauptsachestreitwert in der Abmahnung mit 500.000 Euro angegeben habe, sei der festgesetzte Wert bereits gemäß § 51 Abs. 4 GKG gemindert. Eine Streitwertbegünstigung nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG komme vorliegend nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin habe nicht überzeugend dargelegt, dass die Bedeutung der Sache für sie erheblich geringer als der festgesetzte Streitwert sei. Nach zutreffender Auffassung der Antragstellerin zeige deren Verteidigungsverhalten vielmehr, dass die Bedeutung der Sache für sie jedenfalls nicht erheblich geringer sei.

    II.

    Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Streitwert zu Recht und mit zutreffender Begründung auf 200.000 Euro festgesetzt.

    1. Maßgeblich für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts in Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist die Vorschrift des § 51 Abs. 2 bis 4 GKG.

    a) Nach § 51 Abs. 2 GKG ist, soweit nichts Anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Festsetzung des Streitwerts kann nicht anhand von Regelstreitwerten erfolgen, weil dies mit den Vorschriften des § 3 ZPO und des § 51 Abs. 2 GKG nicht vereinbar ist, die eine Ermessensausübung des Gerichts vorsehen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 08.11.2022 - I ZR 62/22, juris Rn. 6 mwN). Entscheidend ist bei Unterlassungsanträgen das Interesse des Klägers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen, bestimmt (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 15.09.2016 - I ZR 24/16,GRUR 2017, 212 Rn. 8 mwN - Finanzsanierung). Dabei sind unter anderem die Unternehmensverhältnisse des Verletzten und des Verletzers (etwa Art, Größe, Umsatz und Marktbedeutung), die Art, Intensität, Zielrichtung und Dauer der Verletzungshandlung, insbesondere deren Gefährlichkeit für den Wettbewerber oder Verbraucher unter Berücksichtigung der drohenden Schäden sowie der Grad des Verschuldens unter Bewertung auch des nachträglichen Verhaltens zu berücksichtigen (vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.11.2021 - 6 W 89/21, juris Rn. 8 mwN).

    b) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach § 51 Abs. 2 GKG ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern (§ 51 Abs. 3 Satz 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Auffangstreitwert von 1 000 Euro anzunehmen (§ 51 Abs. 3 Satz 2 GKG). Dieser Wert ist auch anzusetzen, wenn die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt (§ 51 Abs. 3 Satz 3 GKG). Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn die Abgemahnten nur in geringem Maße wirtschaftlich tätig sind und damit nicht in nennenswertem Wettbewerb zu Mitbewerbern stehen bzw. nicht viele Verbraucher durch einen Verstoß beeinträchtigt werden, oder wenn die Rechtsposition der Verbraucher durch den Verstoß nicht verschlechtert wird oder der Verstoß die Verbraucher nicht dazu bewegen wird, das Angebot des Zuwiderhandelnden zu bevorzugen (vgl. BT-Drucks. 19/12084 S. 40).

    c) Der sich aus § 51 Abs. 2 und 3 GKG ergebende Wert ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Da der Eilrechtsschutz in der wettbewerbsrechtlichen Praxis vielfach - so auch hier - zu einer abschließenden Erledigung führt und daher in seiner Bedeutung nicht erkennbar hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleibt, kann es allerdings im Einzelfall sachgerecht sein, von einer Streitwertermäßigung abzusehen, vgl. z.B. Toussaint in BeckOK Kostenrecht, 44. Edition, Stand: 01.01.2024, § 51 Rn. 23).

