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  • 11.02.2025 · IWW-Abrufnummer 246448

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 20.08.2024 – 10 W 33/24

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 20.08.2024, Az. 10 W 33/24

    Tenor:

    Die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerinnen gegen den Beschluss des Landgerichts Duisburg vom 06.03.2024 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.03.2024 wird zurückgewiesen.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    1
    Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Duisburg vom 06.03.2024 ist zulässig, nachdem das Landgericht als Beschwerdegericht diese in seinem Beschluss zugelassen hat (§ 66 Abs. 4 Satz 1 GKG). Sie ist aber unbegründet.

    II.

    1.

    2
    Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht § 66 Abs. 4 Satz 2 GKG. Eine solche Rechtsverletzung ist im Ergebnis nicht festzustellen.

    3
    Dem Vorbringen der Beschwerde, die Klägerinnen hafteten nicht nach § 22 Abs. 1 GKG für jene zusätzlichen Kosten, die der unter gesetzlicher Betreuung stehende Beklagte mutwillig dadurch verursacht habe, dass er verschiedene unbegründete Forderungen hilfsweise zur Aufrechnung gestellt hat, ist kein Erfolg beschieden.

    2.

    4
    Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG schuldet in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich derjenige die Kosten, der das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat. Es gilt damit das Prinzip der Antragstellerhaftung. Zum Antragsteller wird der Beklagte, wenn er zum eigenständigen Angriff übergeht und etwa Widerklage erhebt (vgl. hierzu: Hartmann in: Hartmann, Kostengesetze online, 4. Lieferung, 11/2022, § 22 GKG Rn 4; Toussaint, Kostenrecht, 53. Auflage, § 22 Rn 7). Aufrechnungen sind nach allgemeiner Meinung hingegen ein bloßes Verteidigungsmittel und stellen keine kostenrechtlich relevanten Anträge dar. Dies gilt auch für die streitwerterhöhende Hilfsaufrechnung (vgl. hierzu: BGH NJW 84, 1964, 1967 [BGH 30.05.1984 - VIII ZR 20/83]; Saenger, Zivilprozessordnung , 10. Auflage, 2023 Rn. 3; BeckOK, KostR/ Semmelbeck, GKG, § 22 Rn 17). So unterscheidet denn auch § 282 Abs. 2 ZPO zwischen den eigentlichen Anträgen und den Angriffs- und Verteidigungsmitteln (hierzu auch: BGH, NJW 1986, 2257).

    5
    Für die von dem Beklagten im hiesigen Verfahren geltend gemachten Hilfsaufrechnungen haften daher die Klägerinnen als Antragsteller (so auch: LG Dresden, Beschluss vom 30.01.2003, LSK 2003, 500518).

    3.

    6
    Der Senat folgt nicht der Argumentation des OLG Oldenburg (Beschluss vom 15.11.2005, Az.: 9 W 42/05), wonach eine sinngemäße einschränkende Auslegung der Vorschrift des § 22 Abs. 1 GKG ergäbe, dass jeder, der die Gerichte für die Durchsetzung seiner Rechte in Anspruch nehme, die dadurch entstandenen Kosten zu tragen habe.

    7
    Im Ergebnis handelt es sich nicht um eine einschränkende Auslegung, denn der Anwendungsbereich der Vorschrift wird nicht eingeengt, sondern erweitert. Er soll auch auf die Fälle der Hilfsaufrechnung erweitert werden und zwar nur auf die Fälle der Hilfsaufrechnung, die streitwerterhöhend wirken (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG). Das OLG Oldenburg will nach seiner Begründung aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten jedem, der die Gerichte für die Durchsetzung seiner Rechte in Anspruch nimmt, die dadurch entstehenden Kosten auferlegen. Da der Fall der hilfsweise erklärten Aufrechnung nicht geregelt sei, will es § 22 Abs. 1 GKG hierauf sinngemäß anwenden. Hierbei handelt es sich um den Fall eines Analogieschlusses, der nach Auffassung des Senats nicht zulässig ist. Es fehlt an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

    4.

