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  • 30.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242958

    Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 18.04.2024 – 8 W 18/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Bamberg 

    Beschluss vom 18.04.2024


    In Sachen
    - Kläger und Beschwerdegegner -
    Prozessbevollmächtigte:
    H.
    gegen
    - Beklagte und Beschwerdeführerin -
    Prozessbevollmächtigte und Beschwerdeführerin:
    X.
    wegen Forderung
    hier: Beschwerde

    erlässt das Oberlandesgericht Bamberg - 8. Zivilsenat - durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx am 18.04.2024 folgenden
    Beschluss

    Tenor:
    1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 24.04.2023, Az. 12 O 1032/19, abgeändert:
      Die der Beklagten durch den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 4.168,80 € festgesetzt.
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
    3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
    4. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.084,40 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Der Kläger des vor dem Landgericht Schweinfurt geführten Rechtsstreits machte mit einer Klage vom 30.12.2019 gegen die Beklagte (die Beschwerdeführerin) einen Anspruch auf Ausgleich eines von der Beklagten geführten Kapitalkontos geltend. Der Kläger wurde dabei zunächst von Rechtsanwalt A. vertreten, der seinerzeit das Anwaltsbüro B. abwickelte, nachdem der ursprüngliche Kanzleiinhaber krankheitsbedingt berufsunfähig geworden war. Das Mandat hatte Rechtsanwalt A. jedoch bereits vor der Erkrankung des Kanzleiinhabers Rechtsanwalt B. übernommen. Die Beklagte wurde durch die X. vertreten.

    Mit Schreiben vom 13.08.2021 teilte Rechtsanwalt A. mit, dass das Mandat des Klägers mit dem Anwaltsbüro B. beendet sei, woraufhin sich der Kläger vorübergehend von der Rechtsanwaltskanzlei D. vertreten ließ. Mit Schreiben vom 27.08.2021 teilte die X. mit, dass sie die Beklagte nicht mehr vertrete. Ab 01.09.2021 war Rechtsanwalt A. bei der X. als Rechtsanwalt angestellt. Mit Schreiben vom 03.09.2021 zeigte Rechtsanwalt E. an, dass er die Vertretung der Beklagten übernommen habe. Am 30.11.2021 zeigte das Rechtsanwaltsbüro H. (jetzt H.) die Übernahme der Vertretung des Klägers an.

    Mit Schriftsatz vom 17.11.2022 nahm der Kläger die Klage zurück, woraufhin das Landgericht den Streitwert auf 122.319,76 € festsetzte. Mit Beschluss vom 22.11.2022 wurden dem Kläger auf Antrag der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

    Daraufhin beantragte die X. die Festsetzung der Kosten ihrer gerichtlichen Vertretung. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.01.2023 setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 2.084,40 € fest. Mit am 25.01.2022 eingegangenem Schreiben beantragte Rechtsanwalt E. die Festsetzung weiterer 2.084,40 € unter Hinweis darauf, dass ein notwendiger Anwaltswechsel gegeben gewesen sei. Die Rechtspflegerin des Landgerichts wies diesen Antrag mit dem angefochtenen Beschluss vom 24.04.2023 zurück, weil zwar die vormaligen Beklagtenvertreter wegen einer Interessenkollision das Mandat hätten niederlegen müssen, dies jedoch auf Umständen beruht habe, die die Partei beziehungsweise der Anwalt hätte voraussehen oder verhindern können.

    Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 24.04.2023 Bezug genommen.

    Der Beschluss wurde dem Beklagtenvertreter (Rechtsanwalt E.) am 02.05.2023 zugestellt. Mit am 10.05.2023 eingegangenem Schriftsatz der X. wurde hiergegen Beschwerde eingelegt. Auf Beanstandung der Vertretungsbefugnis seitens der Rechtspflegerin wurden zunächst eine auf den 10.02.2020 und dann eine undatierte Prozessvollmacht vorgelegt, die jeweils den Betreff "wegen Beschwerde" trugen.

    Die Beschwerdeführerin macht geltend, bei der Mandatsübernahme durch den vormaligen Klägervertreter (Rechtsanwalt A.) sei weder voraussehbar gewesen, dass Rechtsanwalt B., bei dem Rechtsanwalt A. seinerzeit angestellt gewesen war, krankheitsbedingt seine Tätigkeit würde aufgeben müssen, noch, dass Rechtsanwalt A. aufgrund der Berufsunfähigkeit seines Arbeitgebers in die Kanzlei der vormaligen Beklagtenvertreter wechseln würde. Einen notwendigen Anwaltswechsel zu verneinen, würde einen nicht hinnehmbaren Einschnitt in die Berufsausübungsfreiheit sowohl des vormaligen Klägervertreters als auch der vormaligen Beklagtenvertreter darstellen.

