02.02.2009 · IWW-Abrufnummer 090412
Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 25.11.2008 – 1 BvR 848/07
1. Durch die Einlegung einer Gegenvorstellung und die darauf ergehende gerichtliche Entscheidung wird die Monatsfrist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) nicht erneut in Lauf gesetzt.
2. Zur Verfassungsmäßigkeit des an Rechtsanwälte gerichteten Verbots der Umgehung des Gegenanwalts (§ 12 BORA) und der berufsrechtlichen Ahndung von Verstößen gegen dieses Verbot.
1 BvR 848/07
In dem Verfahren
...
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat -
unter Mitwirkung der
Richterin und Richter Präsident Papier, Hohmann-Dennhardt, Bryde, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Kirchhof, Masing
am 25. November 2008
beschlossen:
Tenor:
Dem Beschwerdeführer wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2006 ergangene Beschluss des Anwaltsgerichts im Bezirk der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes - AnwG 03/06 -, der Einspruchsbescheid der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes vom 20. Oktober 2005 - B 2/05 - und der Rügebescheid der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes vom 17. Februar 2005 - B 2/05 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Anwaltsgerichts wird aufgehoben. Damit wird der Beschluss des Anwaltsgerichts vom 23. Februar 2007 - AnwG 03/06 - gegenstandslos. Die Sache wird an das Anwaltsgericht im Bezirk der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes zurückverwiesen.
Das Saarland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
A.
Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, wendet sich gegen eine Rüge der Rechtsanwaltskammer, die ihm wegen der Umgehung des Gegenanwalts erteilt worden ist. Hierbei wird die Frage aufgeworfen, ob eine vom Fachgericht in der Sache beschiedene Gegenvorstellung die Monatsfrist zur Einlegung und Begründung einer Verfassungsbeschwerde erneut in Gang setzt.
I.
Durch § 12 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (im Folgenden: BORA) wird Rechtsanwälten untersagt, unter Umgehung des Gegenanwalts unmittelbar mit dessen Mandanten in Kontakt zu treten. Die Bestimmung lautet wie folgt:
Umgehung des Gegenanwalts
(1)
Der Rechtsanwalt darf nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln.
(2)
Dieses Verbot gilt nicht bei Gefahr im Verzuge. Der Rechtsanwalt des anderen Beteiligten ist unverzüglich zu unterrichten; von schriftlichen Mitteilungen ist ihm eine Abschrift unverzüglich zu übersenden.
II.
1.
Der Beschwerdeführer ist seit vielen Jahrzehnten als Rechtsanwalt tätig. Er vertrat den Antragsteller in einer Wohnungseigentumssache gegen eine andere Wohnungseigentümerin (im Folgenden: Antragsgegnerin), die ebenfalls einen Rechtsanwalt beauftragt hatte.
Zur Teilnahme an dem in dieser Sache bestimmten Verhandlungstermin hatte sich der von der Antragsgegnerin mandatierte Rechtsanwalt zum Amtsgericht begeben, war jedoch von der Richterin weggeschickt worden, weil sie - wie die Antragsgegnerin - den Rechtsanwalt nicht kannte und davon ausging, er wäre zu einem der Verfahren gekommen, deren Verhandlungstermine aufgehoben worden waren. Bei der gleichwohl durchgeführten mündlichen Verhandlung war daher zwar der Antragsteller durch den Beschwerdeführer, nicht aber auch die Antragsgegnerin anwaltlich vertreten. Auf Vorschlag des Gerichts wurde ein Prozessvergleich geschlossen, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, die Entfernung der zwei streitgegenständlichen Bäume zu dulden, während der Antragsteller die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten übernahm. Nur für den Antragsteller wurde ein befristetes Widerrufsrecht vereinbart, das in der Folgezeit nicht ausgeübt wurde.
2.
Nach einer Beschwerde des von der Antragsgegnerin beauftragten Rechtsanwalts erteilte der Vorstand der Rechtsanwaltskammer dem Beschwerdeführer wegen eines Verstoßes gegen das Umgehungsverbot aus § 12 Abs. 1 BORA eine Rüge. Auch wenn das Gericht den Bevollmächtigten der Antragsgegnerin irrtümlich weggeschickt habe und deshalb von sich aus auf eine Vertagung hätte hinwirken müssen, hätte der Beschwerdeführer nicht mit der Antragsgegnerin in Abwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten Vergleichsverhandlungen führen dürfen, ohne zuvor mit der Kanzlei des gegnerischen Rechtsanwalts Rücksprache zu halten.
Nachdem der Beschwerdeführer gegen die Erteilung der Rüge Einspruch eingelegt hatte, wandte sich der Vorstand der Rechtsanwaltskammer an den gegnerischen Rechtsanwalt und bat ihn um eine Stellungnahme zu den Behauptungen des Beschwerdeführers, die Antragsgegnerin sei prozesserfahren und habe ein ihr mehrmals angebotenes Recht zum Widerruf des Vergleichs abgelehnt. Der Gegenanwalt widersprach dieser Darstellung. Daraufhin wies der Vorstand der Rechtsanwaltskammer den Einspruch zurück, ohne dem Beschwerdeführer das Anschreiben an den Gegenanwalt und dessen Stellungnahme mitgeteilt zu haben. In der Begründung des Einspruchsbescheids, die sich auf die Stellungnahme des Gegenanwalts stützt, wird ausgeführt, der Schutzgedanke des Umgehungsverbots sei insbesondere deshalb berührt, weil der abgeschlossene Vergleich keinen Widerrufsvorbehalt zugunsten der Antragsgegnerin enthalte.
