16.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062423
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 28.06.2006 – VII ZB 157/05
Erklärt sich der Gläubiger allgemein dem Gerichtsvollzieher gegenüber mit der Gestattung von Ratenzahlungen durch den Schuldner einverstanden, löst dies keine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG aus.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 157/05
vom
28. Juni 2006
in der Zwangsvollstreckungssache
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Bauner und die Richterin Safari Chabestari
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 2. November 2005 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 415,28 ¤
Gründe:
I.
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung. Bei Erteilung des Vollstreckungsauftrags an den Gerichtsvollzieher hat sich sein damaliger Verfahrensbevollmächtigter mit dem Einzug von Teilbeträgen einverstanden erklärt. Der Gerichtsvollzieher hat daraufhin dem Schuldner gestattet, den geschuldeten Betrag in Raten zu bezahlen. Nachdem der Hauptsachebetrag eingezogen worden war, hat der Gläubiger neben den offen gebliebenen Kosten die Vollstreckung einer Einigungsgebühr mit der Begründung beantragt, zwischen ihm und dem Schuldner sei eine Ratenzahlungsvereinbarung zustande gekommen.
Der Gerichtsvollzieher hat die Vollstreckung dieser Einigungsgebühr abgelehnt. Die dagegen eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag auf Vollstreckung einer Einigungsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von insgesamt 415,28 ¤ weiter.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (im folgenden: VV-RVG) sei nicht entstanden und daher nicht gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO vom Gerichtsvollzieher beizutreiben. Die Einigungsgebühr setze die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrags voraus, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis anders als durch Anerkenntnis oder Verzicht beseitigt werde. Ein solcher Vertrag sei unter Mitwirkung des Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers nicht zustande gekommen. Ein Ratenzahlungsvertrag sei weder zwischen Gläubiger und Schuldner noch zwischen letzterem und dem Gerichtsvollzieher geschlossen worden. Das Einverständnis des Gläubigers mit der Einziehung von Teilbeträgen der Forderung stelle kein an den Schuldner gerichtetes Angebot auf Abschluss eines Ratenzahlungsvertrags dar, sondern lediglich eine gegenüber dem Gerichtsvollzieher abzugebende Verfahrenserklärung. Da der Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung hoheitlich tätig werde, scheide auch der Abschluss eines Ratenzahlungsvertrages zwischen ihm und dem Schuldner aus.
2. Die Rechtsbeschwerde vertritt demgegenüber die Auffassung, die Einigungsgebühr setze einen förmlichen Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner nicht voraus. Eine Einigungsgebühr könne auch entstehen, wenn der Anwalt nach Rücksprache mit seinem Auftraggeber das Ratenzahlungsangebot des Schuldners annehme und absprachegemäß nicht mehr weiter vollstrecke.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts liege auch ein Vertrag im Sinne der Nr. 1000 VV-RVG vor. Der Gläubiger sei Auftraggeber des Gerichtsvollziehers, der auf eine sowohl zügige als auch gütliche Erledigung des Zwangsvollstreckungsverfahrens hinwirken solle (§ 806 b ZPO). Wenn er diese gütliche Einigung anrege, der Schuldner ein Zahlungsangebot unterbreite und der Gläubiger dieses Angebot annehme, liege eine gütliche Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV-RVG vor.
3. Die Rechtsauffassung des Landgerichts ist richtig.
a) Die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV-RVG entsteht für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränke sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (BGH, Beschluss vom 28. März 2006 - VIII ZB 29/05, NJW 2006, 1523).
b) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß keine Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags vorliegt. Zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger ist kein Vertrag über eine Ratenzahlung geschlossen worden.
c) Auch soweit § 806 b ZPO zur Anwendung kommen sollte, ist keine andere Beurteilung geboten.
(1) Gemäß § 806 b ZPO soll der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Zwangsvollstreckungsverfahrens auf eine gütliche und zügige Erledigung hinwirken. Findet er bei dem Schuldner pfändbare Gegenstände nicht vor, hat er vom Schuldner angebotene Teilbeträge einzuziehen, wenn dieser glaubhaft versichert, die Schuld kurzfristig in Teilbeträgen zu tilgen und der Gläubiger mit der ratenweisen Begleichung der Schuld einverstanden ist.
