Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 03.09.2024 · IWW-Abrufnummer 243592

    Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 12.06.2024 – 6 W 18/24

    1. Die Terminsgebühr in Zivilverfahren entsteht nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG für die Vertretung in einem der dort aufgeführten Termine, wenn dieser stattfinddet. Ob dies der Fall ist, entscheidet das Gericht durch Aufruf der Sache. Der Parteiwechsel auf Beklagtenseite wird im Verhältnis zum bisherigen Beklagten als Klagerücknahme behandelt. Wird im Fall der Klagerücknahme die Sache aufgerufen, entsteht die Terminsgebühr. 2. Die Terminsgebühr ist nicht auf Grundlage des vollen Streitwerts der Hauptsache, sondern lediglich aus dem Kostenwert zu berechnen, wenn die Sache trotz vorheriger Klagerücknahme aufgerufen wird.


    In dem Beschwerdeverfahren betreffend Kostenfestsetzung
    ...
    Kläger und Beschwerdeführer,
    - Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...
    gegen
    1) ...
    Beklagte zu 1) und Beschwerdegegnerin,
    - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
    2) ...
    Beklagte zu 2), am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt,
    hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
    die Richterin am Oberlandesgericht Kretschmann
    als Einzelrichterin
    am 12.06.2024
    beschlossen:
    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Neuruppin vom 16.11.2023 - 3 O 413/21 - aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Landgericht Neuruppin zurückverwiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
    Gründe

    I.

    Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten zu 1) beantragte Festsetzung einer Terminsgebühr.

    Der Kläger hatte zunächst Klage gegen die Beklagte zu 1) erhoben und erklärte mit einem in den Nachmittagsstunden des Vortags zum Verhandlungstermin bei Gericht eingegangenen Schriftsatz einen Parteiwechsel auf Beklagtenseite. Der Schriftsatz wurde dem zuständigen Richter nicht sofort zur Kenntnis gebracht, weil der elektronische Briefkasten des Gerichts aus technischen Gründen an diesem Nachmittag abgeschaltet war. Der Schriftsatz wurde dem zum Termin erschienenen Prozessvertreter der Beklagten zu 1) am Folgetag nach Aufruf der Sache übergeben.

    Das Landgericht - Rechtspfleger - hat auf Antrag der Beklagten zu 1) gegen den Kläger u.a. eine Terminsgebühr nach Maßgabe des Hauptsachestreitwerts festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er geltend macht, da er den Schriftsatz vorab an das Gericht übermittelt habe, hätte der Termin nicht stattfinden müssen; die Terminsgebühr sei deshalb von ihm nicht zu tragen.

    Das Landgericht - Rechtspfleger - hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers, mit der er sich gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr auf Seiten der Beklagten zu 1) wendet, ist teilweise begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Notwendigkeit einer erneuten Festsetzung durch den Rechtspfleger nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats.

    Zu Recht ist der Rechtspfleger noch davon ausgegangen, dass für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG angefallen ist.

    Die Terminsgebühr in Zivilverfahren entsteht nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG für die Vertretung in einem der dort aufgeführten Termine, wenn dieser stattfindet. Ob dies der Fall ist, entscheidet das Gericht durch Aufruf der Sache (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - VIII ZB 16/10, juris Rn. 10). Zudem muss der Rechtsanwalt, für dessen Tätigkeit die Terminsgebühr geltend gemacht wird, verhandlungsbereit im Sitzungssaal anwesend sein (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.03.2007 - 17 W 37/07, juris; LG Saarbrücken, Beschluss vom 30.05.2011 - 5 T 143/11, juris). Darauf, ob verhandelt wurde, d.h. Anträge gestellt wurden oder die Sache erörtert wurde, kommt es seit der mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz erfolgten Änderung der maßgeblichen Bestimmungen nicht mehr an (vgl. BGH, Beschluss vom 27.1.2005 - III ZB 42/05, juris Rn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.05.2023 - 6 WF 53/23, juris).