    8
    Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrundeliegenden - Regelungsplan ergeben (BGH, Urteil vom 17.11.2009, - XI ZR 36/09, Rn. 23, recherchiert nach Juris).

    9
    Dass der Gesetzgeber bei der Abfassung der einzelnen Kostenhaftungsregelungen unbeabsichtigt von seinem Regelungsplan abgewichen ist, ist nicht erkennbar. Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu dem ursprünglichen § 49 GKG, dass der Gesetzgeber den Antragsteller im kostenrechtlichen Sinne demjenigen im verfahrensrechtlichen Sinne gleichstellt und hierbei in einem strengen Sinn darauf abstellt, wer als Antragsteller der Instanz in verfahrensrechtlicher Hinsicht anzusehen ist. So heißt es in der Gesetzesbegründung:

    10
    "Der neue Satz 2 klärt die umstrittene Frage, wer als Antragsteller der Instanz anzusehen ist, wenn dem Mahnverfahren nach Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eine kostenrechtlich neue Instanz in Form des Streitverfahrens folgt. Die vorgeschlagene Änderung stellt den Antragsteller im kostenrechtlichen Sinne demjenigen im verfahrensrechtlichen Sinne (§ 700 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 697 Abs. 1 ZPO) gleich. Im Gegensatz zum Widerspruch gegen einen Mahnbescheid, bei dem das Streitverfahren nur nach einem darauf gerichteten Antrag einer Partei durchgeführt wird (§ 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO), geht das Mahnverfahren nach Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid von Amts wegen in das Streitverfahren über (§ 700 Abs. 3 ZPO). Bei dieser Konstellation ist die Antragstellerhaftung nach § 49 GKG nicht unmittelbar dessen Wortlaut zu entnehmen. Die Rechtsprechung sieht weitgehend das Streitverfahren in diesen Fällen als durch den Einspruch verursacht und daher den Einsprechenden wie einen Antragsteller an. Dieser Konstruktion hält ein Teil der Literatur (insbesondere Schneider, JurBüro 1969, 531) entgegen, damit werde nicht berücksichtigt, daß der Einsprechende nichts beantrage, sondern nur nicht die Entscheidung im Mahnverfahren anerkenne. Das Mahnverfahren sei nach seiner Gestaltung und Zweckbestimmung nur als Vorstufe des Zivilprozesses anzusehen. Werde es in das Erkenntnisverfahren übergeleitet, geschehe dies von Amts wegen deshalb, weil der Gläubiger einen Zahlungsanspruch gerichtlich anhängig gemacht habe und diesen durch eine rechtskräftige Entscheidung bestätigt wissen wolle. Mit der Stellung des Antrags auf Erlaß des Vollstreckungsbescheids habe der Gläubiger und spätere Kläger den sich aus dem Mahnverfahren entwickelnden Prozeß veranlaßt. Die Rechtsprechung führt bei der in Frage stehenden Konstellation zu einem verglichen mit dem Fall der Klageerhebung erheblich abweichenden Haftungsergebnis. Wählt der Kläger sofort das Streitverfahren, haftet er aus § 49 GKG regelmäßig für sämtliche Gerichtskosten, unabhängig vom Ausgang des Prozesses. Obsiegt der Beklagte, muß er grundsätzlich nichts zahlen. Nach dem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid beschränkt sich die Antragstellerhaftung des Klägers als Ergebnis der Rechtsprechung indes auf die erste Hälfte der Prozeßgebühr (KV Nummer 1000), so daß er darüber hinaus nur als Entscheidungsschuldner (§ 54 Nr. 1 GKG) in Anspruch genommen werden kann. Bei Einführung der vorgeschlagenen pauschalen Verfahrensgebühr (vgl. Abschnitt A.II des Allgemeinen Teils der Begründung) würde sich die Antragstellerhaftung des Klägers auf die Gebühr für das Mahnverfahren (KV Nummer 1100 E) beschränken, die auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sein soll. Der Beklagte haftet demnach als "Antragsteller" für alle Gerichtskosten, die in dem dem Mahnverfahren nachfolgenden Verfahren anfallen. Es ist daher möglich, daß er, auch wenn er voll obsiegt, insoweit als Zweitschuldner zahlen muß, obgleich er mit einem gerichtlichen Verfahren überzogen wurde. Neben diesem problematischen Ergebnis erhöht die Rechtsprechung zur Antragstellerhaftung beim Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid das Kostenausfallrisiko der Staatskasse, weil der Kläger als regelmäßig solventere Partei nur noch wegen eines geringen Teils der Gerichtskosten als Zweitschuldner haftet. Beim Einspruch des Beklagten gegen ein Versäumnisurteil hat der Gesetzgeber die sich nach der Rechtsprechung beim Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ergebende Umkehrung der Antragstellerhaftung nicht vorgesehen. Es liegt jedoch eine vergleichbare Verfahrenssituation vor. Der Vollstreckungsbescheid steht nach § 700 Abs. 1 ZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. In beiden Fällen wird, nachdem ein Titel mit provisorischem Charakter ergangen ist, nunmehr im Erkenntnisverfahren über den Anspruch verhandelt. Da im Mahnverfahren eine Schlüssigkeitsprüfung des geltend gemachten Anspruchs weder vor Erlaß des Mahn- noch des Vollstreckungsbescheides stattfindet, erscheint es auch nicht gerechtfertigt, den Gläubiger wie bei einem Rechtsmittel des Gegners von seiner Antragstellerhaftung zu entlasten. Es erscheint vielmehr angemessen, die Beteiligten in demselben Umfang mit einer Haftung aus § 49 GKG zu belasten, als wäre von vornherein der Klageweg gewählt worden." (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen (Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 - KostRÄndG 1994, BT-Drucksache 12/6962, Seiten 65, 66).

