25.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121602
Oberlandesgericht Braunschweig: Beschluss vom 21.02.2012 – 2 WF 246/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Braunschweig
Beschluss
Geschäftsnummer: 2 WF 246/11
Amtsgericht Göttingen: 49 F 92/11 EAUG
Zur Geschäftsstelle gelangt am 24. Februar 2012
In der Familiensache XXX
hier: wegen Festsetzung der Kosten erster Instanz,
hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Richter am Oberlandesgericht K. als Einzelrichter am 21.02.2012 beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 17.11.2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Göttingen vom 07.11.2011 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 05.12.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,34 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 17.11.2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Göttingen vom 07.11.2011 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 05.12.2011 ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 FamFG, 567 ff. ZPO), aber nicht begründet.
Die Antragstellerin wendet sich zu Unrecht dagegen, dass das Amtsgericht die dem Antragsgegner durch die Teilnahme an dem im Umgangsrechtsverfahren durchgeführten Anhörungstermin vom 29.06.2011 entstandenen Reisekosten als erstattungsfähig anerkannt hat. Auch insoweit handelt es sich um notwendige Kosten des familiengerichtlichen einstweiligen Anordnungsverfahrens im Sinne der §§ 91 Abs. 1 S. 2 ZPO, 85 FamFG, die die Antragstellerin nach der Kostengrundentscheidung im Hauptsachebeschluss des Familiengerichts vom 29.06.2011 zu tragen hat.
Den unmittelbaren Verfahrensbeteiligten steht grundsätzlich - auch unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung - das Recht zu, der mündlichen Verhandlung beizuwohnen. Es handelt sich um „ihr“ Verfahren, auch wenn es sich - wie hier - um ein Umgangsrechtsverfahren handelt, bei dem das Kindeswohl im Vordergrund steht und der Amtsermittlungsgrundsatz gilt.
Die Partei muss die Möglichkeit erhalten, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen, den Erörterungen im Anhörungstermin, der ein besonders wesentlicher Verfahrensteil ist, zu folgen, dem Gericht ihren Standpunkt zu erläutern und tatsächliches Vorbringen klarzustellen oder zu berichtigen sowie Hintergrundinformationen zu geben, die die gerichtliche Entscheidung oder eine gütliche Erledigung des Verfahrens maßgeblich beeinflussen können.
Verfahrensrechtlich geht damit die Pflicht zur Anhörung der Beteiligten, im Umgangsrechtsverfahren insbesondere der Eltern (§§ 34, 128 Abs. 2, 160 Abs. 1 FamFG), das Fragerecht sowie die Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast im Rahmen der Amtsermittlung (§§ 26, 27 FamFG), die Betonung der richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflicht (§§ 28, 34 FamFG) und die Stärkung des Schlichtungsgedankens (§ 36 Abs. 1 FamFG) einher, die dazu dienen, mit der Partei selbst das Streitverhältnis und die Möglichkeit eines Vergleichs zu erörtern (vgl. BGH, Rechtspfleger 2008, 279, juris - Rn. 11; OLG Düsseldorf, Anwaltsblatt 2006, 288, juris Rn. 3; OLG Celle, Juristisches Büro 2003, 594, juris Rn. 2, 3).
Hieraus folgt zugleich, dass die Partei nicht durch Überbürdung des Kostenrisikos davon abgehalten werden darf, einen Verhandlungstermin wahrzunehmen. Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten findet nur in dem Fall ihre Grenze, dass die Anwesenheit der anwaltlich vertretenen Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung als „missbräuchliche Ausnutzung von Parteirechten“ erscheint, was in Betracht, wenn von vornherein erkennbar ist, dass eine gütliche Einigung ausscheidet oder die Partei zur Klärung des Sachverhalts aus persönlicher Kenntnis nichts beitragen kann (vgl. BGH, a. a. O., juris Rn. 12; OLG Düsseldorf, a. a. O., juris Rn. 3; OLG Celle, a. a. O., juris Rn. 7; OLG München, NJW-RR 203, 1584).
Ob ein solcher Fall anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die Notwendigkeit der Anwesenheit der Partei in einem Verhandlungstermin aus Sicht einer verständigen Partei vor dem jeweiligen Termin zu beurteilen ist ("ex ante“). Nicht entscheidend ist, ob aus objektiver Sicht und zudem noch nachträglich im Kostenfestsetzungsverfahren die Notwendigkeit der Reise zum Verhandlungstermin zu bejahen ist. Denn jeder Partei muss die Möglichkeit eröffnet werden, ihre berechtigten Interessen zu verfolgen, wozu insbesondere auch die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung gehört (vgl. OLG D üsseldorf, a. a. O., juris Rn. 3; OLG Celle, a. a. O., juris Rn. 5).
Danach kommt es hier nicht darauf an, dass der Antragsgegner anwaltlich vertreten war, ohne Bedeutung ist auch, dass das Familiengericht das persönliche Erscheinen des Antragsgegners nicht angeordnet (§ 33 FamFG) und dem Terminsverlegungsantrag des Antragsgegners nicht entsprochen hatte. Wie sich aus Sicht der Antragstellerin die Möglichkeiten einer gütlichen Erledigung der Umgangsstreitigkeit bzw. einer Sachverhaltsaufklärung durch den Antragsgegner darstellten, ist ebenso unerheblich. Auch handelte es sich weder um eine Routine- noch um eine Bagatellangelegenheit und war auch - ausweislich des Hauptsachebeschlusses des Amtsgerichts vom 29.06.2011 - die Rechtsverteidigung für den Antragsgegner nicht von vornherein aussichtslos.