Den daraufhin vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies das Anwaltsgericht zurück. Unabhängig von der Situation der Antragsgegnerin, zu der sich der gegnerische Rechtsanwalt auf Anfrage der Rechtsanwaltskammer geäußert habe, liege zumindest im unkollegialen Verhalten gegenüber dem Gegenanwalt ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 BORA. Deshalb komme es nicht darauf an, ob auch der Normzweck des Schutzes des gegnerischen Mandanten verletzt worden sei. Dies möge allenfalls für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes von Bedeutung gewesen sein. Diese Ermessensausübung der Rechtsanwaltskammer, die sich zur Ahndung der Pflichtwidrigkeit lediglich für eine Rüge entschieden habe, sei im anwaltsgerichtlichen Verfahren nicht zu überprüfen. Das Einspruchsverfahren leide auch nicht an einem Verfahrensfehler. Der Rechtsanwalt sei vor Erteilung der Rüge anzuhören, diese Anhörung sei auch unstreitig erfolgt. Seine erneute Anhörung im Einspruchsverfahren sei nicht notwendig gewesen.
3.
Gegen die ihm am 9. Oktober 2006 zugestellte Entscheidung des Anwaltsgerichts hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 6. November 2006 Gegenvorstellung erhoben. Das Anwaltsgericht hätte die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die Rechtsanwaltskammer nicht in der geschehenen Weise "korrigieren" dürfen. Allein aus dem unstreitigen Sachverhalt lasse sich ebenfalls keine Pflichtverletzung wegen unkollegialen Verhaltens nach § 12 Abs. 1 BORA herleiten, weil es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer im Rahmen der Einspruchsentscheidung auch wesentlich auf die - unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör festgestellte - Beeinträchtigung der Belange der Antragsgegnerin angekommen sei und ihm anderenfalls keine Rüge erteilt worden wäre. Bei einem so schwerwiegenden Verfahrensverstoß müsse der Rügebescheid aufgehoben werden.
Das Anwaltsgericht hat die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Da die Pflichtverletzung nur mit einer Rüge als der mildesten Maßnahme sanktioniert worden sei, habe die Rechtsanwaltskammer auch im Einspruchsverfahren nicht unrichtig zum Nachteil des Beschwerdeführers entschieden.
4.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde, die sich gegen alle angeführten Entscheidungen richtet, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Seine Berufsfreiheit sei verletzt, weil die Befolgung einer richterlichen Terminsladung sowie die Teilnahme an der von der Richterin geführten Erörterung mit abschließender Protokollierung eines Vergleichs als berufsrechtlich pflichtwidrig beurteilt worden sei. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene Auslegung des § 12 Abs. 1 BORA habe - was das Bundesverfassungsgericht bereits in anderem Zusammenhang (Hinweis auf BVerfGE 101, 312) beanstandet habe - zur Folge, dass die gesetzlichen Bestimmungen über den Vergleichsabschluss in einer mündlichen Verhandlung außer Kraft gesetzt würden, wenn der Gegenanwalt nicht erscheine.
Auch Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt; denn das Anwaltsgericht habe den im Einspruchsverfahren vor der Rechtsanwaltskammer erfolgten Gehörsverstoß zu Unrecht für unbeachtlich gehalten. Die Auffassung, jedenfalls sei als mildeste Sanktion eine Rüge auszusprechen gewesen, verkenne, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rüge noch nicht besage, dass sie auch ausgesprochen werden müsse. Auch sei offen, ob die Rechtsanwaltskammer in Kenntnis der Ausführungen des Beschwerdeführers tatsächlich eine Rüge verhängt oder aber davon abgesehen hätte.
III.
1.
Zur Zulässigkeit der Gegenvorstellung gegen gerichtliche Entscheidungen haben der Präsident des Bundesgerichtshofs, die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, der Präsident des Bundesfinanzhofs, der Präsident des Bundessozialgerichts und die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Stellung genommen.
a)
Der Präsident des Bundesgerichtshofs teilt mit, die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung werde von den einzelnen Zivilsenaten verschieden beurteilt. Teilweise werde auf Gegenvorstellungen in der Sache entschieden, ohne auf Zulässigkeitsfragen einzugehen, teilweise werde die Zulässigkeit auch nach Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes jedenfalls dann bejaht, wenn das Gericht nach der maßgeblichen gesetzlichen Regelung befugt sei, seine eigene Entscheidung abzuändern. Andere Zivilsenate hielten die Gegenvorstellung hingegen für einen unstatthaften Rechtsbehelf, weil mit ihr gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit verstoßen werde.
b)
Das Bundesarbeitsgericht hat nach Mitteilung seiner Präsidentin bislang noch keine Aussagen zur generellen Statthaftigkeit von Gegenvorstellungen getroffen.