    2. Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht das Interesse der Antragstellerin am Erlass der einstweiligen Verfügung mit 200.000 Euro nicht zu hoch bewertet.

    a) Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 RVG ist nach zutreffender Ansicht des Landgerichts und der Antragstellerin bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen. Es ist allenfalls im Kostenfestsetzungsverfahren zu klären, ob der Kostenschuldner nur einen Bruchteil der Kosten aus einem (dann höheren) fiktiven (Gesamt-) Streitwert schuldet (siehe insofern z.B. BGH, Beschluss vom 22.01.2019 - VI ZR 402/17, GRUR 2019, 763 Rn. 24 - Ermittlungen gegen Schauspielerin; Urteil vom 22.01.2019 - VI ZR 403/17, juris Rn. 24; Beschluss vom 15.05.2014 - I ZB 71/13,GRUR 2014, 1239 Rn. 15-18 - Deus Ex; dazu, dass die Festsetzung des Streitwerts andererseits nicht zum Prüfungsumfang des Kostenfestsetzungsverfahrens nach §§ 104 ff. ZPO gehört, vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2018 - VII ZB 54/16, NJW 2018, 3586 Rn. 13 mwN).

    b) Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Streitwertherabsetzung nach § 51 Abs. 3 GKG nicht in Betracht kommt.

    aa) § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG ist vorliegend nicht einschlägig. Diese Vorschrift ist nur anwendbar, wenn sich dem Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Wertbemessung entnehmen lassen (vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.07.2021 - 6 W 53/21, WRP 2021, 1338 Rn. 9 mwN - Streitwert bei fehlender Grundpreisangabe). Dies ist hier nicht der Fall.

    bb) Nach zutreffender Auffassung des Landgerichts kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die dem Verfahren zugrundeliegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern im Sinne von § 51 Abs. 3 Satz 3 GKG in nur unerheblichem Maße beeinträchtigte und daher von dem Auffangstreitwert in Höhe von 1.000 Euro auszugehen wäre.

    Diese Regelung betrifft Kleingewerbebetreibe mit nicht nennenswerter wirtschaftlicher Betätigung, von der keine merkliche Beeinträchtigung von Mitbewerberinteressen ausgeht, und beispielsweise Fälle, in denen ein Verstoß Verbraucherinteressen nicht erheblich beeinträchtigt (wie im Einzelfall eine Informationspflichtverletzung im Onlinehandel)

    Ein solcher Fall steht hier nicht in Rede. Die Antragsgegnerin ist ein Fachunternehmen für Uhren und Schmuck mit Meisterwerkstätten, das seine Produkte, darunter Uhren bekannter Hersteller wie „FESTINA“, nicht nur in seinen Geschäftsräumen in Stadt1 im Erzgebirge, sondern mit großer Reichweite auch über seinen eigenen Onlineshop vertreibt. Das streitgegenständliche Angebot war professionell und attraktiv gestaltet. Die durch rote Schrift hervorgehobene Offerte, bei der Nutzung eines Gutsscheins und Zahlung per Vorkasse, Amazon Pay oder PayPal nur 1.083 Euro zu zahlen und 117 Euro zu sparen, konnte nicht unerhebliche Anreizwirkung entfalten. Das Angebot war insgesamt geeignet, den Absatz der Antragstellerin (bzw. ihrer deutschen Vertriebstochter) der aus ihrer Sicht nachgeahmten Uhr auf dem inländischen Markt erheblich zu beeinträchtigen. Während ihre Uhr zwischen 6.800 Euro und 13.700 Euro kostet, war die von der Antragsgegnerin angebotene Uhr deutlich preisgünstiger (siehe insofern auch OLG Frankfurt am Main, WRP 2023, 358 Rn. 10 mwN - Penthouse in Erstbezug).

    cc) Es besteht auch kein Anlass, den Streitwert nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG angemessen zu mindern.

    Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hat das Landgericht diese Vorschrift in seinem Nichtabhilfebeschluss nicht willkürlich unberücksichtigt gelassen, sondern sich eingehend mit dieser Norm befasst, diese aber zutreffend für nicht einschlägig gehalten, da sich nicht feststellen lässt, dass die Bedeutung der Sache für die Antragsgegnerin erheblich geringer zu bewerten wäre als der von ihm auf 200.000 Euro festgesetzte Streitwert.

    Zu dem für den Streitwert für die Gerichtsgebühren nach § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift hat (ausgehend von dem von der Antragstellerin geltend gemachten Wettbewerbsverstoß) die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr bestanden. Die Antragsgegnerin hatte vorgerichtlich keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, sondern war der Abmahnung eingehend entgegengetreten. Sie hat die Unterlassungsforderung auch vor Erlass der einstweiligen Verfügung nicht anerkannt.

