27.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113170
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 03.08.2010 – 1 ARs 32/09
1.
Die Beweislast für den Eingang eines Pauschvergütungsantrags bei dem Oberlandesgericht trägt der Antragsteller.
2.
Der Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" für die Stellung eines Pauschvergütungsantrags nach Ablauf der Verjährungsfrist ist nicht statthaft.
1 ARs 32/09
In der Strafsache
...
hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 3. August 2010
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt E., auf Bewilligung einer Pauschvergütung wird zurückgewiesen. Sein hilfsweise gestellter Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" wird als unzulässig verworfen.
Gründe
Der der früheren Angeklagten X zum Pflichtverteidiger bestellte Antragsteller erhielt mit Beschluss des Kammergerichts vom 7. Mai 2001 "auf eine später voraussichtlich zu gewährende Pauschvergütung" eine Abschlagszahlung in Höhe von 10.000,- DM bewilligt. Die Angeklagte X wurde mit Urteil des Kammergerichts vom 18. März 2004 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; das Urteil ist rechtskräftig seit dem 29. Juni 2006.
Der Bezirksrevisor des Kammergerichts hat bei der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (unter anderem) beantragt festzustellen, dass der Antragsteller zur Rückzahlung des Abschlags verpflichtet sei. Der Antragsteller hat daraufhin mit Schreiben vom 18. Juli 2008 um Akteneinsicht gebeten und vorgebracht, dass es "hier ein Schreiben gibt, wonach wir begehren, die Pauschgebühren endgültig festzusetzen"; "vorsorglich" hat er den Antrag gestellt, "festzustellen, dass die Pauschgebühr mit 10.000,00 DM festzusetzen ist" und "insoweit Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" beantragt. Mit Schreiben vom 12. August 2008 hat der Antragsteller - soweit es seinen Antrag auf Festsetzung der Pauschvergütung anbelangt - vorgebracht, mit Schreiben vom 22. März 2004 per Briefpost einen Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung in Höhe des bereits gezahlten Abschlags gestellt zu haben. Er hat anwaltlich versichert, "das Schreiben seinerzeit selbst geschrieben und in den Postausgang gegeben" zu haben, und eine Ablichtung dieses Schreibens vorgelegt, welches ohne weitere Begründung einen Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung in Höhe des bereits gezahlten Vorschusses enthält. Vorsorglich hat er "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" beantragt.
Der Bezirksrevisor des Kammergerichts hat die Einrede der Verjährung erhoben und vorsorglich geltend gemacht, dass die materiellen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung nicht vorlägen.
Der Antrag des Pflichtverteidigers auf Bewilligung einer Pauschvergütung ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil ein etwaiger Anspruch, der sich gemäß der Übergangsregelung des § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAGO) richtet, verjährt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts zur BRAGO beginnt die Verjährungsfrist für den Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch nach dem ersten in § 16 BRAGO genannten Zeitpunkt fällig wird; ein Anspruch auf Pauschvergütung nach § 99 Abs. 1 BRAGO kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn hinsichtlich des Vergütungsanspruchs Verjährung eingetreten ist (vgl. KG JurBüro 1999, 26 [FG Hessen 02.03.1998 - 12 Ko 5220/97]; Beschluss vom 12. Mai 2004 - 4 ARs 71/03 - m.w.N.). Anlass, von dieser Rechtsansicht abzuweichen, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 25. Juli 2002 - VerfGH 89/01 und 92/01 -), besteht nicht.
Die Vergütungsansprüche des Antragstellers für die erste Instanz wurden mit der Verkündung des Urteils am 18. Mai 2004 fällig. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2007 (§§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
Bis zu diesem Zeitpunkt war kein Pauschvergütungsantrag des Antragstellers bei dem Kammergericht eingegangen. Der Eingang des von ihm in Kopie vorgelegten Schreibens vom 22. März 2004 ließ sich im Kostenband und auch in den beigezogenen Hauptakten nicht feststellen. Der Antrag ist auch nicht im gerichtlichen ARs-Register verzeichnet. Die Beweislast für den Eingang des Antrags trägt der Antragsteller (vgl. Hansens RVGreport 2009, 294, 295 für den entsprechenden Fall des Eingangs eines Kostenfestsetzungsantrags).
Der mit den Schreiben vom 18. Juli und 12. August 2008 angebrachte Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung ist nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt worden. Der insoweit hilfsweise gestellte Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" ist nicht statthaft, weil Verjährungsfristen keine Fristen im Sinne der §§ 44 StPO, 233 ZPO sind und daher gegen ihre Versäumung keine Wiedereinsetzung gewährt werden kann.
Auf die Frage, ob überhaupt die materiellen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung vorliegen, kommt es daher nicht an.