c)
Demgegenüber teilt der Präsident des Bundesfinanzhofs mit, die Senate dieses Gerichts seien einhellig der Ansicht, dass eine Gegenvorstellung generell nicht statthaft sei.
d)
Nach Mitteilung des Präsidenten des Bundessozialgerichts besteht unter den Senaten dieses Gerichts keine Einigkeit. Einige Senate gingen davon aus, dass außerordentliche Rechtsbehelfe gegen nicht mehr anfechtbare gerichtliche Entscheidungen jedenfalls seit Inkrafttreten der Vorschriften über die Anhörungsrüge generell nicht mehr in Betracht kämen. Demgegenüber bejahten andere Senate weiterhin die Zulässigkeit der Gegenvorstellung zur Rüge der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte als der Garantie des rechtlichen Gehörs.
e)
Auch nach Mitteilung der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts ist die Zulässigkeit der Gegenvorstellung unter den verschiedenen Senaten dieses Gerichts umstritten. Es gebe Senate, die Gegenvorstellungen seit Einfügung des § 152a VwGO durch das Anhörungsrügengesetz als unstatthaft behandelten, während eine Gegenvorstellung von anderen Senaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Anhörungsrüge weiterhin zugelassen werde.
2.
Zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde haben die Rechtsanwaltskammer des Saarlandes und der Deutsche Anwaltverein Stellung genommen.
a)
Nach Auffassung der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes beruhen weder der Rügebescheid noch der Einspruchsbescheid auf einer Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör. Darüber hinaus fehle es bereits an einem besonders schweren Nachteil für den Beschwerdeführer, weil die Rechtsanwaltskammer mit der Rüge zu dem mildesten Mittel gegriffen habe, obwohl eine Verletzung des § 12 Abs. 1 BORA regelmäßig die Vorlage der Sache beim Generalstaatsanwalt zur Folge habe. Bei einer Verletzung des Umgehungsverbots sei es im Grundsatz auch ohne Belang, ob die betroffene Partei prozesserfahren sei und ob sie über rechtliche Kenntnisse verfüge oder nicht. Dies könne allenfalls für die Gewichtung des Verstoßes von Bedeutung sein. § 12 BORA diene in erster Linie dem Schutz des gegnerischen Mandanten, demgegenüber stehe der Schutz des gegnerischen Anwalts vor Eingriffen in sein Mandatsverhältnis im Hintergrund, weswegen der Aspekt der Kollegialität nur nachrangig zu würdigen sei.
b)
Der Deutsche Anwaltverein hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Es sei bereits zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 12 Abs. 1 BORA vorliege. Die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung stelle unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm kein "Verhandeln" mit der Gegenseite dar. Die Verhängung einer Rüge sei aber jedenfalls wegen des lediglich formalen Verstoßes gegen das Umgehungsverbot unverhältnismäßig.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet.
I.
Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Verfassungsbeschwerde nicht innerhalb der in § 93 Abs. 1 BVerfGG geregelten Monatsfrist eingelegt und begründet worden ist; denn der Senat gewährt dem Beschwerdeführer hinsichtlich der versäumten Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
1.
Die einmonatige Frist zur Einlegung und Begründung einer Verfassungsbeschwerde beginnt gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BVerfGG mit der - der Form nach im jeweils einschlägigen Verfahrensrecht geregelten - Bekanntgabe der Entscheidung, die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen wird. Ist der Beschwerdeführer - wie im Regelfall nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG - gehalten, vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg zu erschöpfen, so wird der Lauf der Monatsfrist mit der Bekanntgabe der nach der jeweiligen Verfahrensordnung letztinstanzlichen Entscheidung in Gang gesetzt. Muss der Beschwerdeführer aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde über die Erschöpfung des Rechtswegs hinaus von einer Möglichkeit zur Beseitigung der von ihm gerügten Grundrechtsverletzung Gebrauch machen, dann ist erst die Entscheidung über diesen Rechtsbehelf für den Beginn der Monatsfrist maßgebend. Dagegen hindert die Einlegung eines offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfs den Ablauf der Monatsfrist nicht.
a)
Im vorliegenden Fall wurde der Lauf der Monatsfrist am 9. Oktober 2006 mit der Zustellung des undatierten Beschlusses in Gang gesetzt, mit dem das Anwaltsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen hat. Mit diesem Beschluss war der Rechtsweg erschöpft, weil Entscheidungen der Anwaltsgerichte über Rügebescheide nach § 74a Abs. 3 Satz 4 BRAO unanfechtbar sind. Bei Einlegung der Verfassungsbeschwerde am 30. März 2007 war demnach die durch § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG bestimmte Frist bereits verstrichen.
b)
Die Entscheidung des Anwaltsgerichts über die von dem Beschwerdeführer erhobene Gegenvorstellung ist hingegen für den Beginn der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht maßgebend.
aa)
Das Anwaltsgericht hat mit diesem Beschluss nicht über eine Anhörungsrüge des Beschwerdeführers entschieden. Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so zählt allerdings eine Anhörungsrüge an das Fachgericht ebenfalls zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 42, 243 <245>; 74, 358 <380> jeweils zu § 33a StPO). In diesen Fällen beginnt daher die Frist zur Einlegung und Begründung einer Verfassungsbeschwerde erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung über die Anhörungsrüge. Eine Anhörungsrüge ist auch für das anwaltsgerichtliche Verfahren zur Überprüfung eines Rügebescheids aufgrund der Verweisung auf die Beschwerdevorschriften der Strafprozessordnung in § 74a Abs. 2 Satz 2 BRAO, die auch die allgemeinen Bestimmungen aus den §§ 22 ff. StPO (vgl. Weyland, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 74a Rn. 7) und damit auch § 33a StPO umfasst, im Gesetz geregelt.
