05.05.2009 | EuGH-Rechtsprechung
Das „Seeling-Modell“: Vorsteuerabzug auf dem Prüfstand
von RA WP StB Harald Spiegel und StB Dr. Kristin Heidler, Dr. Mohren und Partner, München
Zahlreiche gemeinnützige Stiftungen konnten sich bisher im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Umbau eines „gemeinnützigen“ Gebäudes den kompletten Vorsteuerabzug sichern, wenn mehr als 10 % des Gebäudes für wirtschaftliche bzw. gewerbliche Zwecke genutzt wurden. Droht diesem sogenannten „Seeling-Modell“ jetzt das Aus?
1. „Seeling-Modell“ bei gemeinnützigen Körperschaften
Werden Investitionsgüter von gemeinnützigen Körperschaften nicht nur im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder Zweckbetrieb, sondern auch in der nichtunternehmerischen ideellen Sphäre verwendet, ist die Anwendung des „Seeling-Modells“ bislang möglich. Die Gegenstände können - soweit sie zu mehr als 10 % unternehmerisch genutzt werden - nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG der unternehmerischen Sphäre zugeordnet werden. Der Vorsteuerabzug für den nichtunternehmerischen Bereich wird durch die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG korrigiert. Insbesondere bei der Erstellung oder Renovierung von Gebäuden können gemeinnützige Körperschaften hierdurch zwei Vorteile erlangen:
- Da der Vorsteuerabzug sofort möglich ist, die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe jedoch über einen Zeitraum von 10 Jahren verteilt wird, erlangt die Stiftung einen Liquiditätsvorteil (Zinsvorteil).
- Einen Steuersatzvorteil durch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % ist nach Auffassung der Finanzverwaltung auch dann möglich, wenn unentgeltliche Wertabgaben an den eigenen nichtunternehmerischen Bereich vorliegen, sofern diese aus Tätigkeitsbereichen erfolgen, die nicht einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind.
2. EuGH-Urteil vom 12.2.09, RechtssacheVNLTO
Die bisherige Vorgehensweise wurde durch das EuGH-Urteil vom 12.2.09 in der Rechtssache VNLTO jedoch infrage gestellt (EuGH 12.2.09, C 515/07, DStR 09, 369, Abruf-Nr. 091402). Der Fall betraf eine niederländische Vereinigung zur Förderung der Interessen des Agrarsektors (VNLTO), die gegen Beitragszahlung für ihre Mitglieder tätig ist. Die satzungsgemäße Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigung sind keine „der Mehrwertsteuer unterliegenden“ Tätigkeiten, da sie nicht in der entgeltlichen Lieferung oder Erbringung von Dienstleistungen bestehen.
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