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  • 25.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121249

    Landgericht Zweibrücken: Beschluss vom 12.03.2012 – Qs 24/12 und Qs 25/12

    Die Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG kann neben der Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG entstehen (Aufgabe der früheren Rechtsprechung der Kammer).

    Hauptverhandlungen beim AG von 35 und 40 Minuten sind nicht von so kurzer Dauer, dass nicht die Mittelgebühr gerechtfertigt wäre.


    Qs 24/12

    In dem Strafverfahren gegen pp.
    wegen Diebstahls,
    hier: sofortige Beschwerde des Verteidigers des früheren Angeklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Pirmasens vom 27.10.2011
    hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken durch
    den Vorsitzenden Richter am Landgericht,
    den Richter am Landgericht und
    die Richterin am 12. März 2012
    beschlossen:

    Tenor:
    1.
    Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Pirmasens vom 27.10.2011 dahingehend abgeändert, dass weitere 233,25 EUR als notwendige Auslagen gegen die Staatskasse festgesetzt werden.
    Die weitergehende sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

    2.
    Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
    Gründe
    I.

    Durch rechtskräftiges Urteil vom 26.07.2011 hat das Amtsgericht Pirmasens nach zwei Verhandlungstagen den ehemaligen Angeklagten pp. vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Diebstahls von Altkleidersäcken im Wert von ca. 180,-- EUR aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und seine not-wendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.

    Der ehemals Angeklagte hat seine Forderungen an seinen Verteidiger wirksam abgetreten, der Verteidiger beantragt, folgende Auslagen gegen die Staatskasse festzusetzen:

    Grundgebühr, VV 4100 RVG: 165,00 EUR
    Verfahrensgebühr, VV 4106 RVG: 140,00 EUR
    Terminsgebühr, NA/ 4108 RVG (12.7.) 230,00 EUR
    Terminsgebühr, VV 4108 RVG (26.7.) 230,00 EUR
    Pauschalauslagen VV 7002 RVG 20,00 E
    32 Kopien aus EMA 16,00 EUR
    Vorgelegte AE-Gebühren 12,00 EUR
    Fahrkosten, 4*72 km + 0,30 EUR 86,40
    2* Abwesenheitsgeld, W 7005 Nr.2 RVG 70,00
    Zwischensumme: 969,40 EUR
    Zzgl. MwSt. von z.Zt. 19%, VV 7008 RVG: 184,19
    Parkgebühren: 4,00
    Gesamt: 1157,59 EUR

    Zur Begründung der geltend gemachten Mittelgebühr machte der Beschwerdeführer u.a. die schwere Sachaufklärung aufgrund des unzutreffenden Ermittlungsergebnisses in mehreren Besprechungsterminen, auch unter Beteiligung von Familienangehörigen, geltend.

    Die Rechtspflegerin setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.10.2011 lediglich einen Erstattungsbetrag von 920,34 EUR fest, insbesondere weil die Mittelgebühr unbillig und vielmehr aufgrund der Einfachheit der Sache lediglich das Dreifache der jeweiligen Mindestgebühr angemessen sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Verhandlungen 35 und 40 Minuten gedauert hätten und somit von "sehr kurzer Dauer" gewesen seien. Der Angeklagte sei an der Tat nicht beteiligt gewesen, habe jedoch den in Betracht kommenden Täter erst in der Hauptverhandlung preisgegeben. Weiterhin seien die Aktenversendungskosten mit der Auslagenpauschale abgegolten, die Parkgebühren nicht nachgewiesen und eine Dauer von insgesamt mehr als 4 Stunden für 2 Fahrten der Strecke Germersheim-Pirmasens und zurück nicht nachvollziehbar.

    Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt, dieser wurde durch das Amtsgericht "nicht abgeholfen" und der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Die Rechtspflegerin verweist darauf, dass selbst wenn die im zweiten Termin vernommenen Entlastungszeugen nicht ausgesagt hätten, eine Verurteilung gleichwohl eher unwahrscheinlich gewesen wäre, da die Zeugen den Täter nur im Seitenspiegel wahrgenommen hätten.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat im Wesentlichen Erfolg.

    Soweit die Rechtspflegerin Parkgebühren in Höhe von 4,-- EUR mangels Beleg als nicht erstattungsfähig eingestuft hat, begegnet die angefochtene Entscheidung keinen Bedenken.

    Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als begründet. Im Einzelnen:

    Dem Beschwerdeführer stehen die geltend gemachten Termins- und Verfahrensgebühren zu.

    Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. u.a. Beschlüsse v. 14.06.10, Az. Qs 33/10 u. 13.01.12, Az. QS 131/11) ist grundsätzlich von der Mittelgebühr als Bemessungsgrundlage auszugehen. Die Mindestgebühr bzw. deren Anhebung kommt lediglich bei ganz einfachen Sachen von geringem Gewicht und Umfang in Betracht, wenn auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Sache und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse unterdurchschnittlich sind. Hierfür liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.