    Der Umstand, dass die Antragsgegnerin ein kleines Familienunternehmen in einem 8000 Einwohner-Ort im Erzgebirge ist, das nach seinem glaubhaft gemachten Vorbringen letztlich keine einzige Uhr verkauft hat, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Es ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ursprünglich nur eine Uhr oder zumindest eine äußert geringe Stückzahl hätte vertreiben wollen. Ihr fehlender wirtschaftlicher Erfolg deutet nicht darauf hin, dass die Sache für sie trotz des hohen Angebotspreises allenfalls äußerst geringe wirtschaftliche Bedeutung hätte. Dieser kann vielmehr dem Umstand geschuldet sein, dass die Antragstellerin frühzeitig auf das streitgegenständliche Angebot aufmerksam wurde.

    Dass sich die Antragsgegnerin mit Hilfe des X-Konzerns vertreten durch eine ihr von diesem zur Seite gestellte renommierte Anwaltssozietät gegen die Abmahnung und den Eilantrag zur Wehr gesetzt hat, spricht nach zutreffender Auffassung des Landgerichts ebenfalls nicht für ein nur unerhebliches wirtschaftliches Interesses der Antragsgegnerseite am Vertrieb der beanstandeten Uhr. Zwar mag die Antragsgegnerin das in das Verfahren eingeführte Verkehrsgutachten nicht selbst in Auftrag gegeben und bezahlt haben. Vielmehr dürfte davon auszugehen, dass ihr dieses durch die X Lotus S.A. zur Verfügung gestellt worden ist. Allerdings kann sich ein in Anspruch genommener Händler, der sich mit Hilfe seines Zulieferers gegen seine Inanspruchnahme verteidigt und von diesem im vollen Umfang freigestellt wird, in aller Regel nicht darauf berufen, er habe kein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Angelegenheit. In einem solchen Fall ist auch das Interesse seines Zulieferers am Erhalt der Absatzquelle mit in die Betrachtung einzubeziehen.

    c) Davon ausgehend hat das Landgericht den Streitwert ermessensfehlerfrei und zutreffend gemäß § 51 Abs. 2 und 4 GKG auf 200.000 Euro festgesetzt.

    aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats kommt der Streitwertangabe des Klägers zu Beginn des Verfahrens erhebliche indizielle Bedeutung für den Wert des von diesem verfolgten Interesses zu. Da der Kläger bei Einreichung der Klage- bzw. Antragsschrift noch nicht sicher wissen kann, ob sein Antrag Erfolg haben wird, ist er von sich aus gehalten, sein wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes realistisch einzuschätzen. Eine Abweichung von der Streitwertangabe kommt daher im Regelfall nur in Betracht, wenn Anzeichen dafür bestehen, dass diese Angabe erheblich über- oder untersetzt ist. Dies gilt insbesondere im Anwendungsbereich von § 51 Abs. 2 GKG, da nach dieser Norm auf die sich aus dem Antrag des Klägers für diesen ergebende Bedeutung abzustellen ist (vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.12.2022 - 6 W 77/22, WRP 2023, 358 Rn. 4 mwN - Penthouse in Erstbezug).

    bb) Vorliegend besteht kein Anlass, von der Streitwertangabe der Antragstellerin abzuweichen, zumal diese bereits berücksichtigt, dass der Wert des Eilverfahrens nach § 51 Abs. 4 GKG grundsätzlich gegenüber dem Wert der Hauptsache zu ermäßigen ist (die Antragstellerin hat den ihrer Abmahnung zugrundeliegenden Hauptsachestreitwert von 500.000 Euro um 300.000 Euro reduziert).

    (1) Die Antragstellerin hat sich zu Verfahrensbeginn nicht nur auf eine vermeidbare Herkunftstäuschung, sondern auch auf eine Rufausbeutung gestützt. Sie hat substantiiert dargetan, dass sie zwischen 2018 und 2023 in Deutschland mit den „IWC Pilots Chronographen“ knapp 27 Millionen Euro umgesetzt und gut 3,5 Millionen Euro in Werbung investiert hat. Wie oben bereits dargetan wurde, sind die von ihr hergestellten und vertriebenen Uhren mit zwischen 6.800 Euro und 13.700 Euro sehr hochpreisig.