    Der Beschwerdegegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Sie sei bereits nicht fristgerecht eingelegt worden. Jedenfalls sei der Beschluss in der Sache zutreffend.

    Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12.07.2023 nicht abgeholfen. Sie sei zwar form- und fristgerecht eingelegt worden, jedoch sei eine Abänderung aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht möglich.

    Auf den Beschluss vom 12.07.2023 wird ergänzend Bezug genommen.

    Die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss.

    Der originäre Einzelrichter des Beschwerdegerichts hat das Verfahren nach § 568 Satz 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

    1.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

    a) Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG in Verbindung mit § 104 Abs. 3 Nr. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist innerhalb der zweiwöchigen Frist (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingegangen. Die Frist begann gemäß § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit der Zustellung an den (damaligen) Beklagtenvertreter, Rechtsanwalt E., am 02.05.2023 zu laufen, so dass Frist mit der am 10.5.2023 eingegangenen Beschwerde gewahrt ist.

    b) Der Beschwerdewert des § 567 Abs. 2 ZPO ist erreicht.

    c) Die X. war bei Einlegung der Beschwerde auch zur Vertretung der Beschwerdeführerin befugt. Zwar hat die Rechtspflegerin (zunächst) Zweifel am Vorliegen einer Vollmacht für das Beschwerdeverfahren geäußert. Nach § 88 Abs. 1 und 2 ZPO hat das Gericht jedoch, wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt, den Mangel der Vollmacht nur auf Rüge des Gegners zu prüfen. Diese Vorschrift gilt, da in Buch 1 der Zivilprozessordnung ("Allgemeine Vorschriften") geregelt, auch für das Verfahren der Kostenfestsetzung und das diesbezügliche Beschwerdeverfahren. Der Kläger hat eine entsprechende Rüge nicht erhoben. Das Rechtsmittel ist auch ausreichend deutlich im Namen der Beklagten eingelegt worden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 05.10.2010 - VI ZR 257/08, juris).

    2.

    Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

    a) Nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO trägt im Falle der Klagerücknahme grundsätzlich der Kläger die Kosten des Rechtsstreits. Auf Antrag einer Partei spricht das Gericht dies durch Beschluss aus (§ 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Umfang der zu erstattenden Kosten richtet sich nach § 91 Abs. 1 und 2 ZPO (vgl. Jaspersen, in: BeckOK ZPO, 51. Edition Stand 01.12.2023, § 91 ZPO Rn. 1). Danach hat die unterliegende Partei insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, was grundsätzlich auch die Gebühren für den beauftragten Rechtsanwalt einschließt.

    aa) § 91 ZPO enthält damit die Regel, dass eine Partei die ihr durch eine erfolgreiche Rechtsdurchsetzung (Rechtsverfolgung oder -verteidigung) entstandenen Kosten von der Gegenseite erstattet bekommen soll. Grundsätzlich soll also keine Partei mit den Kosten eines im Ergebnis erfolgreichen Rechtsstreits belastet werden, den sie aufgrund des Verhaltens der Gegenseite führen musste, sei es - aus Sicht der Klagepartei - weil die Gegenseite Anlass zur klageweisen Durchsetzung eines bestehenden Rechts gegeben hat (vgl. hierzu auch § 93 ZPO), oder - aus Sicht der Beklagtenpartei - weil die Gegenseite eine unzulässige oder unbegründete Klage erhoben hat.

    Dass im Einzelfall die obsiegende Partei gleichwohl im Ergebnis Kosten tragen muss, etwa weil sie den ihr zuerkannten Kostenerstattungsanspruch nicht beitreiben kann oder weil sie als (Zweit-)Schuldnerin für die Gerichtskosten herangezogen wird (§ 22 Abs. 1, § 29 Nr. 1, § 31 Abs. 2 GKG), ändert nichts an dem genannten Grundsatz der Kostentragung der unterlegenen Partei.

    bb) Begrenzt ist der prozessuale Kostenerstattungsanspruch allerdings durch die "Notwendigkeit" der Kosten (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Notwendig sind die Kosten nur für solche Maßnahmen, die objektiv erforderlich und geeignet erscheinen, das streitige Recht zu verfolgen oder zu verteidigen (Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 91 Rn. 8). Maßgeblich ist hierbei, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Maßnahme, die die Kosten auslöst, im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte (Jaspersen a.a.O., Rn. 119 unter Verweis auf BGH NJW-RR 2004, 1724 [BGH 09.09.2004 - I ZB 5/04]). Die obsiegende Partei soll also einerseits durch die erfolgreiche Rechtsverfolgung wirtschaftlich nicht benachteiligt werden, andererseits soll sie aber auch im Interesse des Gegners zu einer ökonomischen Prozessführung angehalten werden (vgl. Schulz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 91 Rn. 2).