    Eine Verfahrensdauer von 35 und 40 Minuten ist bei einer Sitzung des Strafrichters hierfür kein Indiz, zumal vorliegend neben der Einlassung der beiden Angeklagten das Amtsgericht jeweils zwei Zeugen vernahm. Auch der Hinweis, der Angeklagte habe erst in der Hauptverhandlung die entscheidenden Zeugen benannt, ist bereits deshalb irrelevant, da dies nur im Rahmen der Kostengrundentscheidung Berücksichtigung finden könnte. Schließlich überzeugt auch nicht die Argumentation, es handele sich um keine Sache hoher Bedeutung da der Angeklagte nach Auffassung der Rechtspflegerin wahrscheinlich bereits durch die Zeugen der Anklage nicht zu überführen gewesen wäre. Eine solche nachträgliche Beurteilung ist im Kostenfest-setzungsverfahren nicht möglich. Denn die Staatsanwaltschaft und das eröffnende Gericht haben zunächst eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung als für einen Freispruch gesehen. Im Übrigen ist auch anzumerken, dass der Strafrichter in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft nach Vernehmung der Zeugen der Anklage die Notwendigkeit der Vernehmung weiterer Zeugen sah und gerade nicht ein Freispruch bereits am ersten Verhandlungstag erfolgte.

    Eine Reduzierung der geltend gemachten Abwesenheitsgelder kann ebenfalls nicht erfolgen. Es liegen keine Gründe vor, die Angaben des Verteidigers zur Dauer der Geschäftsreise keinen Glauben zu schenken. Denn die Strecke Pirmasens - Germersheim mag zwar regelmäßig eine Fahrtzeit von unter 90 Minuten erfordern, jedoch ist durch die Ausbauarbeiten der B10 auch eine deutlich längere Fahrzeit möglich, zumal der Verteidiger auch einen Parkplatz im Bereich des Amtsgerichts suchen musste.

    Dem Verteidiger steht schließlich auch die geltend gemachte Akteneinsichtsgebühr in Höhe von 12,-- Euro zu. An der anderslautenden Rechtsprechung der Kammer (vgl, u.a. Beschluss v. 15.10.2009, Az. Qs 103/09) wird im Hinblick auf die Entscheidung des BGH (NJW 2011, 3041 [BGH 06.04.2011 - IV ZR 232/08]) nicht festgehalten.

    Insgesamt standen dem Beschwerdeführer somit 1.1553,59 zu, so dass neben den bereits festgesetzten 920,34 EUR weitere 233,25 als notwendige Auslagen festzusetzen waren.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO.

    Qs 25/12

    In dem Strafverfahren
    gegen pp.
    wegen Diebstahls,
    hier: sofortige Beschwerde des Verteidigers des früheren Angeklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Pirmasens vom 27.10.2011
    hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken
    durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht,
    den Richter am Landgericht und
    die Richterin am 12. März 2012
    beschlossen:

    Tenor:
    1.
    Auf die sofortige Beschwerde wird unter Aufhebung des Abhilfebeschlusses des Amtsgerichts Pirmasens vom 31.01.2012 der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Pirmasens vom 27.10.2011 dahingehend abgeändert, dass weitere 565,05 EUR als notwendige Auslagen gegen die Staatskasse festgesetzt werden..
    2.
    Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
    Gründe
    I.

    Durch rechtskräftiges Urteil vom 26.07.2011 hat das Amtsgericht Pirmasens nach zwei Verhandlungstagen die ehemalige Angeklagte X. vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Diebstahls von Altkleidersäcken im Wert von ca. 180,-- EUR aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und seine notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.

    Die ehemals Angeklagte hat ihre Forderungen an ihren Verteidiger wirksam abgetreten, der Verteidiger beantragt, folgende Auslagen gegen die Staatskasse festzusetzen:

    Grundgebühr, VV 4100 RVG: 165,00 EUR

    Verfahrensgebühr, VV 4106 RVG: 140,00 EUR

    Terminsgebühr, VV 4108 RVG (12.7.) 230,00 EUR

    Terminsgebühr, VV 4108 RVG (26.7.) 230,00 EUR

    Pauschalauslagen VV 7002 RVG 20,00 EUR

    32 Kopien aus EMA 16,00 EUR

    2* Abwesenheitsgeld, VV 7005 Nr.2 RVG 70,00 EUR

    Zwischensumme: 969,40 EUR

    Zzgl. MwSt. von z.Zt. 19%, VV 7008 RVG:165,49 EUR

    Gesamt: 1.036,49E

    Die Rechtspflegerin setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.10.2011 lediglich einen Erstattungsbetrag von 471,44E fest, insbesondere weil die Mittelgebühr unbillig und vielmehr aufgrund der Einfachheit der Sache lediglich das Dreifache der jeweiligen Mindestgebühr angemessen sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Verhandlungen 35 und 40 Minuten gedauert hätten und somit von "sehr kurzer Dauer" gewesen seien. Die Angeklagte sei an der Tat nicht beteiligt gewesen, habe jedoch den in Betracht kommenden Täter erst in der Haupt-verhandlung preisgegeben. Eine Verurteilung sei weiterhin unwahrscheinlich gewesen. Eine Dauer von insgesamt mehr als 4 Stunden für 2 Fahrten der Strecke Germersheim-Pirmasens und zurück sei ferner nicht nachvollziehbar.

    Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger form- und fristgerecht sofortige Beschwerde ein-gelegt, dieser wurde durch das Amtsgericht "in Höhe von 53,55 EUR abgeholfen", da bei eine Verhandlungsgebühr nebst Mehrwertsteuer nicht mitgerechnet worden sei und hat der Kammer im Übrigen die sofortige Beschwerde zur Entscheidung vorgelegt. Insoweit verweist die Rechtspflegerin u.a. darauf, dass der Verteidiger erst im ersten Hauptverhandlungstermin in Erscheinung getreten sei und keine Anhaltspunkte bestünden, er sei schon vorher mit dem Fall befasst gewesen.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Im Einzelnen:

    Da der Rechtspflegerin nach zutreffender herrschender Auffassung - im Gegensatz zum Zivilverfahren - nur im Fall des § 311 Abs. 3 S.1 StPO ein Abhilferecht zusteht (vgl Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. § 464b Rn. 7; Gieg in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. § 464b Rn. 4 m.w.N.), war die Abhilfeentscheidung des Amtsgerichts aufzuheben.

    Dem Beschwerdeführer stehen die geltend gemachten Termins- und Verfahrensgebühren zu.

    Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. u.a. Beschlüsse v. 14.06.10, Az. Qs 33/10 u. 13.01.12, Az. QS 131/11) ist grundsätzlich von der Mittelgebühr als Bemessungsgrundlage auszugehen. Die Mindestgebühr bzw. deren Anhebung kommt lediglich bei ganz einfachen Sachen von geringem Gewicht und Umfang in Betracht, wenn auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Sache und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse unterdurchschnittlich sind. Hierfür liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.

    Zwar mag die Angeklagte sich noch in Ausbildung befunden haben, so dass sie nur über ein unterdurchschnittliches Einkommen verfügt, insgesamt bewegt sich jedoch die durch den Verteidiger vorgenommene Gebührenbestimmung in einem Rahmen, der zumindest die 20%-Grenze nicht erreicht hat und sich somit nicht als unbillig darstellt. Die Tatsache, dass der Verteidiger für das Gericht erstmals mit der Sache befasst war, ist keine hinreichende Begründung für die Annahme einer derart einfachen Sache, die eine Reduzierung rechtfertigen könnte. Denn in aller Regel dürfte sich die Verteidigung nicht darauf beschränken, im Termin aufzutreten. Der Verteidiger verweist insoweit darauf, dass er die Ermittlungsakte gelesen und mit der Angeklagten besprochen habe. Dies entspricht auch dem normalen Procedere einer Strafverteidigung.

    Eine Verfahrensdauer von 35 und 40 Minuten ist bei einer Sitzung des Strafrichters ebenfalls kein Indiz für eine einfache Angelegenheit, zumal vorliegend neben der Einlassung der beiden Angeklagten das Amtsgericht jeweils zwei Zeugen vernahm. Auch der Hinweis, die Angeklagte habe erst in der Hauptverhandlung die entscheidenden Zeugen benannt, ist bereits deshalb irrelevant, da dies nur im Rahmen der Kostengrundentscheidung Berücksichtigung finden könnte. Schließlich überzeugt auch nicht die Argumentation, es handele sich um keine Sache hoher Bedeutung, da die Angeklagte nach Auffassung der Rechtspflegerin wahrscheinlich bereits durch die Zeugen der Anklage nicht zu überführen gewesen wäre. Eine solche nachträgliche Beurteilung ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht möglich. Denn die Staatsanwaltschaft und das eröffnende Gericht haben zunächst eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung als für einen Freispruch gesehen. Im Übrigen ist auch anzumerken, dass der Strafrichter in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft nach Vernehmung der Zeugen der Anklage die Notwendigkeit der Vernehmung weiterer Zeugen sah und gerade nicht ein Freispruch bereits am ersten Verhandlungstag erfolgte.

    Eine Reduzierung der geltend gemachten Abwesenheitsgelder kann ebenfalls nicht erfolgen. Es liegen keine Gründe vor, die Angaben des Verteidigers zur Dauer der Geschäftsreise keinen Glauben zu schenken. Denn die Strecke Pirmasens - Germersheim mag zwar regelmäßig eine Fahrtzeit von unter 90 Minuten erfordern, jedoch ist durch die Ausbauarbeiten der 810 auch eine deutlich längere Fahrzeit möglich, zumal der Verteidiger auch einen Parkplatz im Bereich des Amtsgerichts suchen musste.

    Insgesamt standen dem Beschwerdeführer somit 1.036,49 EUR zu, so dass neben den bereits festgesetzten 471,44 weitere 565,05 EUR als notwendige Auslagen festzusetzen waren.

    Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des §§ 467, 473 StPO.

    RechtsgebieteRVG, GKGVorschriftenNr. 7002 VV RVG Nr. 9003 KV GKG