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  • 21.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122898

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 08.05.2012 – 1 W 26/12

    Einer eigenen Streitwertbeschwerde einer Prozesspartei mit dem Ziel einer Erhöhung des Streitwerts fehlt ausnahmsweise nicht das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Partei eine Honorarvereinbarung geschlossen hat, nach der sie an ihren Bevollmächtigten mehr zahlen muss, als der kostenpflichtige Gegner aufgrund der angefochtenen Streitwertfestsetzung zu erstatten hätte; dagegen dürfte in einem derartigen Fall eine eigene Streitwertbeschwerde des Bevollmächtigten gemäß § 33 Abs. 2 RVG unzulässig sein.


    1 W 26/12

    Tenor:

    Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 09.12.2011 über die Festsetzung des Streitwerts abgeändert.

    Der Gegenstandswert für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird auf 12.500 € festgesetzt.

    Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
    Gründe

    1. Die ausdrücklich im Namen des Antragstellers als des Mandanten eingelegte Beschwerde vom 12.03.2012 gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Ziel einer Heraufsetzung des Streitwerts ist zulässig, insbesondere ist hier ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Beschwerde zu bejahen.

    Grundsätzlich kann zwar einer Partei nicht daran gelegen sein, dass der Streitwert höher festgesetzt wird; denn dadurch wird sie mit höheren Kosten belastet. Durch eine zu niedrige Festsetzung des Streitwerts ist in der Regel allein der Prozessbevollmächtigte des Verfahrensbeteiligten belastet, der in einem solchen Fall aus eigenem Recht die Beschwerde nach § 32 Abs. 2 RVG einlegen kann. Etwas anderes hat aber zu gelten, wenn die Prozesspartei mit ihrem Bevollmächtigten eine Honorarvereinbarung geschlossen hat, deren Wert den zunächst festgesetzten Streitwert übersteigt. Dann erscheint zweifelhaft, ob der Bevollmächtigte aus eigenem Recht eine Überprüfung der Streitwertfestsetzung herbeiführen kann. Denn für eine solche Streitwertbeschwerde dürfte ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, da er ein - seiner Vorstellung von zutreffender höherer Streitwertfestsetzung entsprechendes - höheres Honorar aufgrund der Honorarvereinbarung mit seinem Mandanten erhält (a.A. mit eher theoretischen Erwägungen für die Möglichkeit eines Streits über eine überhöhte Honorarvereinbarung BFH, Beschl. v. 01.07.1975, NJW 1976, 208 [BFH 01.07.1975 - VII B 15/74] sowie Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl. 2012, § 68 Rn. 7 "Honorarvereinbarung"). Beschwert ist dagegen der Mandant: Durch eine zu niedrige Streitwertfestsetzung erhält er eine zu geringe Kostenerstattung durch die kostenpflichtige Gegenseite; dies führt zu einer Erhöhung des Anteils der eigenen Zahlungsverpflichtung aus der Honorarvereinbarung. Im Falle einer derartigen Honorarvereinbarung ist daher ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Streitwertbeschwerde des Mandanten zu bejahen (im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.06.2005, MDR 2006, 297 [juris Rn. 9]; OLG Frankfurt, 6. ZS, Beschl. v. 13.08.2009 - 6 W 182/08 -, juris Rn. 1; OVG Bautzen, Beschl. v. 01.03.2006, NVwZ-RR 2006, 654 [juris Rn. 4]; OVG Saarlouis, Beschl. v. 12.07.2007, NJW 2008, 312 [juris Rn. 2]; OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.05.2011 - 10 OA 32/11 -, juris Rn. 7).