In der vom Beschwerdeführer erhobenen Gegenvorstellung kann eine Anhörungsrüge jedoch nicht gesehen werden. Eine solche Auslegung wäre nicht nur mit dem erkennbaren Willen des rechtskundigen Beschwerdeführers, der seine Eingabe ausdrücklich als Gegenvorstellung bezeichnet hat, unvereinbar. Sie würde vielmehr hier auch zu einem unzulässigen Rechtsbehelf führen und daher dem Grundsatz widersprechen, dass sich die Auslegung von Verfahrenserklärungen an der recht verstandenen Interessenlage des Erklärenden zu orientieren hat. Die Anhörungsrüge dient der fachgerichtlichen Überprüfung und Abhilfe bei Verletzungen des vom Grundgesetz garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine Verletzung dieses Anspruchs durch das Anwaltsgericht hat der Beschwerdeführer mit seiner Gegenvorstellung indessen nicht geltend gemacht. Er hat vielmehr beanstandet, dass der Vorstand der Rechtsanwaltskammer bei der Entscheidung über den Einspruch die Stellungnahme des gegnerischen Rechtsanwalts berücksichtigt habe, ohne ihm diese zuvor zur Kenntnis zu bringen und ohne ihm zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Der Beschwerdeführer hat sich damit gegen das Verfahren des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer als einer Behörde der mittelbaren Staatsverwaltung (§ 62 Abs. 1, § 63 BRAO) gewandt, während Art. 103 Abs. 1 GG seinem eindeutigen Wortlaut nach nur für Verfahren "vor Gericht" Anwendung findet (vgl. BVerfGE 101, 397 <404>). Für ein solches Gesuch findet sich im hier maßgeblichen Verfahrensrecht der Bundesrechtsanwaltsordnung keine Grundlage. Der Beschwerdeführer hat sich demnach außerhalb der einschlägigen Verfahrensordnung an das Anwaltsgericht gewandt, um eine Überprüfung der ergangenen gerichtlichen Entscheidung durch dieselbe Instanz und denselben Spruchkörper zu erreichen. Dies kennzeichnet seine Eingabe an das Anwaltsgericht als Gegenvorstellung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 1982 - IVa ZB 5/82 -, VersR 1982, S. 598).
bb)
Die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers war nicht geeignet, die Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde offen zu halten. Zwar ist die Gegenvorstellung nicht offensichtlich unzulässig (1), sie gehört aber weder zum Rechtsweg (2) noch ist ihre Einlegung aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erforderlich (3). Für den Beginn der Monatsfrist aus § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist daher nicht an die Entscheidung des Anwaltsgerichts über die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers anzuknüpfen.
(1)
Die Einlegung eines offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfs ist für die Monatsfrist aus § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ohne Bedeutung, weshalb die hierauf ergangene gerichtliche Entscheidung die Frist nicht erneut in Lauf setzt (vgl. BVerfGE 5, 17 <19>; 63, 80 <85>; 91, 93 <106>; stRspr). Eine Gegenvorstellung ist jedoch weder aus verfassungsrechtlichen Gründen als generell unzulässig anzusehen (a), noch folgt eine offensichtliche Unzulässigkeit auf der Grundlage des einfachen Rechts aus der Rechtsprechung der Fachgerichte (b).
(a)
Aus den Erwägungen des Plenums des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395) lässt sich nicht herleiten, dass eine Gegenvorstellung gegen gerichtliche Entscheidungen von Verfassungs wegen unzulässig ist. Das Bundesverfassungsgericht macht zwar seit dieser Entscheidung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde nicht länger von der vorherigen Einlegung außerordentlicher Rechtsbehelfe abhängig, die die Rechtsprechung teilweise außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen hatte (vgl. BVerfGE 107, 395 <417>). Obgleich auch die Gegenvorstellung zu den damit angesprochenen "Rechtsbehelfen" zählt (vgl. BVerfGE 107, 395 <397, 416>), ergibt sich hieraus jedoch nicht, dass eine Gegenvorstellung aus verfassungsrechtlichen Gründen unstatthaft ist. Der Plenarbeschluss nimmt zu außerordentlichen Rechtsbehelfen lediglich unter den Gesichtspunkten der Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) sowie des Subsidiaritätsgrundsatzes Stellung. Insoweit verweist das Plenum darauf, dass mangels einer zuverlässigen gesetzlichen Regelung die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht erfüllt sind. Die hieraus folgenden rechtsstaatlichen Defizite außerordentlicher Rechtsbehelfe schließen es aus, ihre vorherige erfolglose Einlegung zur Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde zu machen (vgl. BVerfGE 107, 395 <416 f.>).