Im Gegenteil betraf das Verfahren zur Abänderung des früheren Umgangsrechtsbeschlusses des Amtsgerichts Göttingen vom 29.10.2010 (Geschäftszeichen: 49 F 130/10) die Personensorge für die gemeinsamen Kinder der Parteien und damit einen für das Kindeswohl außerordentlich bedeutsamen Gegenstand (§§ 1684, 1696 BGB). Entscheidungen auf dem Gebiet der Kindschaftssachen greifen regelmäßig in besonderem Maß in die persönlichen Verhältnisse und Beziehungen ein. Für die Entscheidungsfindung in solchen Verfahren ist es von besonderer Bedeutung, dass das Gericht einen eigenen Eindruck von den Betroffenen gewinnt und die Beteiligten persönlich zu Wort kommen können (vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG, 17. Aufl., § 160 Rn. 1). Deshalb schreibt § 160 FamFG hier die persönliche Anhörung der Eltern des Kindes, also beider Elternteile vor, die mehr als nur der Sicherstellung des rechtlichen Gehörs dient; vielmehr steht hier gerade auch die Erforschung psychologisch bedeutsamer Umstände im Vordergrund, die eine intensive Beschäftigung mit dem Anzuhörenden einschließlich der Wahrnehmung von Eigenschaften, Verhaltensweisen, Ansichten, Bemerkungen und dergleichen ermöglicht (vgl. Keidel/Engelhardt, a. a. O., § 160 Rn. 2 m. w. Rechtsprechungsnachweisen).
Nach allem ist nichts dagegen einzuwenden, dass der Antragsgegner zur Wahrnehmung seiner Elternverantwortung von seinem ausländischen Wohnsitz in S. /USA zur Teilnahme an der m ündlichen Verhandlung in G. angereist ist.
Ebenso wenig sind die vom Amtsgericht als erstattungsfähig angesehenen Reisekosten dem Umfang nach zu beanstanden.
Der Antragsgegner hat durch Vorlage der schriftlichen Bestätigung der Lufthansa vom 08.01.2012, des als Anlage zum Schriftsatz vom 06.09.2011 überreichten Kreditkartenbelegs und der „Miles & More-Abrechnung“ der Lufthansa vom 30.08.2011 glaubhaft gemacht, dass ihm durch die Flugreise von S. nach F. a. M. und zurück Kosten in Höhe von umgerechnet 1.878,34 Euro und für den Bahntransfer von F. nach G. und zurück Reisekosten von 122,00 Euro entstanden sind.
Ebenso ist aufgrund der vorbezeichneten Unterlagen glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner den Flugpreis für die „Economy-Class“ gezahlt hat und durch in Anspruch genommene Upgrades der Antragstellerin keine Mehrkosten entstanden sind.
Der Antragsgegner hat - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - auch nicht gegen die Obliegenheit verstoßen, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die Kostengünstigere auszuwählen. Die durch die Antragstellerin dargelegten „Vergleichsangebote“ betreffen andere Flugzeiträume und Modalitäten in der zeitlichen Abfolge der Buchungstermine. Sogenannte „Billigflüge“ muss sich der Antragsteller nicht entgegenhalten lassen, da er erst nach dem 14.06.2011 darüber informiert worden ist, dass das Amtsgericht seinen Terminsverlegungsantrag vom 09.06.2011 abschlägig beschieden und deshalb der Verhandlungstermin vom 29.06.2011 Bestand hatte. Wegen dieser knappen Zeitspanne bestand keine Obliegenheit, die deshalb ohnehin wenig erfolgversprechenden Möglichkeiten von „Billigflügen“ zu eruieren, auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner den Termin des Rückfluges nicht fest, sondern ein sogenanntes „Flexibel-Ticket“ gebucht hatte, weil er die nicht von vornherein auszuschließende Möglichkeit in Betracht zog, dass sich die Verhandlung länger hinziehen würde oder er aus einem anderen Grund erst einen Tag später den Rückflug antreten könnte. Dieses anerkennenswerte Interesse schloss einen Billigflug aus, wie die Antragstellerin letztlich nicht in Abrede nimmt.
Weiter führt der Wert der durch den Überseeflug erworbenen „Bonus-Milen“ - auch im Hinblick auf die Schadensminderungspflicht des Antragsgegners - nicht zu einer Entlastung der Antragstellerin. Hierbei handelt es sich zwar um eine zusätzliche Nebenleistung der Fluggesellschaft, die als Option bei künftigen Flügen kostensparend zum Tragen kommen kann, deren Vermögenswert aber nicht vornherein bestimmbar ist, weil der Bonus sich aus persönlichen Wertpunkten verschiedener Gutschriften zusammensetzt und erst in der Zukunft für noch unbestimmte Zwecke (Verrechnung mit Flugpreisen / Upgrades usw.) verbraucht werden kann, so dass eine Vorteilsausgleichung nicht in Betracht kommt.
Schließlich ist das Verhältnis der geltend gemachten Reisekosten zum Verfahrenswert der vorliegenden Umgangsrechtssache für die Kostenfestsetzung vorliegend ohne Bedeutung, da es sich um eine Kindschaftssache handelt, bei der nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend sind, sondern das Kindeswohl im Vordergrund steht.
Im Ergebnis hat der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 07.11.2011 Bestand und ist die dagegen erhobene Beschwerde der Antragstellerin deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 85 FamFG, 97 ZPO (vgl. Zöller/ Herget, ZPO, 29. Auflage, § 85 FamFG Rn. 3).
Der Beschwerdewert ist nach §§ 42, 40 FamGKG festgesetzt worden.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil es sich um die Entscheidung eines Einzelfalls handelt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 FamFG).