· Fachbeitrag · Vergütungsvereinbarung Insolvenzrecht
Sanierungsberatung: So gestalten Sie Ihr Honorar anfechtungssicher
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Gerade in Insolvenzverfahren kommt es häufig vor, dass Insolvenzverwalter von Rechtsanwälten in ihrer Funktion als Sanierungsberater im Vorfeld gezahlte Vergütungen im Wege der sog. Vorsatzanfechtung zurückfordern. Der BGH hat dazu in einer aktuellen Entscheidung wichtige Leitsätze aufgestellt, die bei der Beratung von Insolvenzschuldnern für das Anwaltshonorar relevant sind (3.3.22, IX ZR 78/20, Abruf-Nr. 228039 ). Anderenfalls kann zehn Jahre lang die Rückzahlung von Mandantenhonoraren drohen. Im betreffenden Fall ging es immerhin um einen Betrag von rund 4,5 Millionen EUR. |
1. Dem Anwalt kann Insiderwissen vorgeworfen werden
Nach Ansicht des BGH kann ein freiberuflicher Berater als nahestehende Person gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO a. F. (jetzt: § 138 Abs. 4 InsO n. F.) angesehen werden. Dies ist der Fall, wenn der Beratungsvertrag nach seiner rechtlichen und tatsächlichen Prägung dem Sanierungsberater den typischen Wissensvorsprung über die wirtschaftliche Lage des Mandanten vermittelt, den sonst nur damit befasste leitende Angestellte des Unternehmens haben.
Die allgemeine Folge ist: Nach § 133 Abs. 4 InsO ist jeder vom Schuldner mit einer nahestehenden Person geschlossene entgeltliche Vertrag anfechtbar, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Denn gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand, wird vermutet, dass sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte. Die Regelung führt somit zu einer Vermutung von Insiderwissen. Dieses bedeutet im Anfechtungsprozess eine Beweiserleichterung für den Insolvenzverwalter.
Die Folge für den Anwalt als Sanierungsberater ist: Mandatsverhältnisse sind von § 133 Abs. 4 InsO besonders betroffen. Rechtsanwälte sind nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Mandanten nahestehende Personen, wenn sie aufgrund einer den Organen oder qualifizierten Gesellschaftern des Schuldners vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hatten, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten. Dabei kommt es darauf an, wie der tatsächliche Informationsfluss zwischen Mandant und Rechtsanwalt ausgestaltet ist. Es genügt, dass der Rechtsanwalt die entsprechenden Informationen uneingeschränkt zur Verfügung erhält (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof/Gehrlein, 4. Aufl., § 138 Rn. 34). Ihm wird so vertraglich die Rechtsstellung wie einem in gleicher Zuständigkeit tätigen Angestellten eingeräumt und ihm fließen alle über die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsgang zu.
MERKE | Im Klartext heißt dies aber auch: Enthält der Schuldner seinem Rechtsanwalt planmäßig bestimmte (klassifizierte) Tatsachen vor, entsteht kein Näheverhältnis nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO und die vereinfachte Anfechtung nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO greift nicht. |
2. Honorar trotz drohender Insolvenz des Mandanten sichern
Die Entscheidung legt dar, dass einer der größten Feinde des Anwalts (als Sanierungsberater) die Insolvenz des Mandanten und die damit verbundene Anfechtung bereits erhaltener Honorarzahlungen ist. Daher müssen Anwälte rechtzeitig Vorkehrungen treffen, damit ein kongruentes Deckungsgeschäft vorliegt, das eine Insolvenzanfechtung nach § 131 InsO ausschließt.
Nach § 131 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit beanspruchen konnte (sog. Inkongruenz). Hierunter fallen auch Zahlungen auf eine fällige Vergütung eines Anwalts, falls er diese mangels einer dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung noch nicht einfordern konnte (§ 10 Abs. 1 RVG; vgl. BGH RVG prof. 06, 199). Deshalb sollte der Anwalt folgende Punkte beachten:
- Fälligkeit herstellen: Leistungen des Mandanten dürfen nur auf fällige Ansprüche erfolgen ‒ anderenfalls liegt eine inkongruente und nach § 131 Abs. 1 InsO anfechtbare Leistung vor. Die Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung bestimmt sich nach § 8 Abs. 1 RVG.
MERKE | § 10 RVG regelt nicht die Fälligkeit der Vergütung, sondern ist nur Voraussetzung dafür, dass der Anwalt die fällige Vergütung tatsächlich einfordern kann. Dabei können die Parteien von § 8 Abs. 1 RVG abweichende Fälligkeitsvereinbarungen treffen, auch konkludent etwa dadurch, dass die Parteien z. B. eine Zeitvergütung und regelmäßige Zwischenabrechnungen vereinbaren (BGH AGS 13, 573). Genau dies war im Streitfall gegeben: Die Parteien hatten vereinbart, dass der Anwalt seine Leistungen im Zwei-Wochen-Rhythmus abrechnet. |
- Rechnung gemäß § 10 RVG erstellen: Ist die Vergütung zwar fällig, aber vom Anwalt noch nicht berechnet, so sind ‒ freiwillige ‒ Zahlungen hierauf anfechtbar. § 10 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt, dass die Vergütung nur aufgrund einer vom Rechtsanwalt unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung eingefordert werden kann. Daher sollte der Anwalt schnellstmöglich nach Fälligkeit der Vergütung eine Abrechnung nach § 10 RVG erstellen und die Vergütung auf deren Grundlage verlangen.
MERKE | Der Mandant kann auf die näheren Angaben zu den erbrachten Leistungen und eine Berechnung verzichten. Denn die Bestimmung über den Inhalt der Vergütungsabrechnung nach § 10 Abs. 2 RVG ist dispositiv. Die Parteien können also vereinbaren, dass der Anwalt seine Vergütung ohne eine den Anforderungen des § 10 Abs. 2 RVG entsprechende Rechnungsstellung einfordern und durchsetzen kann. Den Verzicht des Mandanten auf die Erfordernisse des § 10 Abs. 2 RVG sollten die Parteien ausdrücklich schriftlich fixieren, da die Beweislast im Zweifel beim Rechtsanwalt liegt. |
Weiterführende Hinweise
- Sonderausgabe „Fälligkeit und Verjährung der anwaltlichen Vergütung“, iww.de/rvgprof, Abruf-Nr. 46149635
- Was geschieht mit Vorschüssen?, RVG prof. 17, 118
- Vorschuss und Gebühren bei Betragsrahmengebühren, RVG prof. 19, 96
- Bei Abrechnung und Rückzahlung von Vorschüssen nach Mandatsende richtig vorgehen, RVG prof. 19, 130