Von dem Verzicht auf die vorherige Einlegung der Gegenvorstellung als Voraussetzung einer zulässigen Verfassungsbeschwerde kann nicht auf die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Gegenvorstellung selbst geschlossen werden. Es gibt vielmehr auch zulässige Abhilfemöglichkeiten, denen gegenüber die Verfassungsbeschwerde nicht subsidiär ist. So kann etwa ein Beschwerdeführer, der sich mit seiner Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht wendet, nicht auf die im Einzelfall gegebene Möglichkeit verwiesen werden, sich mit einer Verfassungsbeschwerde an ein Landesverfassungsgericht zu wenden (vgl. BVerfGE 32, 157 <162>). Insoweit besteht wegen der grundsätzlich getrennten Verfassungsbereiche (vgl. BVerfGE 60, 175 <208>) kein Subsidiaritätsverhältnis. Darüber hinaus ist eine Ausnahme vom Subsidiaritätsgrundsatz auch dann gerechtfertigt, wenn es dem Beschwerdeführer im konkreten Fall unzumutbar ist, dass vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde auf eine andere an sich gegebene Möglichkeit zur Beseitigung der geltend gemachten Grundrechtsverletzung verwiesen wird (vgl. BVerfGE 22, 349 <355>; 71, 305 <336>).
Dass die Gegenvorstellung den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügt, führt zu erheblichen Unsicherheiten bei der Entscheidung über die Frage, ob erst Gegenvorstellung oder sogleich Verfassungsbeschwerde einzulegen ist. Zur Vermeidung von Rechtsverlusten werden daher in der Praxis zum Teil auch beide Rechtsbehelfe parallel eingelegt (vgl. BVerfGE 107, 395 <417>). Diese Unsicherheiten sind den Rechtsuchenden bei Einlegung einer Verfassungsbeschwerde nicht zuzumuten. Durch ein Absehen von dem Erfordernis der vorherigen Einlegung einer Gegenvorstellung werden sie vor solchen Nachteilen geschützt. Dieser aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips gebotene Schutz des Einzelnen bei der Einlegung von Rechtsbehelfen zwingt jedoch nicht weitergehend dazu, von Verfassungs wegen bereits die Zulässigkeit der Gegenvorstellung als einer Abhilfemöglichkeit zu verneinen. Soweit die Rechtsprechung der Fachgerichte die Gegenvorstellung als statthaft behandelt, führt dies nicht zu einer Beeinträchtigung der Interessen der Rechtsuchenden, vielmehr wird im Gegenteil der Schutz ihrer Rechte erweitert, wenn das Fachgericht nach der maßgebenden gesetzlichen Regelung zu einer Abänderung seiner vorangegangenen Entscheidung befugt ist und ihm die Gegenvorstellung Anlass zu einer dahingehenden Prüfung gibt.
(b)
Auch einfachrechtlich ist die Gegenvorstellung nach der Rechtsprechung der Fachgerichte nicht als offensichtlich unzulässig anzusehen. Offensichtlich unzulässig ist ein Rechtsbehelf nur dann, wenn über seine Unzulässigkeit nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre zum Zeitpunkt der Einlegung keine Ungewissheit bestehen konnte (vgl. BVerfGE 28, 1 <6>; 91, 93 <106>; 107, 299 <308>; stRspr). Dies lässt sich für die Gegenvorstellung nicht erkennen. Vielmehr zeigen die vom Senat eingeholten Stellungnahmen der obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass im Anschluss an den Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395) und das Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) am 1. Januar 2005 die Frage nach der Zulässigkeit einer Gegenvorstellung gegen gerichtliche Entscheidungen unterschiedlich beantwortet wird. Während beim Bundesgerichtshof, beim Bundessozialgericht und beim Bundesverwaltungsgericht einzelne Senate die Statthaftigkeit weiterhin bejahen, sehen andere Senate eine Gegenvorstellung inzwischen als unzulässig an. Auch das Bundesarbeitsgericht hat zur Zulässigkeit einer Gegenvorstellung noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Allein die Senate des Bundesfinanzhofs sind übereinstimmend der Ansicht, eine Gegenvorstellung sei generell nicht mehr statthaft. Dass die maßgebliche Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, wird ferner durch den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 26. September 2007 belegt, mit dem der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung über die Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung im Prozesskostenhilfeverfahren angerufen worden ist (BFHE 219, 27). Auch in der Rechtsprechung der Anwaltsgerichte ist die maßgebliche Rechtsfrage zumindest nicht im Sinne einer zweifelsfreien Unzulässigkeit der Gegenvorstellung geklärt. So hat das Anwaltsgericht im vorliegenden Fall die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers nicht etwa als unstatthaft angesehen, sondern auf diese in der Sache selbst entschieden.
(2)
Die Gegenvorstellung zählt nicht zu dem Rechtsweg, dessen Erschöpfung § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG grundsätzlich als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde bestimmt und dessen rechtzeitiges Beschreiten folgerichtig die Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde offen hält.
Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist jede gesetzlich normierte Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts (vgl. BVerfGE 67, 157 <170>). Die Gegenvorstellung ist aber kein gesetzlich geregelter Rechtsbehelf. Mit der Gegenvorstellung wendet sich der Betroffene vielmehr außerhalb der einschlägigen Verfahrensordnung und außerhalb förmlicher Verfahrensrechte an das Gericht mit dem Ziel der Überprüfung seiner Entscheidung. Ob dieser Weg des Zugangs zum Staat dem Schutz des Petitionsgrundrechts aus Art. 17 GG unterliegt, oder ob dieses Grundrecht im durch Rechtsmittel geregelten Bereich richterlicher Tätigkeit generell nicht greift, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Auch bei Anwendbarkeit des Art. 17 GG in diesen Fällen wären die Gerichte bei der sachlichen Entscheidung über eine Gegenvorstellung von der Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen namentlich des Verfahrensrechts nicht befreit (vgl. BVerfGE 2, 225 <230>; 13, 54 <90>). So ist es ausgeschlossen, gesetzlich geregelte Bindungen des Gerichts an seine eigenen Entscheidungen, wie insbesondere die Innenbindung während des laufenden Verfahrens nach § 318 ZPO, ohne gegenläufige gesetzliche Grundlage zu übergehen. Vor allem aber ist dann, wenn ein Gericht auf eine Gegenvorstellung an seiner eigenen, von ihm selbst als fehlerhaft erkannten Entscheidung nicht festhalten will, zu beachten, dass die Lösung des hier zu Tage tretenden Konflikts zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit in erster Linie dem Gesetzgeber übertragen ist (vgl. BVerfGE 3, 225 <237 f.>; 15, 313 <319 f.>; 35, 41 <47>). Auch insoweit können sich die Gerichte mithin nicht von der maßgeblichen gesetzlichen Regelung lösen. Dies gilt insbesondere für gerichtliche Entscheidungen, die ungeachtet etwaiger Rechtsfehler nach dem jeweiligen Verfahrensrecht in Rechtskraft erwachsen und deshalb weder mit ordentlichen Rechtsbehelfen angegriffen noch vom erkennenden Gericht selbst abgeändert werden können. Die Bindung der Gerichte ist hier von besonderer Bedeutung, weil der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen auch wesentliche rechtsstaatliche Funktionen zukommt, indem sie Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten herstellt (vgl. BVerfGE 22, 322 <329>; 47, 146 <161>).
(3)
Schließlich konnte die Entscheidung des Anwaltsgerichts über die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers die Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde auch nicht deshalb neu in Gang setzen, weil der Beschwerdeführer durch den Subsidiaritätsgrundsatz gezwungen gewesen wäre, zunächst diese Möglichkeit zur Abhilfe zu nutzen. Das Bundesverfassungsgericht macht nämlich seit dem Plenarbeschluss vom 30. April 2003 die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht länger von der vorherigen erfolglosen Einlegung insbesondere einer Gegenvorstellung abhängig (BVerfGE 107, 395 <417>).
2.
Gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde ist dem Beschwerdeführer allerdings von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 93 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG). Sämtliche Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen vor, insbesondere hat der Beschwerdeführer die verspätete Einlegung der Verfassungsbeschwerde nicht verschuldet.
a)
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war im Anschluss an den Plenarbeschluss vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395) bislang nicht geklärt, welche Folgen aus der geänderten Rechtsprechung zur Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegenüber außerordentlichen Rechtsbehelfen für das Offenhalten der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG bei Einlegung einer Gegenvorstellung zu ziehen sind. Einschlägige Senatsentscheidungen sind nicht ergangen. Auch der Rechtsprechung der Kammern des Bundesverfassungsgerichts lassen sich keine zweifelsfreien Hinweise entnehmen. So ist etwa die Einlegung einer Gegenvorstellung für die Rüge der Verletzung von Prozessgrundrechten weiterhin als fristwahrend behandelt worden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. April 2006 - 2 BvR 619/06 -, BayVBl. 2007, S. 44), während in einer anderen Entscheidung die Einlegung einer Gegenvorstellung nicht als geeignet angesehen wurde, die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erneut in Lauf zu setzen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 2228/06 -, NJW 2007, S. 3771 <3772>). Zwar kann bei zweifelhafter Rechtslage insbesondere von einem Rechtsanwalt wie dem Beschwerdeführer verlangt werden, dass er seine Vorgehensweise vorsorglich an einem aus seiner Sicht ungünstigen Ergebnis der rechtlichen Klärung ausrichtet. Hätte der Beschwerdeführer hiernach gehandelt und sogleich Verfassungsbeschwerde eingelegt, so hätte er sich angesichts der unklaren Rechtslage allerdings der Gefahr ausgesetzt, dass seine Verfassungsbeschwerde wegen Missachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes als unzulässig angesehen worden wäre. Rechtsverluste wären daher nur vermeidbar gewesen, wenn der Beschwerdeführer beide Möglichkeiten nebeneinander genutzt und innerhalb der Monatsfrist sowohl Verfassungsbeschwerde als auch Gegenvorstellung eingelegt hätte. Ein solches paralleles Vorgehen konnte dem Beschwerdeführer jedoch nicht zugemutet werden (vgl. BVerfGE 107, 395 <417>) und würde überdies dem Grundsatz der Prozessökonomie widersprechen.