Die rechtliche Einordnung einer solchen Ratenzahlungsbewilligung ist streitig. Zum einen wird vertreten, es handele sich um einen vollstreckungsbeschränkenden Vertrag. § 806 b ZPO verlange zwei sich deckende Erklärungen des Schuldners einerseits und des Gläubigers andererseits. Damit seien die Strukturen eines Vertragsschlusses eindeutig gegeben, bei dem der Gerichtsvollzieher vermittelnd gleich einem Boten als öffentliches Organ tätig werde (Schilken, DGVZ 1998, 145; MünchKommZPO-Schilken, 2. Aufl., § 806 b Rdn. 7). Nach anderer Ansicht kommt weder zwischen den Parteien noch zwischen dem Gerichtsvollzieher und dem Schuldner mit der Ratenzahlungsbewilligung eine vertragliche Vereinbarung zustande. Vielmehr handele der Gerichtsvollzieher bei der Gewährung von Ratenzahlungen aufgrund des ihm verliehenen Amtes in Ausübung des staatlichen Vollstreckungsmonopols und damit in hoheitlicher Funktion. Die für die Ratenbewilligung erforderliche Einwilligung sei daher nur als Verfahrenserklärung des Gläubigers gegenüber dem Gerichtsvollzieher zu werten (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 806 b Rdn. 6).
(2) In dem vom Gläubiger dem Gerichtsvollzieher gegenüber allgemein erklärten Einverständnis mit einer Ratenzahlung seitens des Schuldners ist ein Angebot auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung bereits mangels Angabe zur Höhe und Fälligkeit der zu zahlenden Raten nicht zu sehen. Darüber hinaus entscheidet nicht der Gläubiger, ob dem Schuldner Ratenzahlungen bewilligt werden sollen, sondern der Gerichtsvollzieher unter den Voraussetzungen des § 806 b ZPO in Verbindung mit § 114 a GVGA. Auch die vom Schuldner erklärte Bereitschaft, die geschuldete Forderung in Raten zu begleichen, stellt kein an den Gläubiger gerichtetes Angebot auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung dar, sondern soll den Gerichtsvollzieher zur Bewilligung der Ratenzahlung unter den genannten Voraussetzungen veranlassen.
d) Die Einigungsgebühr ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers auch nicht deshalb erwachsen, weil er infolge des von ihm namens des Gläubigers erklärten Einverständnisses an einer zwischen dem Gerichtsvollzieher und dem Schuldner geschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung mitgewirkt hat. Mit der Gestattung der Ratenzahlung ist eine Abrede zwischen Gerichtsvollzieher und Schuldner auf vertraglicher Basis nicht zustande gekommen, weil der Gerichtsvollzieher nicht aufgrund Privatautonomie, sondern kraft des ihm verliehenen öffentlichen Amtes in Ausübung der staatlichen Vollstreckungsgewalt gehandelt hat. Der Gerichtsvollzieher ist bei der Gewährung von Ratenzahlungen an den Schuldner nicht Vertreter des Gläubigers. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er bei der Frage, ob dem Schuldner Ratenzahlungen gewährt werden können, an die Weisungen des Gläubigers insoweit gebunden ist, dass dieser sein Einverständnis verweigern oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen kann.
Etwas anderes lässt sich auch den Gesetzesmaterialien zu § 806 b ZPO nicht entnehmen. Vielmehr ist in der Gesetzesbegründung zu der vergleichbaren Regelung in § 813 a ZPO sogar ausdrücklich festgehalten, die Vorschrift vermeide das Modell einer "Vollstreckungsvereinbarung" zwischen Gläubiger und Schuldner, die vom Gerichtsvollzieher vermittelt werde oder bei der dieser den Gläubiger vertrete (BT-Drucks. 13/341, S. 27).