    Soweit die Antragsgegnerin behauptet hat, „FESTINA“ sei in Deutschland mit 57 % dreimal so bekannt wie „B“ mit einem Anteil von 17,4 %, mag dies zwar zutreffen. Letzteres gilt auch, soweit die Antragsgegnerin behauptet hat, die „FESTINA“-Uhren zeichneten sich durch ein außergewöhnliches Preis-Leistungsverhältnis und einen guten After-Sales-Service aus, zwischen dem Jahr 2000 und Ende 2022 seien rund 6 Millionen Uhren unter dieser Marke in Deutschland verkauft und rund 382 Millionen Umsatz damit erwirtschaftet worden. „FESTINA“ verkaufe unter dieser Marke 100.000 Uhren pro Jahr (teils auch schon 300.000). Auch ergreife „FESTINA“ Werbe- und Sponsoring-Maßnahmen und gebe allein für Erstere in Deutschland hohe sechs- bis siebenstellige Beträge pro Jahr aus. Außerdem mögen die sich gegenüberstehenden Uhren das gleiche Uhrwerk haben und die von der Antragsgegnerin angebotene Uhr qualitativ nicht schlechter sein. All dies reduziert den für den Streitwert maßgeblichen Angriffsfaktor allerdings nicht, sondern erhöht ihn eher. Je attraktiver das Angebot der Nachahmung der Uhr der Antragstellerin ist, desto mehr ist es geeignet, deren Wettbewerbsinteressen zu beeinträchtigen.

    Die fehlende Gefährlichkeit des Angebots folgt auch nicht daraus, dass die X Lotus S.A. auf die gegen sie erlassene einstweilige Verfügung hin alle Händler in Deutschland informiert haben und für eine Beendigung der Angebote gesorgt haben mag. Die einstweilige Verfügung wurde dieser Gesellschaft aufgrund des Erfordernisses, sie ins Spanische zu übersetzen, erst am 08.05.2023 und damit nach Einreichung des streitgegenständlichen Eilantrags am 12.04.2023, zugestellt.Auf den Umstand, dass die Antragsgegnerin das streitgegenständliche Angebot zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung am 24.05.2023 bereits eingestellt haben mag, kommt es für die Höhe des Streitwerts ebenfalls nicht an.

    (2) Andererseits besteht keine Veranlassung, den Streitwert noch höher zu bewerten (dazu, dass bei Streitwertbeschwerden kein Verschlechterungsverbot besteht, vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.07.2023 - 6 W 40/23, WRP 2023, 1250 Rn. 24 mwN).

    d) Eine Streitwertbegünstigung nach § 12 Abs. 3 UWG macht die Antragsgegnerin nicht geltend. Sie käme auch nicht in Betracht, da die Antragsgegnerin von der X Lotus S.A. vollständig freigestellt wird.

    e) Der vom Landgericht festgesetzte Streitwert ist auch nicht rechtsmissbräuchlich überhöht.

    Der Umstand, dass die Antragstellerin die Antragsgegnerin vorgerichtlich nicht im Einzelnen über ihr Vorgehen gegenüber Dritten wegen der gleichen Uhr und insbesondere über die insofern angesetzten Gegenstands- bzw. Streitwerte informiert hat, begründet für sich gesehen keinen Rechtsmissbrauch. Dies gilt auch für die Annahme der Antragstellerin, das vorliegende Verfahren und ihr Vorgehen gegen Dritte seien keine einheitliche Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 06.06.2019 - I ZR 150/18, GRUR 2019, 1044 Rn. 18 - Der Novembermann).

    III.

    Die Gebührenfreiheit und fehlende Kostenerstattung folgen aus § 68 Abs. 3 ZPO.

    RechtsgebieteStreitwert, Unlauterer Wettbewerb, Einstweililge VerfügungVorschriften§ 51 Abs. 2 bis 4 GKG