b)
Nachdem mit der vorliegenden Entscheidung eine Klärung erfolgt ist, kann in künftigen Fällen von einem Fehlen des Verschuldens nur noch für den Zeitraum ausgegangen werden, der erforderlich ist, um den Rechtsuchenden Gelegenheit zu geben, sich auf die nunmehr geklärte Rechtslage einzustellen und entsprechend zu reagieren (vgl. BVerfGE 78, 123 <126 f.>). Ein Beschwerdeführer, der wegen einer von ihm erhobenen Gegenvorstellung zunächst von der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde abgesehen hatte, wird daher - falls auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 BVerfGG gegeben sind - gegen die Versäumung der Monatsfrist aus § 93 Abs. 1 BVerfGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann erlangen können, wenn die Verfassungsbeschwerde nunmehr nachgeholt wird und bis spätestens Montag, den 2. März 2009, eingelegt worden ist.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.
Die dem Beschwerdeführer erteilte Rüge und die diese Maßnahme bestätigenden Entscheidungen des Kammervorstandes und des Anwaltsgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Grundrecht auf freie Berufsausübung.
Die durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnete anwaltliche Berufsausübung ist unter der Herrschaft des Grundgesetzes der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des Einzelnen überantwortet (vgl. BVerfGE 76, 171 <188>; 108, 150 <158>). Auch der Vorstand der Rechtsanwaltskammer darf gemäß Art. 12 Abs. 1 GG in die freie anwaltliche Berufsausübung der Rechtsanwälte namentlich durch Erteilung einer Rüge als Reaktion auf die Verletzung beruflicher Pflichten nur aufgrund eines Gesetzes und nur durch solche Maßnahmen eingreifen, die den materiellrechtlichen Anforderungen an Berufsausübungsregelungen genügen (vgl. BVerfGE 50, 16 <29>).
1.
Das Umgehungsverbot aus § 12 Abs. 1 BORA, das in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Satz 1 BRAO die notwendige gesetzliche Grundlage für die dem Beschwerdeführer erteilte Rüge bildet, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar wird mit diesem Verbot in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen, weil es Rechtsanwälten den unmittelbaren Kontakt mit anwaltlich vertretenen Gegnern grundsätzlich untersagt und damit deren berufliche Tätigkeit reglementiert. Diese Beschränkung der Berufsfreiheit ist aber nicht nur durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert, sondern genügt auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. Juli 2001 - 1 BvR 2272/00 -, NJW 2001, S. 3325 <3326>).
a)
Das Umgehungsverbot dient einer funktionsfähigen Rechtspflege und damit einem bedeutenden Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfGE 117, 163 <182>). Es zielt vorrangig auf den Schutz des gegnerischen Mandanten. Hat dieser zur Wahrung seiner Rechte die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erachtet, so soll er davor geschützt sein, bei direkter Kontaktaufnahme durch den Rechtsanwalt der Gegenseite wegen fehlender eigener Rechtskenntnisse und mangels rechtlicher Beratung übervorteilt zu werden (vgl. Feuerich, in: Feuerich/Weyland, a.a.O., § 12 BORA Rn. 1; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2003 - V ZR 429/02 -, NJW 2003, S. 3692 <3693>). Mit diesem Schutz vor Überrumpelung dient die Regelung einem fairen Verfahren und damit dem Gemeinwohlinteresse an einer geordneten Rechtspflege. Daneben liegt dem Umgehungsverbot die Überlegung zugrunde, dass durch den unmittelbaren Kontakt zwischen Rechtsanwälten die sachgerechte und zügige Erledigung einer Rechtssache gefördert wird (vgl. Prütting, in: Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., 2004, § 12 BORA Rn. 2 m.w.N.). Auch dies dient der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Angesichts dieses legitimen Ziels findet das Umgehungsverbot aus § 12 BORA seine Grundlage in der Ermächtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung, die Gewissenhaftigkeit anwaltlicher Berufsausübung durch Satzungsrecht näher zu regeln (§ 59b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a BRAO).
b)
Das Verbot der Umgehung des Gegenanwalts beachtet auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung ist geeignet, das angestrebte Ziel einer geordneten Rechtspflege insbesondere durch den Schutz der Rechtsuchenden vor Überrumpelung zu erreichen. Ein weniger belastendes, aber gleichermaßen wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Wird schließlich das Gewicht des verfolgten Gemeinwohlziels der vergleichsweise geringen Belastung gegenübergestellt, die mit dem Verbot des unmittelbaren Kontakts zum anwaltlich vertretenen Gegner verbunden ist, so zeigt sich, dass das Umgehungsverbot den betroffenen Rechtsanwälten grundsätzlich auch zumutbar ist.
2.