    cc) Nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind auch die Kosten eines zweiten Anwalts insoweit zu erstatten, als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Dabei kann jedoch auch der in § 85 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck kommende Gedanke herangezogen werden mit der Folge, dass solche Kosten als nicht notwendig anzusehen sind, die aufgrund von Umständen entstanden sind, die vom Prozessbevollmächtigten vorherzusehen oder in einer, nur in der Zumutbarkeit seine Grenze findenden Weise hätten verhindert werden können (vgl. OLG Celle Beschluss vom 07.12.2010 - 2 W 389/10, Tz. 7; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 2004, Rdnr. 144). Daher wird auch nicht in jedem Fall einer durch eine Interessenkollision bedingten (also an sich objektiv notwendigen) Mandatsniederlegung und der anschließenden Beauftragung eines anderen Prozessbevollmächtigten ein notwendiger Anwaltswechsel im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesehen (vgl. OLG Celle, a.a.O.).

    Die Notwendigkeit ist etwa bejaht worden bei der Aufgabe der Zulassung als Rechtsanwalt aus "achtenswerten Gründen", zum Beispiel infolge Krankheit, Alters oder der Pflege eines Angehörigen, sofern die Gründe bei der Übernahme des Mandats für den Anwalt noch nicht absehbar waren (vgl. BGH, Beschluss vom 12.09.2012 - IV ZB 3/12). Ebenfalls anerkannt worden ist ein notwendiger Anwaltswechsel etwa für den Fall, dass der ursprüngliche Prozessbevollmächtigte seine Zulassung wegen eines Wechsels zur Treuhandanstalt aufgegeben hat (OLG Hamburg, Beschluss vom 01.07.1992 - 8 W 142/92).

    b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sieht der Senat vorliegend den Anwaltswechsel als notwendig an.

    aa) Im Falle einer Interessenkollision aufgrund des Umstands, dass der vormalige Klägervertreter in die Kanzlei der Beklagtenvertreter eintritt, liegt die objektive Notwendigkeit des Anwaltswechsels zunächst auf der Hand, so dass dieser im Sinne des Wortlauts der Norm an sich ohne Weiteres "eintreten musste".

    bb) Auch aus der oben dargestellten Beschränkung aufgrund des Gedankens des § 85 Abs. 2 ZPO ergibt sich im vorliegenden Fall keine abweichende Beurteilung.

    (1) Der Senat stimmt dabei zunächst mit dem Ansatz des Oberlandesgerichts Celle (a.a.O.) überein, dass die Notwendigkeit zu verneinen sei, wenn der Anwalt der betreffenden Partei die Interessenkollision und die daraus resultierende Mandatsniederlegung aus freien Stücken selbst veranlasst hat. Soweit das Oberlandesgericht Celle (a.a.O. Rn. 8) darüber hinaus die Ansicht vertreten hat, dass eine Mandatsniederlegung in Fällen wie dem vorliegenden ausschließlich derjenigen Partei zur Last falle, deren Rechtsanwalt das Mandat niedergelegt hat, vermag der Senat dem hingegen nicht uneingeschränkt zu folgen.

    Immerhin bedeutet die Heranziehung des Gedankens aus dem - nicht direkt anwendbaren - § 85 Abs. 2 ZPO letztlich eine einschränkende Auslegung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, da auch in Fällen, in denen nach dem oben Ausgeführten an sich der Anwaltswechsel aus objektiver Sicht zweifelsohne im Sinne dieser Vorschrift "eintreten musste" (also aus Sicht der Partei selbst unvermeidbar war), im Einzelfall gleichwohl die Kosten des zweiten Anwalts durch die unterliegende Gegenpartei, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind, nicht erstattet werden müssen. Diese einschränkende Auslegung bedarf nach Auffassung des Senats einer Rechtfertigung, die die schutzwürdigen Interessen beider Parteien berücksichtigt, schon weil § 91 ZPO die Kostentragung im Verhältnis der Parteien untereinander, nicht etwa im Verhältnis zwischen Mandant und Anwalt regelt. Auch wenn hierbei nicht außer Acht gelassen werden darf, wodurch der Anwaltswechsel veranlasst worden ist, kann nach Auffassung des Senats die Ablehnung der Erstattungsfähigkeit objektiv notwendig gewordener Mehrkosten unter Verweis auf den Rechtsgedanken des § 85 Abs. 2 ZPO jedenfalls dann nicht zum Tragen kommen, wenn diese nicht allein durch ein Verhalten des Anwalts der Partei, die den prozessualen Kostenerstattungsanspruch hat, sondern in demselben Maße durch ein Verhalten des Prozessbevollmächtigten der Gegenseite veranlasst worden sind.