    Soweit gegen eine solche Auffassung eingewandt wird, die bloße Aussicht, ein freiwillig an den eigenen Bevollmächtigten gezahltes Honorar über eine höhere Kostenerstattung stärker von einem solventen Gegner refinanzieren zu lassen, begründe noch kein schutzwürdiges Interesse an einer möglichst hohen Streitwertfestsetzung (OLG Köln, Beschl. v. 18.10.2011, MDR 2012, 185 [juris Rn. 2]), folgt dem der Senat nicht. Denn Bezugspunkt für das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses des Mandanten ist nicht eine möglichst hohe Streitwertfestsetzung, sondern eine sachlich zutreffende; ob seine Vorstellung, wie hoch der Streitwert festzusetzen sei, sachlich zutreffend ist, ist eine Frage der Begründetheit der Streitwertbeschwerde. Zwar wird weiter eingewandt, bei Zulassung einer Streitwertbeschwerde der Partei könne diese das erhöhte Honorar auf den Gegner abwälzen, der sich bereits auf einen endgültig festgesetzten Kostenstreitwert eingerichtet habe und nicht mit einer Streitwerterhöhung nur deshalb rechnen müsse, weil sein Gegner einen teureren Anwalt beschäftigt habe (so Hartmann, aaO.). Auch diese Erwägung überzeugt aber nicht. Denn zum einen muss ein Verfahrensbeteiligter bis zur Rechtskraft der Streitwertfestsetzung mit einer Abänderung im Beschwerdeverfahren oder von Amts wegen rechnen (OVG Saarlouis, aaO.; OVG Lüneburg, aaO.). Zum anderen geht es nicht um die Möglichkeit zur Überwälzung höherer Kosten aus einer Honorarvereinbarung, sondern um die rechtliche Möglichkeit, eine sachlich angemessene Festsetzung des Streitwerts herbeizuführen. Der kostenpflichtige Gegner ist nicht schutzwürdig dahingehend, dass die von ihm zu tragenden Kosten nach einem zu niedrigen Streitwert berechnet werden; wird der Streitwert sachlich angemessen festgesetzt - wie ausgeführt: eine Frage der Begründetheit der Streitwertbeschwerde -, ist der Kostengegner hierdurch gegen die Überwälzung darüber hinausgehender Kosten aus einer Honorarvereinbarung geschützt.

    Eine solche Honorarvereinbarung mit einem Wert, der über die auf Grundlage der bisherigen Streitwertfestsetzung vom Antragsgegner zu erstattenden Kosten hinausgeht, ist hier unstreitig zwischen dem Antragsteller und seinem Verfahrensbevollmächtigten geschlossen worden.

    2. Die Streitwertbeschwerde ist aber nur teilweise begründet. Der Senat hält es für angemessen, den Streitwert für das vorliegende Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO, welchen das Landgericht mit 6.000 € angenommen hatte, auf 12.500 € festzusetzen; soweit der Antragsteller darüber hinausgehend beantragt hat, den Streitwert auf 100.000 € zu erhöhen, war seine Beschwerde zurückzuweisen.

    Ziel der einstweiligen Verfügung ist hier, dem Antragsteller durch die Zurverfügungstellung eines Schlüssels zu den vom Antragsgegner an den bisherigen gemeinsamen Räumen der Arztpraxis und das Verbot, die Schlösser vor einer rechtskräftigen Beendigung der zwischen den Parteien geschlossenen GbR erneut auszuwechseln, vorläufig eine jederzeitige eigenständige Zutrittsmöglichkeit des Antragstellers zu den Praxisräumen zu gewährleisten. Da der Antragsteller zu den üblichen Praxisöffnungszeiten die Praxis ohne weiteres betreten konnte, sieht der Senat entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht, dass der Antragsteller ohne die einstweilige Verfügung grundsätzlich gehindert gewesen wäre, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Es geht in dem vorliegenden Verfahren nicht um die Frage, ob der Antragsteller nach der Kündigung der GbR durch beide Seiten seine berufliche Tätigkeit weiterhin in den bisherigen Praxisräumen ausüben darf oder nicht, sondern allein um den jederzeitigen, von einer Absprache mit dem Antragsgegner unabhängigen Zugang zu diesen Räumen; der Antragsteller ist also nicht - wie die Beschwerde formuliert - ohne die einstweilige Verfügung aus der Praxis "ausgesperrt".

    Deswegen kann der Jahresumsatz der Praxis von rund 818.000 € allenfalls ein sehr vager Ausgangspunkt für eine Streitwertfestsetzung sein. Dennoch mag dieser Wert mangels anderer greifbarer Anhaltspunkte als grobe Orientierung dienen. Der mittels eines eigenen Schlüssels zeitlich uneingeschränkte Zugang für den Antragsteller dient auch dazu, die Praxisräume jederzeit weiter benutzen zu können. Legt man schätzweise zugrunde, dass jede der beiden Prozessparteien die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet hat, ist der Antragsteller nur zu einem Bruchteil dieser Hälfte durch einen zeitlich nicht uneingeschränkten Zugang an seiner Tätigkeit gehindert. Diesen Teil bemisst der Senat unter Zugrundelegung langer Öffnungszeiten einer florierenden Fachpraxis für Orthopädie auf 1/10. Da für ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung darüber hinaus ein Abschlag auf einen denkbaren Streitwert in der Hauptsache zu machen ist, hält der Senat eine Festsetzung des Streitwerts auf 12.500 € für angemessen

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

    4. Eine Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO) ist gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, eine weitere Beschwerde ist gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG nicht statthaft.

    RechtsgebietStreitwertVorschriften§ 68 GKG § 33 Abs. 2 RVG