    11
    Antragsteller des Verfahrens in erster Instanz in verfahrensrechtlicher Hinsicht bleiben die Klägerinnen. Sie haben den Prozess veranlasst. Das vom OLG Oldenburg gefundene Auslegungsergebens führt zu einer Umkehr der Haftung und erhöht nach der Gesetzesbegründung unzulässigerweise das Kostenausfallrisiko der Staatskasse.

    12
    Angesichts dieser Überlegungen zur Kostenhaftung ist kein Raum für die Annahme, der Gesetzeber habe den Fall der streitwerterhöhenden Hilfsaufrechnung und der Kostentragungspflicht der klagenden Partei planwidrig ungeregelt gelassen. Es wäre in diesem Falle Aufgabe des Gesetzgebers im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative tätig zu werden, sofern er das vom Oberlandesgericht Oldenburg gefundene Ergebnis teilt, dass durch die bestehende Regelung unbillige, nicht hinzunehmenden Ergebnisse entstehen.

    13
    Letztlich ist zu bedenken, dass die Klägerseite die Verfahrenskosten auch in anderen Fallkonstellationen, in denen sich diese Kosten durch Verteidigungsmittel der Beklagtenseite erhöhen, zu tragen hat. Zu denken ist etwa an mehrfache unberechtigte Einwendungen, die zu Sachverständigenkosten in nicht erheblicher Höhe führen (vgl. auch: Senat, Beschluss vom 26.01.2006, BeckRS 2006, 3256, Binz/Dörndorfer/Zimmermann/Dörndorfer, 5. Aufl. 2021, GKG § 22 Rn. 3).

    5.

    14
    Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit sie geltend macht, die Voraussetzungen der Zweitschuldnerhaftung nach § 31 Abs. 2 GKG seien nicht gegeben.

    15
    Nach dieser Vorschrift soll der Zweitschuldner nur in Anspruch genommen werden, wenn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Genau dies ist hier aber der Fall.