    (2) So verhält es sich aber im vorliegenden Fall: Zwar beruhte es auf einem freien Willensentschluss der Beklagtenvertreter, den Klägervertreter in ihrer Kanzlei anzustellen. Jedoch gilt uneingeschränkt dasselbe hinsichtlich der Entscheidung des Klägervertreters, sich in der Kanzlei der Beklagtenvertreter anstellen zu lassen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, dass niemand, insbesondere nicht er, die vormaligen Beklagtenvertreter gezwungen habe, den vormaligen Klägervertreter in die Kanzlei aufzunehmen, ist dies damit einerseits zweifelsohne richtig. Andererseits hatte die Beklagte selbstredend ebenso wenig Einfluss auf die betreffenden Entscheidungen des Klägervertreters und der Beklagtenvertreter.

    Unter diesen Umständen ist es nicht sachgerecht, die Beklagte im Verhältnis zum Kläger mit den ihr entstandenen Mehrkosten zu belasten, sondern hat es bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass die obsiegende Partei alle ihr entstandenen, objektiv notwendigen Kosten von der Gegenseite im Rahmen der Kostenfestsetzung erstattet verlangen kann. Denn das Risiko eines nicht verschuldeten Anwaltswechsels ist durch die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO der unterlegenen Partei zugewiesen (BGH, Beschluss vom 12.09.2012 - IV ZB 3/12, Tz. 20, juris). Dies gilt nach Auffassung des Senats aber sowohl dann, wenn weder die Partei selbst noch ihren Rechtsanwalt ein Verschulden trifft, als auch dann, wenn zwar der eigene Rechtsanwalt die Mehrkosten durch sein Verhalten mitveranlasst hat, der gegnerische Prozessbevollmächtigte aber in gleichem Maße.

    (3) Mit dieser Sichtweise wird auch gerade den vom Oberlandesgericht Celle zugrunde gelegten Maßstäben der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit Rechnung getragen: Dafür, dass die später eingetretene Entwicklung für die Beklagtenvertreter bei Übernahme des Mandats mehr als eineinhalb Jahre vor dem Eintritt des Klägervertreters in ihre Kanzlei vorhersehbar war, ist vorliegend nichts ersichtlich. Und vermeiden lassen hätte sich die Entstehung der Mehrkosten letztlich nur mit dem Unterlassen der Anstellung des vormaligen Klägervertreters, weil nur so auch die aus der Interessenkollision folgende Mandatsniederlegung hätte vermieden werden können. Es ist nach Auffassung des Senats jedoch einer Anwaltssozietät nicht zumutbar, die weitreichende Entscheidung über die Anstellung eines Anwalts davon abhängig zu machen, dass dieser nicht in einem oder einzelnen anhängigen Verfahren die Gegenseite vertritt.

    (4) Auch der Vergleich mit den sonstigen Fällen, in denen ein notwendiger Anwaltswechsel angenommen worden ist (siehe oben 2.a.cc) spricht nach Auffassung des Senats für die von ihm vertretene Auffassung: Die Entscheidung eines Anwalts, aus "achtenswerten Motiven" seine Zulassung zurückzugeben, beruht ebenfalls auf einer freien Willensentschließung, mag diese in den entschiedenen Fällen auch durch gewisse tatsächliche Zwänge motiviert gewesen sein. So ist beispielsweise der Wechsel eines Anwalts in den öffentlichen Dienst nicht weniger das Ergebnis eines freien Willensentschlusses als die Aufnahme eines Anwaltskollegen in die eigene Kanzlei. Hinzu kommt, dass in den soeben genannten Fällen anders als im vorliegenden sogar ausschließlich das Verhalten des eigenen Anwalts der betreffenden Partei den Anwaltswechsel veranlasst hat. Dort die Notwendigkeit des Anwaltswechsels im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bejahen, im vorliegenden Fall dagegen nicht, obwohl hier sogar das Verhalten des gegnerischen Prozessbevollmächtigten gleichermaßen zum Entstehen der Mehrkosten beigetragen hat, überzeugt den Senat nicht.

    c) Der Kläger hat der Beklagten nach alledem weitere 2.084,40 € zu erstatten, nämlich eine 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RFG) aus einem Gegenstandswert von 122.319,86 € (das sind 2.064,40 €) zuzüglich einer Auslagenpauschale (Nr. 7001 VV RVG) in Höhe von 20,00 €. Damit waren die vom Kläger zu erstattenden Kosten auf insgesamt 4.168,80 € festzusetzen.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

    IV.

    Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordert (vgl. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO). Der Senat weicht mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung zumindest eines anderen Oberlandesgerichts ab.

    RechtsgebieteKostenrecht, InteressenkontrolleVorschriften§ 91 Abs.1 S. 1 ZPO; § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO; § 85 Abs. 2 ZPO