Ungeachtet der hiernach verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden rechtlichen Grundlage verletzen die angegriffenen Entscheidungen des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer und des Anwaltsgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die Auslegung des Umgehungsverbots, die der Erteilung der Rüge zugrunde liegt, berücksichtigt nicht hinreichend Bedeutung und Tragweite der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Freiheit der Berufsausübung. Für die daneben von dem Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Anwaltsgericht ist hingegen nichts ersichtlich.
a)
Der Zweck des Umgehungsverbots, die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege insbesondere durch den Schutz des gegnerischen Mandanten vor Überrumpelung zu fördern, liegt sowohl der Satzungsermächtigung als auch der Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit zugrunde. Hingegen lässt sich der Bundesrechtsanwaltsordnung keine Ermächtigung entnehmen, Berufspflichten zur Stärkung der Kollegialität unter Rechtsanwälten so auszugestalten, dass die primären Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis zum Mandanten zurückgedrängt oder abgeschwächt werden (vgl. BVerfGE 101, 312 <328 f.>).
b)
Das Anwaltsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die erteilte Rüge bereits durch das unkollegiale Verhalten des Beschwerdeführers gegen über dem gegnerischen Rechtsanwalt gerechtfertigt sei. Ob dessen Mandantin den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich geschlossen habe, weil sie damit erreichte, was sie wollte, oder ob sie das Fehlen ihres Anwalts nur hinnahm, weil sie keine Alternative sah, sei nur für die Schwere des Verstoßes bedeutsam. Die Erteilung der Rüge, die sich nach diesen Feststellungen des Anwaltsgerichts allein auf einen Sachverhalt stützen lässt, der eine Ahndung der Umgehung des gegnerischen Rechtsanwalts ausschließlich als Verstoß gegen die geschuldete Kollegialität zu rechtfertigen vermag, trägt im vorliegenden Fall der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit nicht hinreichend Rechnung.
aa)
Soll, wie das Anwaltsgericht meint, schon allein der Vorwurf mangelnder Kollegialität für die Missbilligung des beruflichen Verhaltens des Beschwerdeführers durch Erteilung einer Rüge genügen, so bleibt die begrenzte Reichweite des Satzungsrechts und damit auch des § 12 Abs. 1 BORA außer Betracht. Denn die strikte Einhaltung des Umgehungsverbots hätte von dem Beschwerdeführer verlangt, in der mündlichen Verhandlung vor Gericht keine Vergleichsverhandlungen mit der Antragsgegnerin zu führen und insbesondere keinen Prozessvergleich abzuschließen. Dies hätte jedoch offensichtlich dem Interesse des eigenen Mandanten an einer zügigen und sachgerechten Beendigung des Rechtsstreits durch Abschluss eines Prozessvergleichs widersprochen. Zur Wahrung der rechtlichen Interessen seines Mandanten war der Beschwerdeführer vertraglich verpflichtet; für ein Zurückdrängen seiner Verpflichtungen aus dem Mandatsverhältnis kann § 12 Abs. 1 BORA keine Grundlage bieten. Unter diesen Umständen scheidet eine berufsrechtliche Ahndung allein als Sanktion unkollegialen Verhaltens aus. Allenfalls in Verbindung mit dem Regelungszweck der Förderung einer geordneten Rechtspflege insbesondere durch den Schutz des gegnerischen Mandanten vor Benachteiligung könnte die Wahrung der Kollegialität unter Rechtsanwälten eine solche Maßnahme im vorliegenden Fall rechtfertigen. Ob solcher Schutz hier geboten war, hat das Anwaltsgericht indessen bewusst offen gelassen.
bb)
In der gegebenen Situation lag ein Schutzbedürfnis auch nicht ohne weiteres nahe. Dem Beschwerdeführer wird die Umgehung des Gegenanwalts bei Abschluss eines Prozessvergleichs in einer Wohnungseigentumssache vorgeworfen. Insoweit war bereits unter der Geltung des hier maßgeblichen früheren Verfahrensrechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 43 WEG in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007, BGBl. I S. 370) anerkannt, dass auf den gerichtlichen Vergleich in einer Wohnungseigentumssache die Grundsätze der Zivilprozessordnung über den Prozessvergleich entsprechende Anwendung finden (vgl. Engelhardt, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 4. Aufl. 2004, § 44 WEG Rn. 3). Auch im vorliegenden Fall hatte demnach das Gericht, das am Zustandekommen des Prozessvergleichs namentlich durch den von ihm unterbreiteten Vergleichsvorschlag und die notwendige Protokollierung beteiligt war, darauf zu achten, dass ein unerfahrener und ungewandter Beteiligter nicht benachteiligt wurde (vgl. Wolfsteiner, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 3, 3. Aufl. 2007, § 794 Rn. 43). Angesichts dieser ebenfalls auf Schutz vor Übervorteilung zielenden Obliegenheit des Gerichts und des Umstandes, dass es sich um eine in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht ersichtlich einfach gelagerte Rechtssache handelte, die auch für die gegnerische Mandantin nicht von schwerwiegender Bedeutung war, drängt sich ein gleichwohl bestehendes zusätzliches Schutzbedürfnis durch das Umgehungsverbot zumindest nicht auf.
III.
Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargestellten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidungen anders ausgefallen wären, wenn § 12 Abs. 1 BORA im Ausgangsverfahren grundrechtsgeleitet angewandt worden wäre. Die angegriffenen Entscheidungen sind daher aufzuheben und das Verfahren ist an das Anwaltsgericht zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.