    16
    Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Beschwerdegegners ist bislang erfolglos geblieben und erscheint auch weiterhin aussichtlos.

    17
    Gegen den Beschwerdegegner ist in einem anderen Zwangsvollstreckungsverfahren unter dem 11.01.2023 vergeblich die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen versucht worden (Bl. 3 der Akte DR II 778/22 OGV ...). Danach lag verwertbares Vermögen nicht vor.

    18
    Der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf die auf dem Grundstück des Beschwerdegegners lagernden Oldtimer und Trabbis, die gepfändet werden könnten, verhilft nicht zum Erfolg. Auch bezüglicher dieser Fahrzeuge ist bereits eine erfolgte Pfändung in anderer Sache wieder aufgehoben worden. Nach der Mitteilung der OGV ... vom 08.08.2024 stehen diese Fahrzeuge laut Aussage des Schuldners im Eigentum eines Bekannten, an den er die Fläche rund um sein Haus vermietet habe. Ein entsprechender Mietvertrag wurde vorgelegt. Nach diesem Vertrag ist es dem Beschwerdegegner erlaubt, mit diesen Oldtimern auf entsprechende Oldtimer-Treffen zu gehen.

    19
    Pfändbare Ansprüche des Beschwerdegegners auf Zahlung von Miete gegenüber Herrn H. sind nicht ersichtlich. Eine Mitzinszahlungspflicht ist nicht vereinbart, vielmehr ist als Gegenleistung die Nutzung der Oldtimer auf Oldtimertreffen vorgesehen.

    6.

    20
    Die Beschwerdeführerinnen vermögen auch mit dem Vorbringen, die Staatskasse müsse zunächst alle bestehenden Regressforderungen des Beklagten gegen seine Betreuer und seine Prozessbevollmächtigten wegen unsachgemäßer Prozessführung pfänden, nicht durchzudringen. Denn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen erscheint nach der Vorschrift des § 31 Abs. 2 GKG aussichtslos, wenn mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu vermuten ist, dass mit einer raschen und sicheren Verwirklichung des Anspruches der Justizkasse gegen den Schuldner nicht zu rechnen ist (OLG Naumburg, NJOZ, 2021, 1439; Rn. 16; NK-GK/Joachim Volpert, 3. Aufl. 2021, GKG § 31 Rn. 48; BeckOK KostR/Semmelbeck, 46. Ed. 1.7.2024, GKG § 31 Rn. 18).

    21
    Es wird schon nicht im Einzelnen ausgeführt, welche konkreten Regressforderungen aus welchem konkreten Grund bestehen sollen, insbesondere wird nicht dargelegt, welche konkreten Pflichtverletzungen des Betreuers oder des Prozessbevollmächtigten angenommen werden, die kausal zu einem bestimmten Schaden geführt haben sollen. Der Beschwerdegegner ist nicht geschäftsunfähig und kann seine Rechte wahrnehmen.

    22
    Zudem ist keinesfalls mit einer raschen und sicheren Verwirklichung des Anspruchs der Justizkasse zu rechnen, vielmehr ist damit zu rechnen, dass etwaige Ansprüche zunächst im Klageweg geltend gemacht werden müssten.

    7.

    23
    Soweit die Beschwerdeführerinnen in ihrem Schriftsatz vom 13.08.2024 darauf hinweisen, es kämen auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Justizkasse wie Zwangshypothek und Zwangsverwaltung in Bezug auf das Haus und die vermieteten Flächen in Betracht, ist zu bemerken, dass die Zweitschuldnerhaftung nach § 31 Abs. 2 GKG nur davon abhängig ist, dass eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Eine Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (§ 866 Abs. 1 ZPO) ist nicht vorzunehmen.

    8.

    24
    Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.

    RechtsgebieteGeschäftsgebühr, Hilfsaufrechnung, StreitwerterhöhungVorschriften§ 22 Abs. 1 GKG, § 63GKG, § 45 Abs 3 GKG