    Dies gilt auch bei einem vor dem Termin erklärten Parteiwechsel im Verhältnis zum ausscheidenden Beklagten. Der Parteiwechsel auf Beklagtenseite wird im Verhältnis zum bisherigen Beklagten als Klagerücknahme behandelt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 35 Aufl. § 263 Rn. 23). Wird im Fall der Klagerücknahme die Sache aufgerufen, entsteht die Terminsgebühr (OLG Frankfurt, aaO; Beschluss vom 09.05.2023 - 6 WF 533/23 BeckRS 2023, 457585; KG, Beschluss vom 05.01.2006 - 1 W 258/05, BeckRS 2006, 2219; OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.02.2021 - 8 W 343/19; BeckRS 2021, 2990; LG Saarbrücken, Beschluss vom 30.05.2011 - 5 T 143/11, juris; Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., VV Vorbemerkung 3 Rn. 85; Foerste, in Musielak-Voit, ZPO, 21. Aufl., § 269 Rn. 28). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Gericht zum Zeitpunkt des Aufrufs Kenntnis von der Klagerücknahme hatte. Denn die Terminsgebühr entsteht auch dann, wenn das Gericht Kenntnis von der Rücknahme hatte, den Termin aber dennoch nicht aufgehoben hat (OLG Frankfurt, aaO). Im Falle einer Klagerücknahme kann zwar die Aufhebung eines Termins veranlasst sein (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Februar 2021 - 8 W 343/19, aaO; Feskorn in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 227, Rn. 1), diese ist aber nicht zwingend. Für Entscheidungen über die Kosten nach Klagerücknahme ist nach § 128 Abs. 3 ZPO die mündliche Verhandlung vielmehr freigestellt (vgl. Foerste in Musielak/Voit, aaO, Rn. 14). Da sich aus dem Protokoll des Landgerichts Neuruppin vom 01.12.2022 zu Az.: 3 O 413/21 ergibt, dass bei Aufruf der Sache der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1) im Termin vertretungsbereit für diese anwesend war, ist die Terminsgebühr nach VV 3104 verdient.

    Allerdings hat der Rechtspfleger diese Terminsgebühr unrichtigerweise auf Grundlage des vollen Streitwerts der Hauptsache und nicht lediglich aus dem Kostenwert berechnet. Nach welchem Gegenstandswert sich die Terminsgebühr richtet, wenn die Sache trotz vorheriger Klagerücknahme aufgerufen wird, ist streitig. Teilweise wird vertreten, die Terminsgebühr falle lediglich aus dem Kostenwert an, weil durch die Klagerücknahme die Hauptsache nicht mehr rechtshängig ist (vgl. OLG Stuttgart, aaO; Beschluss vom 27.03.2009 - 8 W 118/09, BeckRS 2009, 09787; KG aaO). Nach anderer Ansicht ist die Terminsgebühr jedenfalls dann, wenn dem Richter die vor dem Termin erklärte Klagerücknahme zum Zeitpunkt seines Terminaufrufs nicht bekannt gewesen ist - aus dem vollen Streitwert der Hauptsache zu berechnen (vgl. LG Saarbrücken aaO; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, aaO Teil D Anhang VII Rn. 345; Foerste in: Musielak/Voit aaO Rn. 28), weil dann keine Anhaltspunkte bestehen, dass nicht mehr über die Hauptsache, sondern nur noch über die Kostentragungspflicht bezüglich der zurückgenommenen Klage verhandelt werden sollte. Der Senat schließt sich der zuerst genannten Auffassung an. Mit dem Zugang der Klagerücknahme bei Gericht entfällt die Rechtshängigkeit der Hauptsache rückwirkend, ohne dass es auf die Kenntnis des konkret zur Entscheidung berufenen Richters ankommt (vgl. BFH, Beschluss vom 21.10.2011 - VII B 69/11 Rn. 4, juris). Entsprechend kann der Wert der Hauptsache nicht mehr zur Verhandlung anstehen und hat sich die infolge der stattgefundenen mündlichen Verhandlung anfallende Terminsgebühr nur noch nach dem Kosteninteresse der ausscheidenden Beklagten zu 1) zu bemessen.

    Im Ergebnis wird der Rechtspfleger nach Rückgabe der Sache an das Landgericht dem Beklagtenvertreter Gelegenheit zu geben haben, den Kostenfestsetzungsantrag dahin anzupassen, dass die Terminsgebühr nach dem Kostenwert berechnet wird bzw. einen entsprechenden Antrag auf Festsetzung nach § 33 RVG zu stellen, bevor eine erneute Kostenfestsetzung erfolgen kann.

    Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 ZPO.

    Eine Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst (Nr. 1812 KV GKG).

    Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
    Kretschmann Richterin am Oberlandesgericht

    RechtsgebieteZivilprozess, Gebührenrecht, ParteiwechselVorschriften§ 128 Abs. 3 ZPO; Nr. 3104 VV RVG ; Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG