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  • · Fachbeitrag · Gemeinnützigkeit

    BFH: Einflussnahme auf politische Willensbildung kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck

    | Die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck im Sinne von § 52 AO . Das hat der BFH im zweiten Rechtsgang zum „Attac-Urteil“ klargestellt. |

     

    Die Rechtsprechungs-Historie in der „Attac-Sache“

    Das FG Hessen hatte im ersten Rechtsgang die Gemeinnützigkeit von Attac bejaht. In der Revisionsentscheidung war der BFH zu einem anderen Ergebnis gekommen: Die Verfolgung politischer Zwecke nach Maßgabe der steuerrechtlichen Regelungen sei nicht gemeinnützig (BFH, Urteil vom 10.01.2019, Az. V R 60/17, Abruf-Nr. 207481). Allerdings hatte der BFH dem FG aufgegeben, zu prüfen, ob die unter dem Namensbestandteil des Vereins durchgeführten Kampagnen und sonstigen Aktionen dem Verein als Träger des so bezeichneten Netzwerks auch tatsächlich zuzurechnen sind. Das FG hatte sodann den Entzug der Gemeinnützigkeit für den Attac-Trägerverein bestätigt. Dagegen klagte der Verein erneut vor dem BFH.

     

    Politische Willensbildung ‒ kein eigener gemeinnütziger Zweck

    Der BFH hat zunächst unter Verweis auf sein Urteil aus 2019 klargestellt, dass die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck ist. Steuerbegünstigten Körperschaften ist eine eigenständige Befassung mit Fragen der politischen Willensbildung verwehrt. Die Körperschaft darf mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung weder ausschließlich noch überwiegend einen politischen Zweck verfolgen.

     

    Gleichwohl darf eine gemeinnützige Einrichtung sich politisch nur betätigen, wenn sie damit einen in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zweck verfolgt. Sie dürfen auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung Einfluss nehmen, wenn dies der Verfolgung eines gemeinnützigen Katalogzwecks dient. Das darf aber nur dienende Funktion haben und muss gegenüber der unmittelbaren Förderung des steuerbegünstigten Zwecks in den Hintergrund treten. Die Tagespolitik darf nicht im Mittelpunkt stehen.

     

    Eine Erweiterung des Begriffs der politischen Bildung in der Weise, dass sich hieraus die eigenständige steuerrechtliche Förderung einer Einflussnahme auf die politische Willensbildung in frei gewählten Politikfeldern ergibt, lehnt der BFH ab. § 52 Abs. 2 AO würde sonst faktisch um den dort nicht angeführten Zweck der Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung ergänzt (BFH, Beschluss vom 10.12.2020, Az. V R 14/20, Abruf-Nr. 220160).

     

    Diese Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts berührt auch nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit. Ein eigenständiges politisches Teilhaberecht gibt es im Rahmen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit nicht, so der BFH.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 58 | ID 47104813