20.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121847
Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 28.11.2011 – 14 W 694/11
Durch das seit September 2009 gültige Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat sich nichts daran geändert, dass eine Zuständigkeit der Familiensenate der Oberlandesgerichte im Beschwerdeverfahren der anwaltlichen Vergütungsfestsetzung für Beratungshilfe auch dann nicht gegeben ist, wenn die Beratung in einer Familiensache erfolgte. Beschwerdegericht ist das Landgericht.
14 W 694/11
In der Beratungshilfeangelegenheit - Berechtigte - Verfahrensbevollmächtigter, Antragsteller und Beschwerdeführer: Rechtsanwalt Dr. Markus K. weiter beteiligt: Bezirksrevisor bei dem Landgericht Koblenz als Vertreter der Staatskasse wegen Angelegenheit und Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit im Beratungshilfeverfahren hier: Instanzenzug bei Ablehnung eines Vergütungsantrags durch das Amtsgericht hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Oberlandesgericht Weller als Einzelrichter am 28. November 2011 beschlossen:
Tenor:
Unter Aufhebung der Vorlageverfügung des Amtsgerichts Bad Neuenahr - Ahrweiler vom 21. November 2011 wird die Sache dorthin zurückgegeben.
Gründe
Das Amtsgericht hat am 29. September 2010 einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe ausgestellt. Rechtsanwalt Dr. Markus K. ist daraufhin für die Berechtigte tätig geworden. Sein Antrag auf Vergütungsfestsetzung (505, 75 EUR) ist weitgehend gescheitert. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin dargelegt, der Antragsteller sei nicht in mehreren, sondern lediglich in einer Angelegenheit tätig geworden.
Die dagegen erhobene Erinnerung ist gescheitert. Zur Begründung hat auch die Richterin im Beschluss vom 2. November 2011 gemeint, der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit (hier: § 16 Nr. 4 RVG) ermögliche es nicht, von verschiedenen, gesondert zu vergütenden Angelegenheiten auszugehen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 RVG).
Der dagegen eingelegten Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Koblenz vorgelegt.
Letzteres entspricht nicht dem Instanzenzug; die Vorlageverfügung war daher aufzuheben. Sie beruht ersichtlich auf § 5 Beratungshilfegesetz, wonach für das Beratungshilfeverfahren die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend gelten, soweit im Beratungshilfegesetz nichts anderes bestimmt ist.
Nach Auffassung des Senats gilt § 5 Beratungshilfegesetz aber nur für die Gewährung der Beratungshilfe als solche, nicht aber für das anschließende Vergütungsfestsetzungsverfahren, das ausschließlich die Honorierung des Rechtsanwalts aus der Staatskasse betrifft und sich daher nach den Vorschriften des RVG zum Vergütungsanspruch beigeordneter, bestellter oder in der Beratungshilfe tätig gewordener Rechtsanwälte richtet ( §§ 44 ff RVG - lex specialis derogat legi generali ).
Auch aus der über § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG anzuwendenden Regelung in §§ 33 Abs. 4 Satz 2 RVG, 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG lässt sich nicht ableiten, dass die Vergütungsfestsetzung für die Beratungshilfe als Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder Familiensache anzusehen ist (vgl. OLG Köln MDR 2011, 258). Verfahren wegen der Vergütung eines Rechtsanwaltes für geleistete Beratungshilfe sind auch nicht vergleichbar mit jenen der Hauptentscheidung in einem gerichtlichen Streitverfahren nachfolgenden Beschlüssen, die wegen ihres engen Zusammenhangs mit einer Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie diese behandelt werden müssen. Die Gleichbehandlung in Familiensachen hat der Bundesgerichtshof allein mit praktischen Erwägungen begründet; es solle vermieden werden, dass Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse anstatt an das im Rechtszug der Hauptsache zuständige Gericht an ein Gericht gelangten, das mit der Hauptsache nicht befasst sei und nicht befasst werden könne (vgl. BGH in FamRZ 1978, 585 - 586). Für die Beratungshilfe, bei der es im Folgeverfahren der Vergütungsfestsetzung nicht um die Ausgleichung der Kosten mehrerer Verfahrensbeteiligter geht, hat der Bundesgerichtshof eine vergleichbare Lage in Bezug auf den von der Beratungshilfe betroffenen Gegenstand verneint, da die Beratungshilfe gemäß § 3 Abs. 1 BerHG nur für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gewährt werde (vgl. BGH NJW 1978, 1633 [BGH 02.05.1978 - VI ZR 94/77]; BGH NJW 1985, 2537 [BGH 16.05.1984 - IVb ARZ 20/84]).
Auch bezüglich des Beratungshilfeverfahrens an sich ergeben die vom Bundesgerichtshof angestellten Erwägungen zur Annexkompetenz keine Notwendigkeit einer Gleichbehandlung des Vergütungsfestsetzungsverfahrens, da im Beratungshilfeverfahren das Rechtsmittel der Beschwerde nicht gegeben ist. Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers, mit der Beratungshilfe abgelehnt wird, ist nach § 6 Abs. 2 BerHG nur die unbefristete Erinnerung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 RPflG statthaft. Hilft der Rechtspfleger dieser Erinnerung nicht ab, hat er sie gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG dem Richter vorzulegen, der über die Erinnerung endgültig entscheidet. Einen weiterer Rechtsbehelf oder gar ein Rechtsmittel sieht das Beratungshilfegesetz nicht vor. Somit ist in der "Hauptsache" eine Vorlage der Erinnerung an das Rechtsmittelgericht ebenso wenig möglich wie eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsrichters (vgl. OLG Celle FamRZ 2011, 495).
Aus der Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für diejenigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die - anders als bei der Beratungshilfe - eine sachliche Verbindung zwischen dem gerichtlichen Hauptverfahren und der Kostenfestsetzung besteht, lässt sich für die hier gegebene Verfahrenslage nichts herleiten. Weder dem Wortlaut des über § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG anwendbaren § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG noch der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann entnommen werden, dass nicht auf die Rechtsnatur des Vergütungsfestsetzungsverfahrens sondern auf diejenige des Verfahrens abzustellen ist, aus dem das Verfahren der Vergütungsfestsetzung hervorgegangen ist.
Nach alledem ist die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung für gewährte Beratungshilfe nicht als Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzusehen. Die Zuständigkeit im Beschwerderechtszug richtet sich vielmehr nach der allgemeinen Regelung in § 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 4 Satz 2 erste Alternative RVG.
Ob die Sachentscheidung der Richterin vom 2. November 2011 demnach nicht veranlasst und stattdessen eine unverzügliche Vorlage an das nach § 72 Abs. 1 GVG zuständige Landgericht Koblenz geboten war (§ 33 Abs. 4 Satz 1, zweiter Halbsatz RVG) steht nicht zur Entscheidung des Senats, der sich daher darauf beschränkt hat, die Vorlageverfügung aufzuheben.
Da die Rechtslage aus den dargestellten Gründen eindeutig ist, war eine Übertragung auf den vollbesetzten Senat (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG) nicht veranlasst.
Eine Kostenentscheidung unterbleibt (§§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 33 Abs. 9 Satz 2, zweiter Halbsatz RVG analog).