· Fachbeitrag · Gebührenstreitwert
Die gestaffelte Streitwertfestsetzung ist auch im Verwaltungsverfahren unzulässig
von RA Norbert Schneider, Neunkirchen
| Auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist eine nach Zeitabschnitten gestaffelte Wertfestsetzung unzulässig. Vielmehr ist ein einziger Wert für das gesamte Verfahren festzusetzen. Soweit sich für einen beteiligten Anwalt hinsichtlich einzelner Gebühren abweichende Werte ergeben, sind diese gesondert in einem Antragsverfahren nach § 33 RVG festzusetzen. |
1. Gestaffelte Wertfestsetzung ist grundsätzlich unzulässig
Für Zivilverfahren ist schon seit Langem einhellige Auffassung, dass Streitwerte nicht nach Zeitabschnitten festgesetzt werden dürfen (OLG Dresden 19.7.22, 12 W 367/22; OLG Düsseldorf NJW-RR 22, 935; OLG Nürnberg NJW 22, 951; OLG Dresden AGS 19, 119; OLG München NJW-RR 17, 700; OLG Bremen AGS 22, 92; OLG Schleswig NJW-RR 22, 93; LG Mainz AGS 18, 571; LG Stendal AGS 19, 228).Dem hat sich nun das OVG Bautzen angeschlossen (18.8.22, 1 E 34/22, Abruf-Nr. 232680). Denn im Verwaltungsverfahren wird nur eine einzige Gerichtsgebühr erhoben (Nr. 5110 GKG-KV), die grundsätzlich einen Gebührensatz von 3,0 hat. Soweit eine Ermäßigung eintritt (Nr. 5111 GKG-KV), ist erst recht nur eine einzige Gebühr zu erheben. Wird aber nur eine einzige Gerichtsgebühr erhoben, kann es hierfür auch nur einen einzigen Wert geben. Gerichtsgebühren werden nicht nach Zeitabschnitten, sondern nach Werten erhoben. Das OLG Brandenburg geht sogar so weit, dass es gestaffelten Wertfestsetzungen jegliche Bindungswirkung abspricht (18.1.18, 15 WF 258/17, Abruf-Nr. 232679).
Beachten Sie | Für den Streitwert ist nach § 39 Abs. 1 GKG die Summe aller Gegenstände maßgebend, die im Laufe des Verfahrens anhängig waren (OLG Celle AGS 15, 453). Eine Klage- oder Antragsrücknahme hat also keinen Einfluss auf die bereits bei Einreichung entstandene Gebühr.
a) Zeitliche Staffelung ist intransparent
Nachteilig bei gestaffelten Wertfestsetzungen wäre: Es lässt sich nicht erkennen, inwieweit sich die einzelnen Werte decken.
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Das Gericht setzt den Streitwert wie folgt fest: „Bis zum 10.10.22: 10.000 EUR; danach: 8.000 EUR.“ Aus dieser Wertfestsetzung ergibt sich nicht, wie viel der 8.000 EUR in den 10.000 EUR enthalten sind. Aufgrund der unklaren Festsetzung wäre jeder Gesamtwert zwischen 10.000 EUR und 18.000 EUR möglich. |
b) Kein abweichender Wert für anwaltliche Gebühren erforderlich
Häufig wird zur Legitimation gestaffelter Wertfestsetzungen angeführt, dass solche Staffelungen für die Anwaltsgebühren erforderlich seien, etwa wenn sich die Terminsgebühr des Anwalts nach einer Klagerücknahme lediglich nach einem geringeren Wert berechne. Hierbei wird aber übersehen, dass auch für den Anwalt gestaffelte Wertfestsetzungen nicht zulässig sind. Die Anwaltsgebühren werden ebenso wenig nach Zeitabschnitten, sondern nach Werten erhoben. Daher ist eine gestaffelte Wertfestsetzung sinnlos.
c) Gesonderte Wertfestsetzung für den Anwalt ist nur nach § 33 RVG möglich
Ein Gericht darf den Wert für die anwaltlichen Gebühren auch nicht von Amts wegen festsetzen. Die Festsetzung ist nur auf Antrag eines Anwalts oder einer Partei im Verfahren nach § 33 RVG vorzunehmen (LG Mainz AGS 18, 571). Im Verfahren nach § 33 RVG wird der Wert nicht generell festgesetzt. Es wird nur die Festsetzung des Gegenstandswerts für diejenigen Gebühren vorgenommen, die sich nach einem abweichenden Wert berechnen.
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K erhebt Klage auf Zahlung von 10.000 EUR. B zahlt 8.000 EUR und der Rechtsstreit wird insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im Folgetermin zur mündlichen Verhandlung verhandeln die Parteien über die restlichen 2.000 EUR und die Kosten des Verfahrens. Das Gericht setzt den Streitwert auf 10.000 EUR fest.
Lösung Das ist korrekt, da sich der Streitwert nach den Anträgen richtet, mit denen das Verfahren eingeleitet worden ist (§ 40 GKG). Die spätere Hauptsacheerledigung hat darauf keinen Einfluss. Der Streitwert gilt auch für die anwaltlichen Verfahrensgebühren, da die Anwälte bereits vor Erledigung der Hauptsache tätig waren und Anträge gestellt haben. Die Terminsgebühr ist nach einem geringeren Gegenstandswert entstanden, da sich nach einer Hauptsacheerledigung der Gegenstandswert nur nach der restlichen Forderung berechnet. Dies gilt auch bei einer Teilerledigung. Umstritten ist nur, inwieweit die Kosten des erledigten Teils den Streitwert erhöhen. Auf jeden Fall ist der Gegenstandswert der Terminsgebühr geringer als der Streitwert des Verfahrens, sodass insoweit (nur) auf Antrag eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 RVG vorzunehmen ist.
Beachten Sie | Eine amtswegige Festsetzung ist nicht zulässig. Denn das Gericht kann anhand der Prozessakten nicht erkennen, welcher Wert für die Terminsgebühr gilt. Hierzu bedarf es eines Parteivortrags. So wäre es im Beispiel 2 möglich gewesen, dass die Zahlung der 8.000 EUR auf einer Besprechung der Parteien beruhte. Hier wäre die Terminsgebühr bereits vor Hauptsacheerledigung und damit nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV schon aus dem vollen Wert angefallen. |
2. Handlungsempfehlungen für die Praxis
Setzt das Gericht den Streitwert gestaffelt fest, sollten Sie unbedingt gemäß § 68 GKG Beschwerde erheben. Zwar hat eine gestaffelte Wertfestsetzung keine Aussagekraft. So vermeiden Sie aber einen falschen Rechtsschein und Sie benötigen für Ihre Abrechnung sowieso eine richtige Wertfestsetzung.
Im Rahmen der Beschwerde sollten Sie darauf hinweisen, dass sich der Streitwert gemäß § 39 Abs. 1 GKG aus der Summe aller im Laufe des Verfahrens anhängigen Gegenstände ergibt (OLG Celle, AGS 15, 453). Sie sollten diese Gegenstände aufzählen und dem Gericht vorrechnen, welcher Wert sich hieraus ergibt.
Weiterführende Hinweise
- Für einzelne Verfahrensabschnitte wird Streitwert nicht gestaffelt, RVG prof. 22, 199
- Gestaffelte Festsetzung ist nur für den Rechtsanwalt erheblich, RVG prof. 22, 165
- Der (Un-)Sinn gestaffelter Wertfestsetzungen, RVG prof. 21, 120
- Gestaffelte Wertfestsetzung ist unzulässig, RVG prof. 22, 59